Minister Zoltán Balog ist sicherlich nicht unumstritten, aber eines ist er keinesfalls: jemand, der sich von Gegenwind und Protesten aus der Bahn werfen lässt. Und doch lenkte sein Ministerium gleich zwei Mal dieser Tage ein.
Zum einen wären da die Proteste der Studenten. Als vergangene Woche bekannt wurde, dass nicht das Kommunikationsfach (die Budapester Zeitung berichtete), sondern die Internationalen Beziehungen aus der Liste der akkreditierten Fächer gestrichen werden sollte, brach eine Welle des Protests los. Am Montag versammelten sich mehr als 1.500 Studenten und Lehrer, um gegen die Pläne zu demonstrieren. Und noch bevor das von den Demonstranten gestellte Ultimatum ablief, ruderte die Regierung zurück. Am Dienstag dann die Überraschung: Nach der Sitzung des Rundtischs für Hochschulfragen gab der Staatssekretär für Bildungsfragen, László Palkovics, bekannt, dass beide Fächer, also sowohl Kommunikation als auch Internationale Beziehungen, weiterhin bei den Freien Universitäten verbleiben und nicht der staatlichen Kaderschmiede unterstellt würden. Die Studierenden selbst hatten wohl nicht mit einem solch schnellen Erfolg gerechnet, hatten sie doch bereits für Mittwoch die kommende Demonstration angesetzt. Diese wurde auch abgehalten, denn, so sagen die Initiatoren der Facebook-Gruppe „Die ELTE TÁTK darf nicht schließen – unsere Universitäten sind in Gefahr“, der Regierung sei zwar bange geworden, die wahren Ziele der Studenten habe sie dennoch nicht verstanden. Sie fordern Autonomie für die Universitäten und kritisieren die Pläne der Regierung weiterhin in mehreren Punkten sowie „ihre Taktik, die Demonstranten in Gruppen spalten zu wollen und mit Druck und Sonderabmachungen“ vom Protest abbringen zu wollen. Der Abzug der Internationalen Beziehungen aus dem Lehrkatalog der Universität hätte für die Sozialwissenschaftliche Fakultät vermutlich das Aus bedeutet. Nachdem das Fach vor einigen Jahren von der Liste der staatlich durch Stipendien finanzierten Fächer gestrichen wurde, erfreute es sich weiter ungebrochener Beliebtheit – obwohl nunmehr kostenpflichtig. Mit dem Wegfall der Gelder über Studiengebühren für dieses Fach hätte die Fakultät binnen kurzer Zeit vor dem finanziellen Aus gestanden.
„Renitente“ Schwestern in Schwarz
Doch ein weiterer Fall ungewohnten Einlenkens lässt sich dieser Tage beobachten. Immer mehr Pflegekräfte, Schwestern und Ärzte tragen schwarze Arbeitskleidung. Die Bewegung geht von Mária Sándor aus, die Krankenschwester im Krankenhaus in der Péterfy utca ist. Sándor hatte vor rund 3 Wochen dem Privatsender RTL Klub ein Interview gegeben, in dem sie offen über die desolate Situation sprach. Besonders betonte sie, dass seit Monaten die geleisteten Überstunden nicht bezahlt würden. Kurz darauf kündigte sie, an ihrem letzten Arbeitstag wollte sie in schwarz gekleidet ihren Dienst verrichten (was ihr jedoch untersagt wurde) – die Solidaritätswelle begann. Auf der Facebook-Seite „Die Stimme der Pflegerinnen“ gehen seitdem täglich unzählige Bilder von Pflegern, Schwestern und auch Ärzten ein, die ihre Solidarität mit Mária Sándor bekunden. Schwester Era, die Initiatorin der Gruppe sprach gegenüber der Budapester Zeitung davon, dass, wer kann, das Land sofort gen Westen verlässt, denn „dort erwartet man die gut ausgebildeten, fleißigen, empathischen ungarischen Pflegekräfte mit offenen Armen“. Wer bleibt, hat es schwer: „Wir haben keine funktionierende Interessenvertretung, keine Gewerkschaft, die an Fachkonsultationen mit der Regierung teilnehmen könnte.“ Neben dem geringen Lohn, etwa 100.000 bis 130.000 Forint, ist es vor allem die extreme Arbeitsbelastung, welche die Pflegekräfte an die Grenze der Belastbarkeit bringt: „Bis zu 40 Kranke kommen auf eine Schwester, leider gibt es hierzu keine fest formulierten Standards, was das Verhältnis von Pflegepersonal und Kranken angeht. Und dies bereitet uns noch mehr Sorgen um unsere Patienten, da wir einfach nicht in der Lage sind, unsere Kranken entsprechend zu versorgen.“ Dies ist nur ein Teil der Forderungen der Pflegekräfte. Neben einer Lohnerhöhung fordern sie die Umstrukturierung der Pflegerausbildung zurück zur Fachausbildung, sodass junge Menschen wieder motiviert werden, diesen Beruf zu ergreifen (das Durchschnittsalter bei Pflegekräften liegt derzeit bei 47, so Schwester Era). Doch auch fachlich fordern sie mehr Anerkennung, aber vor allem feste Regeln, denn derzeit, so Schwester Era, übernähmen viele Pflegekräfte zusätzlich die Aufgaben von Ärzten, was ein Mehr an “Verantwortung, Belastung und möglichen Gefahren“ bedeutet. Und obwohl es am Montag noch hieß, es gebe keine unbezahlten Überstunden seitens des Fachministeriums, sprach HR-Minister Zoltán Balog am Montag gegenüber dem linksoppositonellen Fernsehsender ATV davon, es müsse um jeden Preis versucht werden, die Überstunden doch noch zu bezahlen. Auch die Budapester Zeitung erhielt noch am Dienstag die Antwort, dass im vergangenen Jahr Überstunden im Wert von 3,9 Milliarden Forint geleistet und gezahlt worden waren. Ganz anders klingen da nun Minister Balogs Worte vom Montag: „Was zusteht, muss gezahlt werden, es gibt unbezahlte Überstunden.“ Der Minister und sein Haus suchen nun nach Wegen, wie die ausgebliebenen Zahlungen beglichen werden können.