Teddys sind nichts für große Jungs. Das wissen wir spätestens, seitdem wir mit angesehen haben, in welche Eskapaden Mr. Bean dank seiner außergewöhnlich innigen Beziehung zu einem Teddy geraten ist. Umso mehr überrascht einen der Anblick von zwei großen Jungs mit einem noch größeren Teddy im Arm, der sich dem zufälligen Beobachter vom vorvergangenen Dienstag bis Samstag in Budapest geboten hat.
Apollo misst über zwei Meter und kombiniert seine lässige, rote Stoffhose mit einem blauen UNICEF-Shirt. Trotz seiner Größe unterscheidet er sich mit seinen runden Kulleraugen und dem sympathischen Bäuchlein in einem Punkt nicht im Geringsten von seinen Artgenossen: Man möchte den riesigen Teddybären einfach nur knuddeln. Das sehen gerade die Kleinen, denen die Aktion der beiden Schweizer Benjamin und Severin zugutekommen soll, genauso. „Die Kinder sehen Apollo schon aus hundert Metern Entfernung und kommen auf ihn zu gerannt, um ihn in den Arm zu nehmen“, erzählt Benjamin, der in diesem Jahr 27 Jahre alt wird. Sein Freund Severin, mit dem er momentan gemeinsam seine Bachelor-Arbeit erstellt, ist vier Jahre jünger. Die beiden Studenten geben ein gutes Team ab. Und das ist bei dem Ziel, das die jungen Männer bis Ende April erreichen wollen, unabdingbar.
21 Tage, 11 Städte und 5000 Euro, die pünktlich am 30. April in Bukarest übergeben werden sollen – was zuerst nach den Eckdaten eines Gangster-Thrillers klingt, dient in Wirklichkeit einem guten Zweck. In Zusammenarbeit mit UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, sammeln Benjamin und Severin Spendengelder für rumänische Straßenkinder, denen ermöglicht werden soll, in Kinderheimen ein besseres Leben zu führen als auf der Straße. Da der Staat den Heimen nur wenig finanzielle Unterstützung leistet, sind sie besonders auf Hilfe von außen angewiesen. Auf die Idee, gerade Hilfsbedürftige aus Rumänien zu unterstützen, kamen die beiden Film-Studenten durch einen Zufall: „Meine Freundin hat rumänische Wurzeln, ihre Eltern sind dort geboren. Die Familie hat früher oft Spielzeug und gebrauchte Kleidungsstücke gesammelt, um sie dann mit einem LKW in ihre Heimat zu bringen“, erzählt Benjamin, der ursprünglich aus Nürnberg stammt. „Als wir auf der Suche nach einem geeigneten Projekt für unser Vorhaben waren, ist mir das dann wieder eingefallen.“
Beste Freunde dank Teddy-Aktion
Und so war die Idee geboren. Kurz darauf bot ein Dozent der Uni, der bei UNICEF tätig ist, seine Hilfe an. Nun ging es daran, das Projekt zu realisieren. „Erst wollten wir ein lebendes Schwein mit auf unsere Reise nehmen. Das stellte sich allerdings wegen der Tierrechte und der Frage, wer zwei Männer und ein Schwein bei sich wohnen lässt, als eher schwierig heraus.“ Stattdessen dachten die Freunde nun darüber nach, welches „Maskottchen“ auch über die Sprachbarrieren hinaus eine gute Verbindung zwischen ihnen und den Kindern herstellen könnte. „Jedes Kind liebt Teddys. Daher hat es nicht lange gedauert, bis wir uns auf einen Bären geeinigt haben.“
So kam Apollo per Post von Polen in die Schweiz. Zu seinem Namen kam er allerdings erst später: Die Facebook-Gemeinde durfte entscheiden, auf welchen Namen der Riesen-Teddy getauft werden sollte. „Das ist eine weitere Besonderheit unserer Reise: Die Facebook-Benutzer, die unserer Seite ‚Between Here And Bear‘ auf der Plattform folgen, können das Geschehen mitverfolgen- und gestalten. So können sie zum Beispiel entscheiden, auf welchem Weg wir in die nächste Stadt gelangen oder was wir dort mit Apollo unternehmen sollen.“ In Wien etwa waren die drei außergewöhnlichen Kumpel traditionell Schnitzel essen und Achterbahn fahren, in Budapest sollen sie mit Apollo über die bekannten Brücken, die die beiden Stadtseiten verbinden, gehen. Dabei drehen sie mit ihren Smartphones Videos von ihren Aktionen und teilen diese dann mit ihren Fans. Am Ende soll daraus ein ganzer Kurzfilm über die Reise entstehen, den sie dann ihren Professoren, Freunden und Kommilitonen als Bachelor-Arbeit vorstellen.
Trotz den knapp 500 Fans auf Facebook sind Benjamin und Severin noch weit von ihrem ursprünglichen Spendenziel entfernt. „In Wien standen wir auf den Vorschlag eines Fans hin mehrere Stunden auf dem Stephansplatz und haben eine Foto-Aktion mit Apollo gemacht, bei der die Passanten sich für zwei Euro mit ihm fotografieren lassen konnten.“ Doch die Menschen waren skeptisch: Viele hätten heimlich Fotos von dem Teddy gemacht und wären dann einfach weitergegangen. Den gesamten Tag lang hat kein einziger Passant etwas gespendet. „Natürlich war das irgendwie frustrierend. Aber letztendlich sind wir auch zufrieden, wenn einfach viele Menschen auf die Probleme der Straßenkinder aufmerksam werden“, erzählen die Studenten, deren Freundschaft sich erst jetzt während der Reise richtig vertieft. Zunächst hatten beide eigene Pläne: Severin wollte eine Reise filmisch dokumentieren, während Benjamin die Idee hatte, seine komplette Bachelor-Arbeit mit dem Smartphone zu erstellen. Schließlich beschlossen die beiden, sich zusammenzutun und dadurch quasi zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. „Wir waren auch schon vorher im selben Freundeskreis, weil unser Studiengang nur aus wenigen Leuten besteht. Aber auf so einer Reise lernt man sich nochmal ganz neu kennen.“
Am 4. Mai geht es mit Bär Apollo im Gepäck zurück nach Zürich. Für den Rückflug haben Benjamin und Severin nur „normales Gepäck“ angemeldet und hoffen, dass Apollo sicher mit in die Heimat kommt. „Zuerst wollten wir ihn als Erinnerung dem Kinderheim, dem wir den Spenden-Scheck übergeben, schenken. Aber jetzt überlegen wir, Apollo nach dessen Ausstellung zu versteigern und das Geld nochmal zu spenden.“ Nach ihrem Aufenthalt in Budapest fahren die jungen Männer nach Rumänien. Auch hier befragen sie Kinder, wie auf ihren vorigen Zwischenstopps, was für sie Glück bedeutet. Denn trotz allem ist eines sicher: Ein riesiger, flauschiger Teddybär macht selbst die unglücklichsten Kinder ein wenig glücklicher.
Spendenseite: