Aus aktuellem Anlass richtete das Institut für Auswärtige Angelegenheiten und Außenwirtschaft gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Griechenland aus. Susanna Vogt, Leiterin des Auslandsbüros in Griechenland, Referentin der Konrad-Adenauer-Stiftung und damit Expertin für die Diskussion im Institut für Auswärtige Angelegenheiten und Außenwirtschaft äußerte sich zur aktuellen Lage in Griechenland. Gleich zu Anfang betonte sie: „Die griechische Krise ist keine Schuldenkrise.“
Sie sei vor allem eine Krise des Parteiensystems, erklärte Vogt weiter. „Die bisherigen Logiken greifen nicht mehr, das Volk ist verzweifelt. Durch die Kredite, die der griechische Staat aufgenommen hat, konnte die Wirtschaft belebt werden und die Bevölkerung in den eigenen Konsum investieren“, so die Griechenland-Expertin. Lange hätten die Bürger ihre Swimmingpools bauen, ihre Gärten pflegen können. Sich freuen auf das Haus der Oma auf Kreta, wenn sie es einst ihren Lieben hinterlässt. Nun, durch die massive Besteuerung solcher Luxusgüter, gerate diese Sicherheit ins Wanken. Denn der gepflegte Vorgarten und das teure Auto werfen kein Geld für den Staat ab. Seit 2010 steht Griechenland mit leeren Taschen da.
Geld für die Vergangenheit
Der rasante Aufstieg der linken Partei Syriza lässt den Rest der EU mit offenen Mündern staunend dreinblicken. Immer häufiger stellen sich Beobachter die Frage, ob die Griechen nun jeglichen Sinn für die Realität verloren haben. Doch die Wähler von Alexis Tsipras sind nicht unbedingt überzeugte Linksradikale. Susanna Vogt erklärte dies während der Diskussionsveranstaltung folgendermaßen: „Nach fünf Jahren kommt jemand daher und stellt sich offen gegen die Forderungen der Troika. Und das Volk denkt sich: Ich wähle jetzt die, die ich noch nie gewählt habe, weil ich verzweifelt bin und auch nicht weiß, welche Partei ich sonst wählen soll. Vielleicht machen sie es besser“. Seit der erfolgreichen Abstimmung für Tsipras steht das griechische Volk geschlossen gegen die Forderungen der internationalen Gegner. Im Januar gaben die Wähler ihr Vertrauen dem regierungsunerfahrenen Linksbündnis. Die Erwartungen waren hoch; Tsipras versprach, dass jeder ein Stück vom Kuchen bekomme. Langsam jedoch kommen Zweifel auf.
Auch KAS-Referentin Vogt bestätigte, die Unruhen der vergangenen Monate gingen nicht unbemerkt an den Griechen vorbei: „Nun sagen 56 Prozent, dass sie doch Angst haben, was wird. Nur neun Prozent gehen davon aus, dass keine Gefahr auf ein Zusammenbrechen des Landes und der Wirtschaft besteht.“ Das Vertrauen sei verloren, so Vogt, und Inhalt und Strategie der Regierung auch. Die Wähler seien enttäuscht. „Für Griechenland hat sich in den vergangenen Jahren doch keiner mehr interessiert“, zieht Vogt Resümee. Seit 2012 engagiere sich die Konrad-Adenauer-Stiftung und organisiere Projekte in Athen, um vor Ort den Dialog zu suchen. Die Medien, erklärt Susanna Vogt weiter, hätten sich weder in Deutschland noch in Griechenland mit Ruhm bekleckert: „Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Verschärfung der Krise. Durch die Mitgliedschaft in der EU wurde die Schuldensituation für Griechenland erleichtert. Das Land ist sehr abhängig von Importen und hat selbst nur eine sehr schmale Exportbasis. Die Idee, dass Griechenland das Potenzial hat, ein Knotenpunkt für Energie-Ressourcen zu sein, lockt Investoren theoretisch zwar an, aber natürlich sind sie ob der derzeitig unsicheren Lage abgeschreckt, sich mit eigenem Kapital zu engagieren.“ Auch Ungarn wäre aufgrund des Erdgases interessiert an einer positiven Entwicklung für Griechenland, erklärte Referent Tamás Vörös, Stellvertretender Hauptabteilungsleiter für Energiesicherheit im Institut für Auswärtige Angelegenheiten und Außenwirtschaft.
Gastfreundschaft und Großmut
Doch wie sieht es derzeit in Griechenland aus? Als Deutscher lebe es sich dort trotz aller Widrigkeiten sehr gut in dem Mittelmeeranrainerstaat, berichtete Susanna Vogt. „Nicht weil so oft die Sonne scheint – wobei, auch deswegen natürlich.“ Es gäbe viele Griechen, die den Deutschen aufgrund der intensiven Gastarbeiterbeziehung und der geografischen Nähe sehr nahe stünden. „Im Supermarkt werde ich oft angesprochen und gefragt, woher ich komme“, erzählte die Leiterin des Auslandsbüros. „In fließendem Deutsch wird mir dann stolz vom griechischen Restaurant eines fernen Cousins in Bochum berichtet, Bayern München kennt hier jeder, und im Flugzeug sitze ich neben Großeltern aus Stuttgart, die ihre Enkel in Athen besuchen. Man kennt sich. Das alles begegnet einem: Filoxenia – ein nicht zu übersetzendes Wort.“ Die offizielle deutsche Übersetzung „Gastfreundschaft“ gäbe den Sinn nicht gänzlich wieder, denn er lasse das Hauptelement des Wortes aus, den Großmut des Geistes. Vogt fand warme Worte für ihre derzeitige Heimat. Mit Großmut seien die Griechen den Deutschen nach den Massakern der Nationalsozialisten in Griechenland begegnet, warm und herzlich. „Nun hat die positive Basis eine tiefe Enttäuschung erfahren“, erklärte die Griechenland-Expertin. „Auch durch die krude Medienberichterstattung.“ Das vielschichtige Verhältnis habe Risse bekommen, zurück blieben tief verletzte, sich ihre Wunden leckende Griechen und Deutsche, die die jüngst aufgekommene Forderung der griechischen Regierung von Reparationszahlungen nach 70 Jahren irritiere. Die Lage ist nicht einfach, darin waren sich alle Referenten des Abends einig. Wie es weitergeht, weiß niemand, doch fest steht: Griechenland muss seinen eigenen Weg finden.