Seit etwa zwei Wochen wird über die Zukunft des Kommunikationsfachs an ungarischen Universitäten diskutiert. Eines der mit Abstand beliebtesten Fächer ist nämlich im nun öffentlich gewordenen Hochschulstrategie-Papier der Regierung nicht mehr zu finden, genauer gesagt an freien Universitäten nicht mehr. An der staatlichen Nationalen Universität für Verwaltung hingegen könnte es das beliebte Fach weiterhin geben.
Das Fachportal für Hochschulangelegenheiten eduline.hu zitiert mehrere um Anonymität bittende Universitätsrektoren. So seien die Gespräche mit dem Fachsekretariat für Bildungsfragen eher einseitig gewesen, „unsere Ansichten und Bedenken wurden zwar angehört, trotzdem wurden wir praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt“. Doch dies bezieht sich nicht nur auf das Kommunikationsfach allein. Auch andere Fächer sollen wenn auch nicht gestrichen, so doch von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen und so weniger attraktiv für Studenten werden.
Umstrukturierung notwendig, um Anforderungen des Arbeitsmarktes zu entsprechen
„Was sagt ein diplomierter Philosoph zu einem ohne Diplom? – Wollen Sie Ketchup zu en Pommes?“ Dieser stets gern wiederholte Witz vom fachfremd arbeitenden Geisteswissenschaftler scheint auch der Leitgedanke hinter den Überlegungen zur Umstrukturierung der an Hochschulen angebotenen Fächer seitens der Regierung zu sein. In einem Antwortschreiben des Staatssekretariats für Hochschulbildung an die Budapester Zeitung heißt es: „Die derzeit 11.500 angebotenen Ausbildungen sollen mittels der neuen Hochschulstrategie um 15 Prozent reduziert werden (…).“ Allerdings sei die Umstrukturierung erforderlich, um besser auf die Anforderungen und Bedürfnisse des Arbeitsmarktes reagieren zu können. Ein weiterer Schritt in Richtung des „auf Arbeit basierenden Staates“, von dem Premier Viktor Orbán immer wieder spricht?
Auf Nachfrage zur Verstaatlichung der Kommunikationsausbildunges hieß es seitens des Staatssekretariats: „Es existiert kein Plan, wonach das Fach Kommunikation in Gänze abgeschafft oder an einer Schule zentriert werden soll. Alle diesbezüglichen Nachrichten sind bloße Meinungsmache.“ Allerdings wäre dies nicht das erste Mal, dass eine „bloße Meinungsmache“ sich letztlich doch als nächster Schritt der Regierung entpuppt, so geschehen bei der Straßenmaut und dem Sonntagsschluss, um nur zwei Beispiele aus jüngster Vergangenheit zu nennen. So zitiert auch eduline.hu die befragten Dekane einstimmig mit der Aussage, das Fach Kommunikation soll abgeschafft und nur noch an der Nationalen Universität für Verwaltung unterrichtet werden.
Kommunikationszeitalter – aber ohne Kommunikation
Auch der Ungarische Journalistenverband MUOSZ reagierte auf die Neuigkeiten – die mehr zu sein scheinen als bloße Gerüchte, nachdem auch die staatliche Nachrichtenagentur MTI sich in einer Meldung damit beschäftigt hatte. Sicher, von feststehenden Tatsachen ist auch hier nicht die Rede, doch allein die Möglichkeit eines solchen Schrittes lässt – nicht nur bei den ungarischen Kollegen – die Alarmglocken schrillen. „Im Fach Kommunikation werden nicht nur Journalisten und spätere Medienmitarbeiter ausgebildet, sondern durch die Arbeit dort wird auch das Niveau der Kommunikation im Alltag gehoben.“ Doch dem Fach wird eine weitere Kompetenz zuerkannt, die nicht zu unterschätzen ist: Mehr als ein Viertel der ungarischen Erwachsenen sind funktionale Analphabeten. Um dieser Gefahr Herr zu werden empfiehlt die MUOSZ nicht etwa den Rück- sondern den Ausbau des Faches. Außerdem sei heute vor allem im immer stärker wachsenden und sich rasant entwickelnden Markt der Online-Nachrichten fachkundiges Personal gefragter denn je. Und wie steht es nun um die vermutete Gefahr der geplanten Einschränkung der Pressefreiheit durch die Verstaatlichung des Kommunikationsfaches? Eine spontan initiierte und nichtrepräsentative Umfrage der BZ unter Journalisten aus Ungarn und Deutschland hat ergeben, dass nur ein verschwindend geringer Teil unter ihnen tatsächlich Journalismus studiert hat. Den nächsten Nagel im Sarg der Pressefreiheit hinter dem Umbau der Hochschulen zu sehen, mag vielleicht ein wenig überzogen sein. Ein beängstigendes Signal ist es jedoch allemal.