Von Tamás Fricz
Die Nachrichten über schreckliche Morde an Christen nehmen zu. Doch während ganz Europa nach dem Attentat gegen die atheistische und radikale Satirezeitung Charlie Hebdo „Je suis Charlie” skandierte, schweigt sich der Kontinent heute zu den Verfolgungen von Christen aus.
Vergessen wir nicht, dass das Christentum sozusagen Seele und Wurzel Europas und im weiteren Sinne der euroatlantischen Welt ist. Hier entspringt Europa, hieraus kann es schöpfen, hierhin kann es zurückkehren. Europa schöpft seine soziale Sensibilität, seine Solidarität und seinen Humanismus aus Jesus Christus; seine Moral und seine Normen gründen auf der Moral und den Normen des Christentums. (…)
Die Verfolgung der Christen hat in diesen Tagen ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Die größte Gefahr für das Christentum stellt heute der Islamische Staat (IS) dar: In einem Video, das der IS vor Kurzem um den Globus geschickt hat, ist zu sehen, wie 21 unschuldige ägyptische Kopten, sprich Christen, enthauptet werden. Ihre einzige „Sünde“ bestand darin, dass sie an Jesus Christus glaubten. (…) Dass wir es hier mit einem veritablen Religionskrieg zu tun haben, untermauern in besagtem Video die Worte des Anführers der Massenmörder. Er richtet seine Botschaft geradewegs an Rom: Alle europäischen Christen seien als Feinde des IS zu betrachten.
Die Feindseligkeit gegenüber dem Christentum beschränkt sich aber keineswegs nur auf den Islamischen Staat. Vor zwei Tagen wurden in Pakistan zwei christliche Kirchen in Brand gesteckt, vor zwei Wochen wiederum geschah dasselbe mit einem griechisch-katholischen Kloster in Jerusalem – direkt neben dem Jaffa-Tor. (…)
Ich habe vor wenigen Wochen folgende Gedanken niedergeschrieben: Wenn die großen Religionen – das Christentum, der Islam und das Judentum – einander nicht kennenlernen und nicht voneinander lernen, dann werden sie sich letzten Endes austilgen. Die Voraussetzung für einen Prozess der Annäherung ist die Bewahrung der eigenen Identität und moralischen Kraft. Gegenwärtig sehen wir jedoch, dass das europäische Christentum nicht einmal diese minimale Voraussetzung erfüllt.
Es spottet nicht nur über sich selbst, sondern es beschränkt sich selbst, und das laufend. Was Wunder, wenn es gegenüber den anderen Religionen heute völlig schutzlos ist, insbesondere gegenüber den radikalen Kräften des Islam.
Nur starke und selbstbewusste Kulturen und Zivilisationen sind imstande, einander auf Augenhöhe zu begegnen und gemeinsam einen modus vivendi zu schaffen. Machen wir uns hierbei nichts vor: Die Menschheitsgeschichte hat uns schon mehrfach bewiesen, dass die Starken und Selbstbewussten kein Erbarmen mit denjenigen haben, die schwach und unsicher sind.
Europa zeigt sich heute schwach, uneins und schutzlos. Dies ist den radikalen islamischen Kräften natürlich nicht verborgen geblieben. Ihr Ziel ist nicht zuletzt eins: die Hegemonie und Selbstsicherheit des Westens zu brechen. Ich bin überzeugt davon, dass gewisse globale Kräfte darauf erpicht sind, Europa im Kampf der Kulturen und Religionen kleinzukriegen und seiner bisherigen führenden Rolle zu berauben.
Gerade deshalb ist es besorgniserregend, dass sich Europa zu den mörderischen Verfolgungen von Christen in Afrika, dem Nahen Osten und Asien ausschweigt. Stattdessen müsste es selbstbewusst in die Welt posaunen: „Wir sind Christen!“
Der Autor ist Politologe. Der hier in Auszügen abgedruckte Text erschien in der Online-Ausgabe der konservativen Tageszeitung Magyar Nemzet.
Aus dem Ungarischen von Peter Bognar
Es ist nun einmal eine Tatsache, dass sich das moderene Europa mit den Atheisten und Agnostikern identifiziert und nicht mit geköpften, in die Luft gesprengten oder erschossenen Christen. Zwar sind diese Christen zumeist schwarz, braun oder gelb, aber in diesem Fall scheint das für Antirassisten, Linke usw keine Rolle zu spielen.
Aber da die Geburtenrate in der EU nun bei etwa 1,4 Kindern pro Fortpflanzungsgemeinschaft liegt (vor hundert Jahren stellten die Europäer 20-25% der Weltbevölkerung, heute ca.7%) werden die Christen und Nichtchristen anderer Kontinente wohl die Sache ohnehin unter sich ausfechten.