Der ungarische Staat verhandelt laut einem Bericht der Tageszeitung Népszabadság aus der vergangenen Woche mit EnBW über den Kauf der Minderheitsbeteiligungen an ELMŰ, ÉMÁSZ und dem Mátra-Kraftwerk. Letzteres würde der regierungsnahen MET-Gruppe billigen Strom bringen, kombiniert die linksliberale Zeitung.
Die EnBW Energie Baden-Württemberg AG verfügt seit der Privatisierung im Jahre 1995 über fast ein Viertel der Anteile der Stromversorger ELMŰ und ÉMÁSZ sowie über 22 Prozent des Mátra-Kraftwerks. RWE besitzt wiederum an allen drei Gesellschaften über 50 Prozent, verfügt über die Managementrechte und stimmte bisher immer gemeinsam mit EnBW. Die staatliche Energieholding MVM verfügt über 16 Prozent der ELMŰ-, 12 Prozent der ÉMÁSZ- und 26 Prozent der Mátra-Kraftwerksanteile. Bereits vor vier Jahren gab EnBW wegen Änderungen in der deutschen Energiepolitik eine Verkaufsabsicht bekannt, woraufhin mit der ungarischen Regierung verhandelt wurde, jedoch ohne Erfolg. Die Seiten sitzen nun wieder zusammen, wohlinformierten Quellen zufolge sollen die Verhandlungen bis Jahresende abgeschlossen sein. Demnach würden die drei Beteiligungen in einem Paket an den Staat gelangen. RWE beabsichtigt dem Blatt zufolge auch weiterhin nicht, sich von der führenden Position in den drei Gesellschaften zu trennen.
Der ungarische Staat würde mit dem Erwerb der EnBW-Aktien zu einer großen, jedoch immer noch keine Mehrheit darstellenden Beteiligung gelangen. Der Preis der ELMŰ- und ÉMÁSZ-Anteile könnte, ausgehend von deren Börsenwert, rund 43 Mrd. Forint (gut 140 Mio. Euro) betragen. Das Mátra-Kraftwerk ist der zweitgrößte Stromerzeuger Ungarns. Die längst amortisierten Kohleblöcke dürften bestimmt noch zehn Jahre lang Erträge abwerfen, weshalb das Kraftwerk bei der Népszabadság als „Geldfabrik“ apostrophiert wird. Der Kaufpreis lässt sich schwerer bestimmen, könnte aber angesichts der sicher zu erwartenden Erträge mehrere 10 Mrd. Forint betragen.
Beim Mátra-Kraftwerk liegt es auf der Hand, die MVM-Anteile von 26 auf 49 Prozent zu erhöhen. Bei ELMŰ und ÉMÁSZ wäre der staatliche Käufer aber sinnvollerweise nicht MVM, sondern das neu gegründete Versorgungsunternehmen ENKSZ, das auf der Basis von Főgáz seit dem 1. April zunächst Gaskunden versorgt. MVM könnte die eigenen Beteiligungen an ELMŰ und ÉMÁSZ anschließend an ENKSZ übergeben. Der neue Versorger soll nach Aussage der Staatssekretärin Zsuzsanna Németh im weiteren Verlauf auch Stromkunden ansprechen – vielleicht noch vor Jahresende.
MET würde von Mátra-Kraftwerk günstigen Strom beziehen
Die Verhandlungen könnten noch dadurch geölt werden, dass die regierungsnahe MET-Gruppe Verhandlungen mit dem Kraftwerk über langfristige Stromabnahmen führt. Dabei soll es darum gehen, dass MET 100 der insgesamt 900 MW Kapazität des Kraftwerks über fünf Jahre binden würde. Die MET-Gruppe hatte vor kurzem ein gemeinsames Energiehandelsunternehmen mit der Magyar Telekom gegründet. Der Vertrag würde laut Népszabadság das gute geschäftliche Gespür der MET-Leute unterstreichen, da das Mátra-Kraftwerk gleich nach dem AKW Paks der zweitbilligste Stromerzeuger Ungarns ist.
Auf unsere Nachfrage bei der ELMŰ-ÉMÁSZ-Gruppe bedauerte man mitteilen zu müssen, dass man Spekulationen in der Presse grundsätzlich nicht kommentiere. Jedoch bestritt der Vorstand vergangene Woche Donnerstag auf der Webseite der Budapester Wertpapierbörse, etwas von staatlichen Anteilskäufen zu wissen.