Seit knapp einem Monat schon werden im prächtigen Art Nouveau-Gebäude des Kunstgewerblichen Museums alte chinesische Schätze in einer Ausstellung gezeigt. Jade, Seide, Gold und Terrakotta-Soldaten – all diese interessanten Kostbarkeiten tauchen zwar in der Ausstellung auf. Ob sich ein Besuch aber lohnt, besprechen wir im Folgenden.
„Von welchen imperialen Zentren aus operierte China einstmals und welche Objekte von damals sind heute noch bekannt? Welche Schlüsse können aus archäologischen Funden gezogen werden? Und wie können wir die chinesische Hofkultur in verschiedenen Geschichtsperioden charakterisieren?” – dies sind die Fragen, die das Kunstgewerbe-Museum mit seiner Ausstellung „Die Schätze des Alten China” zu beantworten sucht. Wie bei allen Ausstellungen hier nähert man sich dabei über Gebrauchs- und Kunstgegenstände einer längst vergangenen Zeit an. Ein Ansatz, der einen direkten, praktischen Einblick verspricht. In diesem Fall wird allerdings der gigantische Zeitraum vom Keramischen Neolithikum (ab 6.500 v. Chr.) bis zur letzten Qing-Dynastie vor der Ausrufung der Republik China 1912 bearbeitet. Selbstredend, dass dies in so wenigen zur Verfügung stehenden Ausstellungsräumen nur stellenweise gelingen kann.
Aus drei chinesischen Museen wurden die Ausstellungsobjekte für „Die Schätze des Alten China” zusammengetragen: Aus dem Geschichtsmuseum Shaanxi stammen die ältesten Exponate, das Stadtmuseum Nanjing lieferte Objekte aus dem Besitz wohlhabender Chinesen zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert, während das Museum des Kaiserlichen Sommerpalastes in Chengde mit seinen Gegenständen die Hofkultur des 18. Jahrhunderts vorstellt. Organisiert wurde die Ausstellung vom Kunstgewerbe-Museum und Art Exhibitions China, einer Institution, die zur Staatlichen Verwaltung des Kulturerbes der Volksrepublik China gehört. Ebenjene wird sodann auch noch vor dem ungarischen Ministerium für Humanressourcen und der chinesischen Botschaft in Budapest als Unterstützer der Ausstellung aufgeführt.
Echte Terrakotta-Soldaten in Budapest
Die Ausstellung selbst befindet sich im ersten Stock des nach Plänen von Ödön Lechner und Gyula Pártos erbauten Museums. 2.600 Forint muss verschmerzen, wer keinen Anspruch auf reduzierte Eintrittskarten hat. Der Betrag beinhaltet die kostenlose Nutzung der bewachten Garderobe, die anderen temporären und Dauer-Ausstellungen können mit dem Ticket jedoch nicht angesehen werden. „Die Schätze des Alten China” sind in einem Schlauch aus mehreren, aufeinanderfolgenden Räumen ausgestellt. Der Eingang durch ein rotes, eigens für die Ausstellung kreiertes Tor dient gleichzeitig als Ausgang. Überhaupt wurden die Räumlichkeiten für die Ausstellung nett geschmückt, Wände rot bemalt und mit goldenen Fernost-Mustern verziert, ohne dabei kitschig oder allzu klischeehaft zu wirken.
Bei Betreten der Ausstellung fällt der Blick zuerst auf die beiden aktuelles „Stars” des Kunstgewerblichen Museums: zwei Soldaten aus der berühmten Terrakotta-Armee. Zum ersten Mal seit einer Ausstellung im Nationalmuseum im Jahr 1987 sind damit wieder echte Terrakotta-Soldaten in Ungarn zu sehen und nicht nur Repliken wie beispielsweise 2011 im VAM Design Center. Die beiden Soldaten – einer stehend, einer kniend – sind über 2200 Jahre alt und Teil einer Armee aus knapp 7.000 Kriegern. Ihre Aufgabe sollte es sein, das riesige Hügelgrab des ersten chinesischen Kaisers, Qin Shi Huangdi, in Zentralchina zu bewachen. Entdeckt wurde die Terrakotta-Armee erst in den siebziger Jahren während Grabungsarbeiten. Die beiden Repräsentanten im Kunstgewerbe-Museum sind interessant zu betrachten, und die ungarisch- und englischsprachigen Beschreibungen an der Wand helfen beim Verständnis des Kontextes. Doch der Ausstellungsraum bringt die mächtigen und wertvollen Figuren nicht zur Geltung. Wer einen Schritt zurück wagt, um die Soldaten in ihrer Gänze betrachten zu können, muss aufpassen, nicht in ein anderes Exponat oder einen Besucher zu treten.
Schöne Anblicke, doch wenig Überblick
Die Terrakotta-Soldaten sind jedoch nur ein kleiner Teil der Ausstellung. Sie dienen auch zur Einführung in einen Themenbereich, der im Alten China ähnlich wichtig war wie im Alten Ägypten: Tod und Bestattung. „Die Schätze des Alten China”, das sind nämlich auch wertvolle Gegenstände, die dem Verstorbenen mit ins Grab gelegt wurden, oder Grabwächter aus Stein und Keramik, die den Toten schützen sollten. Das konnten mythische, abschreckend dreinblickende Figuren sein oder Reiter auf Pferden – neben den Soldaten der Terrakotta-Armee sieht man in der Ausstellung noch ein paar weitere Beispiele für den Grabkult. Ein tieferes Verständnis dafür, wem genau in der chinesischen Gesellschaft diese Rituale gebührten, erhält man jedoch nicht.
Bedauernswert ist bei der Ausstellung im Kunstgewerblichen Museum, dass sich einige sehr interessante Exponate darunter befinden, die Präsentation jedoch zu wenig bedacht wirkt. Der Besucher nimmt relativ wenige Erkenntnisse mit nach Hause, da oft der inhaltliche Gesamtzusammenhang fehlt. Dies wiederum ist wohl dem Fakt geschuldet, dass die Objekte aus drei chinesischen Museen stammen, die sich jeweils mit unterschiedlichen Themen befassen. Dementsprechend wurde die Ausstellung strukturiert, und entsprechend wenig homogen ist das Ergebnis.
Wer sich ohnehin für die Geschichte der chinesischen Kultur interessiert und eine kurze Stunde Zeit hat, der kann sicherlich einige neue Informationen aus der Ausstellung mitnehmen. Wer jedoch wie die Schulklasse, die während meines Besuchs anwesend war, weniger motiviert und vorbereitet „Die Schätze des Alten China” zu erkunden versucht, der sei vorgewarnt: Ablenkung oder Unterhaltung durch Fotografieren und Nutzung des Handys sind in der Ausstellung nicht gestattet.
Lisa Weil
„Die Schätze des Alten China”
Ausstellung noch bis zum 19. April
Kunstgewerbliches Museum
Budapest VIII. Üllői út 33-37.