Das Zentralamt für Statistik (KSH) publizierte auf über 100 Seiten eine Bestandsaufnahme des vergangenen Jahres. Wir blätterten uns für unsere Leser durch ein Zahlenmeer und fanden neben vielen bekannten auch manch verblüffende Daten.
Die Weltwirtschaft ist im vergangenen Jahr nach der jüngsten Schätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) um 3,3 Prozent gewachsen – das entspricht der schon 2013 gemessenen Konjunktur. Für die OECD wurde das Wachstumstempo auf durchschnittlich 1,8 Prozent geschätzt. Ungarn konnte sein Wachstum von 1,5 auf 3,5 Prozent dynamisieren. Die KSH-Publikation hob gesondert den Beitrag der Investitionen zu diesem robusten Wirtschaftswachstum hervor, legten diese doch 2014 um 14 Prozent zu. Eine Vergleichsgraphik mit den BIP-Daten Deutschlands zeigt derweil den akuten Nachholbedarf Ungarns: Seit der Weltwirtschaftskrise war 2014 das erste Jahr, in dem Ungarns Wirtschaft schneller als jene Deutschlands wuchs.
Die internationalen Geld- und Kapitalmärkte wurden durch Konflikte wie in der Ostukraine und im Nahen Osten sowie durch die monetäre Politik der Fed und der EZB geprägt. Ab Jahresmitte zeigte der Euro einen deutlichen Abwertungstrend zum Dollar, welcher in ein Vierjahrestief mündete. An den Aktienmärkten der Welt zeigte sich eine verhaltene Entwicklung, wobei Frankfurt und New York im Dezember historische Bestmarken knackten. Der Börsenindex BUX der Budapester Wertpapierbörse verlor hingegen rund zehn Prozent.
Der Forint startete noch knapp unter 300 HUF/EUR ins Jahr, durchbrach den Schwellenwert bereits Mitte Januar 2014 und notierte in der Folgezeit schwach. Neben den internationalen Ereignissen hatten daran auch fortgesetzte Leitzinssenkungen der Ungarischen Nationalbank (MNB) ihren Anteil. Ende Juli schloss die MNB den Zinssenkungszyklus ab – der Leitzins von 2,1 Prozent prägte auch die kurzfristigen Erträge am Markt für Staatsanleihen.
Öl-Drama kam Ungarn zugute
An den globalen Rohstoffmärkten ergab sich laut IWF in 2014 ein durchschnittlicher Preisverfall von 6,3 Prozent auf das niedrigste Niveau der letzten vier Jahre. Die Lebensmittelpreise sanken laut FAO um 3,8 Prozent. Ein Drama spielte sich am Markt der Ölpreisnotierungen ab – vom Juni-Hoch mit 115 Dollar pro Barrel ging es bis auf 55 Dollar hinab; so billig war Brent-Rohöl seit fünfeinhalb Jahren nicht mehr.
Die 28 EU-Mitgliedstaaten wickelten 2014 einen Handel im Gesamtvolumen von 2.932 Mrd. Euro ab, gegenüber Drittstaaten schrumpfte ihr Exportüberschuss von 52 auf 24 Mrd. Euro. Ungarn wickelte 79 Prozent seiner Exporte und 75 Prozent seiner Importe innerhalb der EU ab, bei einem Zuwachs des in Euro gemessenen Volumens um 5,2 Prozent (Exporte) bzw. 8,9 Prozent (Importe). Das übliche Handelsdefizit in Relation der Drittstaaten halbierte sich nahezu auf 1,335 Mrd. Euro – im Handel mit den USA ergab sich beinahe ein Überschuss dieser Ausmaße, und auch mit den europäischen Ländern außerhalb der EU konnte Ungarn seine Handelsposition um 500 Mio. Euro verbessern.
Ausführlich geht die Publikation des KSH auf die Entwicklung des Staatshaushaltes ein. Das konsolidierte Defizit belief sich 2014 nach Angaben des Wirtschaftsministeriums auf 826 Mrd. Forint (knapp 2,7 Mrd. Euro), immerhin 107 Mrd. Forint weniger, als noch 2013. Die Einnahmen waren um 5 Prozent auf 17.300 Mrd. Forint gestiegen, während die Ausgaben weniger dynamisch um 4,1 Prozent zulegten.
Geschröpfte Bürger: Von Tabakwaren bis Transaktionssteuer
Ein Anteil von 37 Prozent an den Einnahmen des Zentralhaushaltes entsprang Verbrauchsteuern, die gegenüber 2013 um 6,9 Prozent zunahmen. Um noch kräftigere 8,0 Prozent auf 3.036 Mrd. Forint legten die Erlöse aus der Mehrwertsteuer (ÁFA) zu, was mit der Online-Anbindung der Handelskassen erklärt wird. Die Neuordnung des Tabakwarenhandels zeigte hingegen entgegengesetzte Auswirkungen: Laut Steuer- und Finanzbehörde NAV wurden 2014 nur noch 6,7 Mrd. Zigaretten legal verkauft, 28 Prozent weniger als im Jahr davor. Das KSH nennt auch einen triftigen Grund: Im Zusammenhang mit den neuen Trafik-Konzessionen wurde die Handelsspanne drastisch angehoben, die Verbraucherpreise stiegen deshalb um 15 Prozent.
Die Einnahmen aus der sogenannten Transaktionssteuer, die den Bürgern beim Zugriff auf ihr eigenes, bei der Bank geparktes Geld auferlegt wurde, beliefen sich auf 278 Mrd. Forint (+7,1 Prozent). Das dürfte die Regierung aber eher enttäuscht haben, wurde diese Steuerart doch im Februar 2013 erstmals angewandt und im August des gleichen Jahres bereits um die Hälfte erhöht, beziehungsweise die Obergrenze von 6.000 Forint pro Transaktion gestrichen.

Diese Menschen stehen sicher nicht nach Staatsanleihen an, die im Übrigen immer beliebter sind, sondern zur kostenlosen Essensaugabe für Bedürftige.
Dickes Plus gegenüber Brüssel
Auf der Einnahmenseite des Staatshaushaltes schlugen auch die EU-Fördermittel zu Buche, die gegenüber 2013 um 4,3 Prozent auf 1.652 Mrd. Forint zunahmen (Der ungarische Beitrag zum EU-Budget erhöhte sich derweil um 6,8 Prozent auf 291 Mrd. Forint). Obwohl die Regierung nicht häufig genug betonen kann, welch enormen Anteil die EU-Gelder an der Dynamisierung des Wachstums haben, zahlte die Bevölkerung noch mehr in die gemeinsame Kasse ein, nämlich 1.754 Mrd. Forint (+6,0 Prozent).
Etwas weniger schwungvoll erhöhten sich die Einnahmen des Fiskus aus der Einkommensteuer, die jedoch weiterhin für etwa neun Zehntel aller Einzahlungen der Bevölkerung steht. Die Wirtschaftsgesellschaften holten einen Teil ihres Rückstands gegenüber den Privatpersonen auf, indem ihre Einzahlungen um 13 Prozent auf 1.305 Mrd. Forint zulegten. Unter 16 Steuerformen warf die Körperschaftsteuer mit 395 Mrd. Forint (+22 Prozent) das meiste Geld ab. Zum Plus der „sonstigen zentralisierten Einnahmen“ von 90 Mrd. Forint trug maßgebend die neue e-Maut bei. Die Erlöse aus der Sondersteuer des Finanzsektors stiegen nochmals um 6,8 Prozent auf 149 Mrd. Forint.
Auf der Ausgabenseite wurde der Zentralhaushalt mit Zinsaufwendungen von 1.346 Mrd. Forint (+5,3 Prozent) belastet. Die Forintschulden erreichten einen Anteil von sechs Zehnteln an den Gesamtschulden, der Anteil der Devisenschulden an den Zinsausgaben beschränkte sich dennoch auf ein Viertel. Die Ausgaben für die Familien- und Sozialpolitik fielen um 8,5 Prozent auf 683 Mrd. Forint zurück. Weil der Staat weiter munter akquirierte, nahmen die Ausgaben in Verbindung mit dem Staatsvermögen um 138 auf 399 Mrd. Forint zu.
Staatsanleihen für das Volk!
Die Leistungen der Rentenkassen machten mit 2.916 Mrd. Forint (+2,7 Prozent) sechs Zehntel der Ausgaben der Sozialversicherungsträger aus. Die Ausgaben wurden ein wenig dadurch gebremst, dass die Altersrentengrenze um ein halbes Jahr auf 62,5 Jahre heraufgesetzt wurde. Die Krankenkassen zahlten 1.326 Mrd. Forint (+4,2 Prozent) aus. Im Einklang mit dem Willen der Regierung wurden Ausgaben für Behinderte und Rehabilitationsmaßnahmen – die größte Position innerhalb der Krankenversicherung – weiter gesenkt: um 4,1 Prozent auf 335 Mrd. Forint.
Unter den staatlichen Sonderfonds musste der für die öffentlichen Arbeitsprogramme zuständige Fonds mit 52 Mrd. Forint das schwerste Defizit hinnehmen. Der Fonds für Forschung und Technologische Innovationen erwirtschaftete hingegen einen Überschuss von 36 Mrd. Forint.
Die Staatsschulden beliefen sich Ende 2014 auf 23.900 Mrd. Forint. Neben der Neuverschuldung war der Anstieg um 8,6 Prozent mit der umfassenden Schuldenkonsolidierung von Städten und Gemeinden sowie der Staatsbahn MÁV, aber auch mit dem schwächeren Forint zu erklären. Die Bevölkerung hielt 2.411 Mrd. Forint in Staatsanleihen, 43 Prozent mehr als Ende 2013. Ausländische Anleger hielten noch 4.873 Mrd. Forint (-2,4 Prozent) oder 35 Prozent sämtlicher Staatsanleihen. Die Nettoverschuldung legte im Jahresverlauf um 1.164 Mrd. Forint zu, wohingegen die Devisenschulden um 472 Mrd. Forint abnahmen. Dabei hob die Forintschwäche den Bestand der Devisenschulden allein um 525 Mrd. Forint an, die Rückzahlung einer großen Rate des EU-Rettungsdarlehens aus 2008 senkte diese Position um 618 Mrd. Forint.
(Wird fortgesetzt)