Ungarn und speziell Budapest soll Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2024 werden. Ein sportliches Ziel im doppelten Sinne. Der bis dahin führende Hürdenlauf oder besser gesagt, die bis dahin zu überwindenden Hürden haben es in sich. Die entsprechende To-do-Liste, deren wichtigste Elemente Staatspräsident a.D. Pál Schmitt kürzlich auf einer Veranstaltung des Deutschen Wirtschaftsclubs Ungarn vortrug, ist – um es einmal vorsichtig auszudrücken – ambitiös.
Mehr Hotelbetten, mehr Sportstätten, eine gewaltige Erhöhung der Durchlasskapazität des Budapester Flughafens und seiner Anbindung an die Stadt. Des Weiteren soll ein Olympisches Dorf errichtet werden, was im Grunde genommen eine verniedlichende Bezeichnung für eine 16.000-Betten-Burg ist, erst recht für das Medien-Dorf mit weiteren bis zu 40.000 Betten. Und was man halt noch so braucht, um die 16 weltbewegenden Tage in der vom IOC erwarteten Form abhalten zu können.
Alles ganz nachvollziehbar und in einem Land, in dem moderne Sportstätten schon jetzt auf wundersame Weise en mass aus dem Boden schießen, sogar vorstellbar. Noch dazu sind neun Jahre auch eine Menge Zeit. Gut, als Schmitt auf den Aufbau eines gut funktionierenden Ticketsystems mit weltweiten Schnittstellen zu sprechen kam, zuckte man schon etwas zusammen. Erinnerungen an das EKÁER und die jüngst vorgenommene Ausweitung der Autobahnmaut drängten sich auf. Aber neun Jahre sind zum Glück auch diesbezüglich eine beruhigend lange Zeitspanne. Nicht ausgeschlossen, dass die ungarische Verwaltung es in dieser Zeit fertigbringt, komplexen Systemen wieder mit dem gebotenen Respekt zu begegnen. Auf jeden Fall ist selbst die Umsetzung dieses Punktes noch recht gut vorstellbar.
Etwas utopisch und geradezu unvorstellbar wurde es hingegen, als Schmitt darauf zu sprechen kam, dass für eine erfolgreiche Bewerbung in der Olympia-Frage ein gesamtgesellschaftlicher Konsens notwendig sei. Zumal dafür keine neun Jahre, sondern nur wenige Monate zur Verfügung stehen. Wie soll das gehen?
Schmitt selbst schlug dazu vor, dass das Olympia-Thema erst einmal von unabhängigen Kräften, insbesondere aus dem Sportsektor angeschoben werden sollte und sich die Parteien zunächst raushalten sollten. Also im Prinzip die gleiche Taktik, mit der die ungarischen Linken in Veszprém erfolgreich waren, als sie sich und ihre rufschädigenden Parteien bewusst im Hintergrund hielten und einen unabhängigen Kandidaten machen und schließlich gewinnen ließen.
So weit, so gut. Klar kann das Olympia-Projekt erst einmal von Leuten angeschoben werden, denen es vor allem um den Sport geht. Spätestens, wenn sich die Regierung dieses Projektes annehmen muss, wird es aber kritisch. Und früher oder später muss sie Farbe bekennen. Sie muss die entsprechenden Gesetze erlassen, sie muss im Ausland für Ungarns Bewerbung trommeln, sie muss Verbündete sammeln.
In dem Moment aber, in dem ruchbar wird, dass das Olympia-Projekt auch ein Orbán-Projekt ist, hat es aber vermutlich nur noch wenige Chancen. Schon jetzt hat die Stadion-Bau-Manie des Fidesz für viele Ungarn das erträgliche Maß überschritten. Auch mit anderen Schritten, insbesondere in der letzten Zeit, hat die Regierungspartei stark an ihrem gesellschaftlichen Rückhalt gesägt.
Würde Premier Orbán heute auch nur in einem Nebensatz so etwas wie Sympathie für die Olympia-Bewerbung bekunden, so braucht es nicht viel Fantasie, sich auszumalen, dass er damit sofort mehr Pfiffe als Applaus ernten würde. Völlig ohne Rücksicht auf die Faktenlage, ohne eine Kosten-Nutzen-Rechnung für das Land aufgemacht zu haben, ohne Beachtung der gerade entstehenden Durchführbarkeitsuntersuchung.
Eigentlich schade, denn vielleicht wäre die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2024 in Ungarn unter dem Strich eine in Sachen Volkswirtschaft, Landesimage etc. positive Sache. Wir wissen es nicht und werden es vielleicht nie erfahren. Denn aller Wahrscheinlichkeit wird es dazu nicht einmal eine sachliche Untersuchung geben. Wie so häufig wird auch in dieser Frage – ohne Ansehen des Gegenstandes – eine Gruppe dafür und eine andere aus Prinzip dagegen sein, was dann automatisch das Ende der Idee mit Budapest 2024 bedeuten würde.
In dem BZ-Interview mit dem deutschen Kabarettisten Dieter Nuhr kommt folgender Satz vor: „Ich glaube, dass die Welt sehr komplex ist und dass man mit diesem primitiven Lagergedanken, der Konfrontation von Links und Rechts, (…) die Welt nicht erklären kann.“ Schwerwiegende Entscheidungen wie etwa über die Olympia-Bewerbung eines Landes lassen sich unter diesen Voraussetzungen ebenso wenig vernünftig fällen.
Jan Mainka
Chefredakteur & Herausgeber
Ich halte die Sichtweise des Kommentators für zu sehr eingeschränkt, was die Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit einer Aussage Orbáns bewirken könnte.
Egal wer ein solches Projekt vorbereitet, egal wie es vorbereitet wird, am Ende steht auch immer eine politische Willensbekundung der regierenden Partei. Das ist nicht nur in Ungarn so, sondern auch in allen anderen Ländern, in denen olympische Spiele ausgetragen wurden bzw. noch werden.
Und da nun einmal die Entscheidungsfindung, inklusiv aller gegebenenfalls zu tätigen infrastrukturellen Maßnahmen, in die Regierungszeit von Orbán fällt, wird es am Ende auch eine politische Deklaration des FIDESZ sein, ob wir das nun mögen oder nicht.