Am 18. und 19. April setzt Budapest100 erneut 60 hundertjährige Gebäude der ungarischen Hauptstadt mit zahlreichen Programmen in Szene. Heuer bestreitet die jährliche Veranstaltungsreihe sein fünfjähriges Jubiläum. Um das zu feiern, werden budapestweit nicht nur Häuser, die 1915 erbaut wurden, ihre Türen für die Öffentlichkeit öffnen, sondern auch ältere Gebäude, deren Bau bereits zwischen 1911 und 1914 abgeschlossen wurde.
Budapest ist ein Kind des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts. Besonders in den ersten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts herrschte ein Bauboom, dem wir heute viele der schönsten Gebäude der Stadt zu verdanken haben. Seit 2010 hat es sich das soziale Gemeinschaftsprojekt Budapest100 zur Aufgabe gemacht, einmal im Jahr Gebäude, die die Hundertermarke erreicht haben, der Öffentlichkeit vorzustellen. Darunter befinden sich nicht nur Wohnhäuser, sondern auch Schulen, Kirchen und öffentliche Einrichtungen. Unter dem Motto „Jedes Haus ist interessant!“ (im ungarischen Original: Minden ház érdekes!) werden die historischen Häuser an den jeweiligen Veranstaltungstagen mit viel buntem Programm wie Ausstellungen, Theater, Konzerten und geführten Touren zum Leben erweckt.
Die Geschichte eines einzigartigen Projekts
Die Geschichte des einzigartigen Architektur-Events begann mit einer gemeinsamen Initiative des Open Society Archivs (OSA) und des ungarischen Zentrums für Zeitgenössische Architektur KÉK. Im Jahr 2011 feierte OSA den hundertsten Geburtstag des Goldberg Hauses, in dem es seinen Hauptsitz hat. Daraus entstand die Idee einer zivilen, urbanen Bewegung, die Menschen aller Generationen und jedweden sozialen Hintergrundes zusammenbringt, um die Jubiläen der architektonischen Schätze der Stadt zu zelebrieren. Mit großem Erfolg stellt Budapest100 seitdem jedes Jahr eine neue Auswahl an hundertjährigen Gebäuden vor. Die Zahl der Besucher steigt von Jahr zu Jahr, und auch das begleitende Angebot wächst stetig. Das Projekt erhielt sehr viel Zuspruch, nicht nur von Seiten der Besucher, sondern auch in der ungarischen und internationalen Presse. Völlig zurecht nahm die britische Tageszeitung The Guardian bereits 2013 Budapest100 in seinen Kalender der besten Kunstveranstaltungen Europas auf.
Doch ohne das Engagement der vielen freiwilligen Helfer, Lokalpatrioten, Geschichtsfans und tatkräftigen Bewohner der zahlreichen Häuser könnte Budapest100 nicht bestehen. Viele der Bewohner helfen selbst, die Geschichte ihres Hauses zu erforschen und tragen mit zahlreichen persönlichen Erinnerungen zur Erweiterung ebenjener bei. Jeder hilft, wo er kann – und sei es durch Kuchenbacken für ein Picknick im Hof.
Das erwartetet Sie in diesem Jahr:
Zum diesjährigen Geburtstagsprogramm gehören neben allgemeinen Programmpunkten wie Begehungen und Hinterhof-Picknicks auch breitgefächerte Kultur- und Familienprogramme. Für die Kleinen werden vielerorts Spielecken eingerichtet oder Kreativ- und Bastelprogramme angeboten. Wer sich professionell für Geschichte und Architektur interessiert, wird sich vor allem über die Auswahl an speziellen Fachveranstaltungen freuen, darunter Vorträge von Historikern und Architekten. Im kulturellen Bereich bietet das Programm erneut eine große Auswahl an Konzerten, Gedichtlesungen, Filmvorführungen und Ausstellungen. In der Falk Miksa utca 3 organisieren junge ungarische Modedesigner eine Fashionshow unter dem Motto „(P)esti Nő!“ (Pester Frau / Frau des Abends), bei der verschiedene Abendgaderoben für echte Pester Frauen zu sehen sind.
Zu den besonders sehenswerten oder ungewöhnlichen Gebäuden gehören in diesem Jahr der Sitz des Forensischen Instituts in der Fő utca 70-78 in Budapest II. Bezirk, die ehemalige königliche, ungarische Tabakfabrik in der Budafoki út 59 im XI. Bezirk oder die ebenfalls im XI. Bezirk gelegene Petőfi Kaserne auf der Budaörsi út 49-51 etwas außerhalb der Innenstadt. Auch das luxuriöse Radisson Blu Béke Hotel am Teréz körút 43 im VI. Bezirk öffnet seine Türen für Besucher, und viele weitere, weniger bekannte aber nicht weniger eindrucksvolle Gebäude können während Budapest100 besichtigt werden.
Noch mehr als im vergangenen Jahr bietet die Veranstaltungsreihe auch 2015 Programme für Nicht-Ungarn an. So werden einige der Touren zu gesonderten Terminen auch in englischer Sprache abgehalten. Ein Höhepunkt des fremdsprachigen Programms ist beispielsweise der am Sonntag stattfindende Spaziergang durch die architektonische Geschichte des Viertels zwischen Batthyány tér und Corvin tér, geführt von Architekt Péter Sugár.
Budapest100: Fünf Jahre in Bildern
Eine Ausstellung zur fünfjährigen Geschichte von Budapest100 wird in der Budapester Stadtbibliothek Ervin Szabó zu sehen sein. Zwar ist der Wenckheim Palast, in dem die Bibliothek ihren Sitz hat, bereits 111 Jahre alt und damit eines der ältesten offenen Gebäude des Veranstaltungswochenendes, aber ein Besuch lohnt sich umso mehr: Der neobarocke Palast in Budapests Diplomatenviertel verfügt über einige der prunkhaftesten Lesesäle Europas. Wo heute Studenten für Prüfungen lernen, haben früher Grafen ihre Zigarren genossen, Damen ihre Nasen gepudert, wurde diniert oder zu Bällen geladen. Die Räume mit ihrem Rokoko-Dekor sind sogar immer wieder Kulisse für Hollywoodproduktionen. Erst vergangene Woche nutzte die US-amerikanische Produktion „Casanova“ die Bibliothek als Drehort für eine historische Serie.
Zwar sind alle Veranstaltungen sowie der Zutritt zu den historischen Gebäuden während der Öffnungszeiten von Budapest100 kostenlos, doch viele der geführten Touren und Programmpunkte erfordern eine vorausgehende Registrierung. Ab Montag, dem 13. April, kann dies online vorgenommen werden. Interessenten sollten sich beeilen, da einige Führungen aufgrund der großen Nachfrage schnell vergriffen sind. Eine Liste der teilnehmenden Gebäude und genauere Informationen können auf der Webseite www.budapest100.hu eingesehen werden. Wer sein Interesse für die Stadtgeschichte und Architektur Budapests vertiefen möchte, findet auf der Webseite ebenfalls grundlegende Informationen sowie die kurze Geschichte, oft mit historischen Bezügen, jedes teilnehmenden Hauses.
Katrin Holtz