Kunden der vom Crash der Brokerfirma Buda-Cash betroffenen Banken dürften derzeit im Zeichen dieser Zahlen leben: 60.000 Forint für 90 Tage, der Blutdruck nach der Schockstarre auf 180. Während noch darüber gerätselt wird, wie die milliardenschweren Veruntreuungen unbemerkt bleiben konnten, interessiert Kunden der Banken etwas anderes viel mehr: Wie sollen sie überleben?
„Wir haben zuerst gar nichts von dem Ganzen mitbekommen“, erklärt Viktória Orosz, Mitarbeiterin der Stiftung Gemeinsam für die Tiere (Egyesület az Állatokért) aus Debrecen. Die Stimme der Mitarbeiterin der Tierschutzorganisation verrät, unter welchem Druck sie derzeit steht. „Erst war unser Zugang zum Online-Banking nicht erreichbar und dann ging auf einmal gar nichts mehr.“ Die Informationslage war in den ersten Tagen nach dem Crash verworren. „Wir können eine Million Forint abheben, hieß es. Dann, kurz darauf, wir können 60.000 Forint pro Tag von unserem Konto abheben. Und jetzt? 60.000 ja, aber für 90 Tage!“ Dabei betragen allein die Kosten für den Tierarzt monatlich rund eine Million Forint, „von den Gehältern unserer Mitarbeiter und Tierpfleger ganz zu schweigen“. Mehr als 160 Hunde und zehn Katzen leben derzeit beim Verein. Viktoria Orosz sieht noch nicht, wie es weiter gehen soll: „Zwar haben wir noch Futter für ein paar Wochen und auch die Rechnung vom Februar beim Tierarzt konnten wir dank der Hilfe einer anderen Tierschutzorganisation begleichen, aber bei der Tierapotheke stehen wir immer noch in der Kreide. Wie wir das alles für den März bezahlen sollen, wissen wir einfach nicht.“ Dabei stünde das Geld auf dem Konto des Vereins zur Verfügung. Auch eine Anfrage an die Ungarische Nationalbank, die für die Sperrung der Konten verantwortlich ist, brachte keine neuen Erkenntnisse: „Außer einer Schablonenantwort haben wir von dort nichts bekommen.“ Derzeit versucht der Verein, zumindest bei den Strom- und Wasserwerken Aufschub zu erhalten. „Das Schlimmste ist: Wir sind sowieso überfüllt, wir haben 163 Hunde bei uns, dabei sind wir nur für 120 Tiere ausgelegt. Der Tierschutz funktioniert in Ungarn nur auf ziviler Ebene, wenn nicht schnellstmöglich Hilfe kommt, wissen wir nicht, wie es weiter gehen soll.“
Auch andere Zivilorganisationen sind wegen des Buda-Cash-Crashs in Bedrängnis geraten. Das medial momentan am aufmerksamsten verfolgte Beispiel ist die Igazgyöngy Stiftung, die eine Schule für talentierte Kinder aus sozial prekären Familien betreibt. Auch die Stiftung hat all ihr Geld bei einer der nun gesperrten Banken, schon jetzt sind sie mit der Zahlung der Gehälter in Verzug. Die linksliberale Tageszeitung Népszabadság wandte sich mit der Frage an das von Zoltán Balog geleitete Ministerium für Humanressourcen (EMMI), ob das EMMI der Stiftung helfen könnte. Die Antwort: „Sofern die betreffende Stiftung sich mit einer entsprechenden Bitte an den Herrn Minister wendet, wird dieser diese wohlwollend prüfen.“ Auch die Budapester Zeitung fragte nach, ob Hilfe geplant sei, sowohl für Bürger als auch für in Not geratene Betriebe und Stiftungen. Bis zum Redaktionsschluss lag jedoch keine Antwort vor.
Politische Schlacht um Schuld
Während die Betroffenen vor allem an einer schnellstmöglichen Lösung interessiert sind, hat auf politischer Ebene die gegenseitige Schuldzuweisung derzeit Vorrang. Die Ökopartei LMP eröffnete den Reigen am vergangenen Montag. Die Abgeordnete Erzsébet Schmuck forderte neben dem Rücktritt des Nationalbank-Vorsitzenden György Matolcsy auch strengere Kontrollen für das Geschäft mit dem Geld von Anlegern. Schmuck warf der Nationalbank (MNB) vor, den Opfern des Crashs nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass seit dem Zusammenschluss der MNB und der Finanzmarktübersicht keine entsprechende Kontrollinstanz geschaffen wurde, die Fälle wie die Cause Buda-Cash verhindern hätte können. Die Antwort der Notenbank ließ nicht lange auf sich warten. Nur wenige Stunden später versandte die MNB eine Presseerklärung, in der von der Ahnungslosigkeit und dem Irreführen der Bevölkerung durch einzelne oppositionelle Abgeordnete die Rede war. Die Schuldigen seien vielmehr in der Zeit der sozialistischen Regierungen zu suchen. Auch der Fraktionsvorsitzende des Fidesz, Antal Rogán, schlug in die gleiche Kerbe. So sei der Buda-Cash-Fall eindeutig als „zweiter sozialistischer Broker-Skandal“ zu bezeichnen.
Und während die Schuldzuweisungen sich auf politischer Ebene fortsetzen, versuchen betroffene Bürger und Stiftungen alles, um über die Runden zu kommen. Im Falle der Stiftung Gemeinsam für die Tiere (Együtt az Állatokért) kam eine andere Tierschutzorganisation zur Hilfe und auch einzelne Tierfreunde eilten zu den in Not geratenen Vierbeinern. In Form von Bargeld-Spenden oder wie der Verein Kutyaház (Hundehütte), der seine Bankverbindung bei einer anderen Bank zur Verfügung stellt, damit auch weiterhin Spenden an das Tierheim (Betreff: EAÁ) eingehen können. Wann die Konten der Betroffenen wieder freigeschaltet werden und ihr Geld frei verfügbar ist, steht noch in den Sternen. Bis dahin bleibt den Geschädigten nichts anderes als zu hoffen – und 60.000 Forint auf 90 Tage.