
Politischer Großkampftag: Am 15. März geht es immer weniger um die Erinnerung, denn um die politische Deutungshoheit.
Es gibt zwei Tage im ungarischen Jahreskalender, die das auch sonst durchaus präsente Nationalgefühl der Magyaren überschäumen lassen. Der 15. März ist einer von ihnen. Seit Jahren tobt zwischen Regierung und Opposition der Kampf um die Deutungshoheit über diesen Tag und auch heuer wird es nicht anders sein.
Was jedoch anders sein wird: die Heerscharen an polnischen Fahnenschwenkern und Beweise der gelebten ungarisch-polnischen Freundschaft, kurz, die polnischen Teilnehmer werden fehlen. Das Stadtbild wird zwar vor allem wieder durch Regierungs- und oppositionelle Großveranstaltungen geprägt sein, doch eine wird auch hier fehlen: der Friedensmarsch. Seit Januar 2012 veranstaltete der Fidesz-nahe CÖF (Ziviler bürgerlicher Zusammenschluss) mehr oder minder regelmäßig die Friedensmärsche, die ohne Ausnahme stets zu Solidaritätsmärschen mit der Regierung Orbán wurden. Der CÖF hat sich jedoch für den 15. März keine Marschstrecke reservieren lassen. Genügend der Regierungssympathisanten wird es trotzdem geben. Der Blog Magyarinfo veröffentlichte zum Ende der vergangenen Woche einen Brief des Nationalen Amtes für Veranstaltungsorganisation, in dem fünf Schulen eingeladen werden, jeweils zehn Schüler und einen Begleitlehrer zu den Feierlichkeiten am Sonntag zu entsenden. Busse werden dafür natürlich gern zur Verfügung gestellt. Das Programm verlangt den Schülern Einiges ab, beginnt der Tag doch auf dem Kossuth tér, um von dort aus gemeinsam mit der Nationalen berittenen Festbrigade und der Zentralen Militärkapelle zum Nationalmuseum zu ziehen. Dort wird Premier Viktor Orbán wie auch in den vergangenen Jahren eine Rede halten. Nach einem Mittag (bei dem „leider wegen der großen Teilnehmerzahl weder auf Allergien noch auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten der Schüler Rücksicht genommen werden kann“, so die Veranstalter in der Einladung), haben die Kinder und auch alle anderen Besucher der staatlichen Feierlichkeiten die Möglichkeit, an den Familienprogrammen an diesem Tag teilzunehmen. Nachdem um 15 Uhr landesweit das Nationale Lied gemeinsam gesungen werden soll, gehen die Busse zurück. Tatsächlich ist dies nicht das erste Mal, dass die Veranstalter der staatlichen Feierlichkeiten auf Nummer sicher gehen, was die Teilnehmer angeht. Schon 2011 berichtete das Nachrichtenportal Origo in einem Videobeitrag von den Feierlichkeiten zum 15. März und befragte mehrere junge Erwachsene vor Ort. Sie bestätigten, als bezahlte Statisten gebucht worden zu sein, deren Aufgabe „Zuhören und Klatschen“ sei. Nun also Schüler. Insgesamt 800 von ihnen sollen am Sonntag vor dem Nationalmuseum zusammenkommen.
Doch auch auf Oppositionsseite gibt es traditionsgemäß Veranstaltungen am Sonntag. Auf linker Seite laden die Organisatoren der Facebook-Gruppen „Mit einhundertausend gegen die Internetsteuer“ und „Mit sechzigtausend für die Privatrente“ zu einer Großveranstaltung. Am Nachmittag um 15 Uhr soll vom Keleti pályaudvar zum Astoria marschiert werden, wo Redner verschiedener ziviler Vereinigungen zu Wort kommen werden. Um das Demonstrations-Chaos der vergangenen Monate zu umgehen, haben sich die Veranstalter im Vorfeld mit anderen Zivilorganisationen abgesprochen, dies wird die einzige linke Veranstaltung sein. Bis Redaktionsschluss hatten etwa 7.000 Menschen ihre Teilnahme im sozialen Netzwerk Facebook zugesagt.
Ebenfalls am Nachmittag um 15 Uhr veranstaltet die rechtsradikale Partei Jobbik eine feierliche Großveranstaltung. Auf dem Platz des 15. März an der Statue des ungarischen Dichters und Freiheitskämpfers Sándor Petőfi werden erst Reden gehalten, bevor die in rechtsextremen Kreisen beliebte Band Romer die Bühne übernimmt. Für das Ereignis stand kein Facebook-Link zur Verfügung. Allerdings sind die Veranstaltungen der Jobbik zu Nationalfeiertagen stets gut besucht, sodass auch in diesem Jahr von vielen Teilnehmern ausgegangen werden kann.
„Sie bestätigten, als bezahlte Statisten gebucht worden zu sein, deren Aufgabe „Zuhören und Klatschen“ sei. Nun also Schüler. Insgesamt 800 von ihnen sollen am Sonntag vor dem Nationalmuseum zusammenkommen.“…
Nun ja, das mag schon sein. Entscheidend ist aber immer, wieviele Stimmen die Politiker am Tag einer Parlamentswahl erhalten und ob die Bürger auf populistische Wahlversprechen reinfallen – oder der Vernunft folgen.
RESPEKT DEN STATISTEN !!
Und noch was:
Wie will man „Mit sechzigtausend für die Privatrente“ eine solidarische Altersversorgung für alle aufbauen ?
Dann doch lieber gekaufte Statisten als falsche Linke. Oder ?
Schönen Feiertag in Ungarn!
Und Respekt den westlichen Journalisten, die am 15.03 so fachkundig wie möglich über die Demonstrationen und die Lage im Allgemeinen berichten werden !!
Respekt auch der SZ und den anderen objektiven Medien.
Bleiben Sie anspruchsvoll ! Da fühlen wir uns immer objektiv informiert und kann mir meine eigene Meinung bilden.
Es tut mir leid um die Polen. Sie haben mittlerweile selbst gemerkt, dass sie zu den Hauptverlierern der Sanktionspolitik gehören: Der wichtige Handelspartner Russland kauft keine polnischen Waren mehr, Handelspartner Ukraine ist pleite. Angeblich hat sich Ungarn durch seine Russlandpolitik ja isoliert- doch in der Visegradgruppe ist Polen der Isolierte. Das Ganze erinnert ein bisschen an 1812, als die Polen sich für Napoleons „Vereintes Europa“ verheizen ließen. Die Polen haben längst gemerkt, dass sie von Brüssel und Washington im Stich gelassen wurden (siehe die berühmte Wutrede Sikorskis), sind aber zu stolz zuzugeben, dass sie einen Fehler gemacht haben und lassen ihren Wut an der polnisch-ungarischen Freundschaft aus. Stolz ist eine feine Sache, er sollte aber nicht dazu führen, dass man nicht in der Lage ist, aus einer Sackgasse herauszufinden- auch russische Mütter haben hübsche Töchter.