Der Spitzelvorwurf gegen Ministerpräsident Viktor Orbán war auch diese Woche Thema der ungarischen Politik. So sah sich Orbán gezwungen, im Parlament zu dem heiklen Thema Stellung zu beziehen. Er erklärte: „Wir (Fidesz; Anm.) waren es, die Ziele geheimer Ermittlungen waren. Uns hat man verhört, drangsaliert und mit dem Gummiknüppel bearbeitet. Obendrein wurden laufend Agenten auf uns angesetzt.“
Auf die Frage des Jobbik-Abgeordneten Ádám Mirkóczki, ob der Vorwurf des „Oligarchen“ Lajos Simicska stimme, wonach Orbán während seines Militärdienstes mit der Hauptabteilung III/4 des Staatssicherheitsdienstes zusammengearbeitet habe, antwortete Orbán: „In unseren Kreisen wird so etwas nicht dementiert, sondern zurückgewiesen“.
Er bezeichnete den Spitzelvorwurf denn auch als „lächerlich“ und hielt fest: „Die Wahrheit ist, dass wir seinerzeit die erste antikommunistische Organisation ins Leben gerufen haben. Und ich bin stolz darauf, dass ich 25 Jahre lang daran gearbeitet habe, die Rückkehr der Kommunisten zu verhindern“.
Unterdessen teilte Parlamentspräsident László Kövér, ein Gründungsmitglied des Fidesz und engster Vertrauter von Ministerpräsident Viktor Orbán, gegen Lajos Simicska aus. Simicska sei ein Symptom für das „kranke öffentliche Leben“ in Ungarn, äußerte Kövér gegenüber der konservativen Tageszeitung Magyar Hírlap. Simicska, der einst Weggefährte und Intimus von Viktor Orbán war, hatte den Premier in jüngster Zeit nicht nur schwer diffamiert („Wichser“), sondern zuletzt auch in den Verdacht gebracht, „Stasi“-Spitzel gewesen zu sein.
Kövér wies im Interview mit Magyar Hírlap darauf hin, dass der Nachrichtensender Hír TV und die Tageszeitung Magyar Nemzet, die beide zum Medienimperium von Simicska gehören, sich wegen einzelner Maßnahmen (Neuverteilung der Agrarsubventionen, Werbesteuer für Medienfirmen) offen gegen die Regierung Orbán gewandt hätten. Aus der Sicht des Fidesz seien besagte Medien deshalb als Organe der Opposition anzusehen.
Der Fraktionsvorsitzende des Fidesz, Antal Rogán, ließ den Worten von Kövér sogar Taten folgen. Gemäß der linksliberalen Tageszeitung Népszabadság hielt Rogán seine Parteifreunde und Fraktionskollegen dazu an, Hír TV, Magyar Nemzet und Lánchíd Rádió (ebenfalls ein Simicska-Medienorgan) zu boykottieren und ihnen keine Interviews mehr zu geben. Demgegenüber wurde der seit jeher regierungskritische TV-Sender ATV nicht mit solch einem Bann belegt.
Die Magyar Nemzet wehrte sich in einem Leitartikel gegen die Angriffe Kövérs und des Regierungslagers: „Es geht nicht an, dass eine konservative Regierung der einzigen traditionsreichen konservativen Zeitung in Ungarn den Krieg erklärt. Jener Zeitung, die der selbsternannten bürgerlichen Kraft seit jeher die Stange hält. Wir erwarten keinen Dank. Wir erwarten bloß, dass man uns in Ruhe lässt und nicht zur Geisel der Orbán-Simicska Fehde macht. Es zeugt von Kurzsichtigkeit, wenn sich die Macht ausgerechnet mit der Magyar Nemzet anlegt. Das Blatt hat mehrere zehntausend Leser, die in der Vergangenheit eine stabile Wählerbasis für die heutige Regierung waren. Diese Zeitung hat den Faschismus, die Rákosi-Ära und das Kádár-System überlebt. Sie wird vermutlich auch László Kövér und die Fidesz-Regierung überleben.“ Fortsetzung folgt!