Alte Blechdosen, Postkarten, Briefmarkenalben, Bücher, Comics, Kameras, Schallplatten, DVDs, Jacken, Handtaschen, Schuhe, Parfüm, Porzellan, Haushaltsgegenstände, Plastikpferde, Rubik’s Cubes, Schwerter, Leninbüsten, Ikonen, selbstgenähte Stofftiere, Schmuck, Ledertäschchen, Gemälde – all das und noch viel mehr kann man im Bolhapalota (Flohpalast) finden. Und doch ist dies nur eine Momentaufnahme, denn das Angebot unterliegt ständiger Veränderung.
Im Zentrum von Pest weist an der Kreuzung von Ferenciek tere und Irányi utca ein fröhlicher, bunter Wegweiser auf den Laden hin. Dank des runden Schilds mit dem gelben, großäugigen Floh und der auffälligen Schaufenstereinrichtung kann man die richtige Tür nicht verfehlen. Dahinter wartet auf zwei Stockwerken ein 130 Quadratmeter großer Selbstbedienungsflohmarkt. Das Besondere daran – jeder kann hier einen Platz mieten und seine Sachen verkaufen lassen. Neben allen möglichen alten Dingen bietet Bolhapalota zudem eine Plattform für junge Designer.
Zwischen Ungarn und Deutschland
Eigentümer von Bolhapalota ist Adam Szabó, der als Sohn ungarischer Eltern in München geboren wurde. Er ist in Deutschland aufgewachsen, kam aber als Kind oft nach Ungarn, um Verwandte zu besuchen. „Vor acht Jahren bin ich dann mal zur Probe hierher gezogen und hatte mir gedacht, für ein, zwei Jahre bleibe ich hier und habe bisher nicht vor, zurückzugehen“, so der 38-Jährige. In der Stadt fühlt er sich wohl. „Sie lebt, sie lebt Tag und Nacht, das gefällt mir sehr.“ Zudem schätzt er das große kulturelle Angebot und dass man oft die Möglichkeit hat, Konzerte und Ausstellungen zu besuchen, ohne dafür Eintritt bezahlen zu müssen. Auf die Frage, ob er sich eher als Ungar oder Deutscher fühle, antwortet Adam: „Ich habe mich in Deutschland nie als Deutscher gefühlt und in Ungarn nie als Ungar, aber ich müsste mich auch irgendwann mal entscheiden. Ich bin eben irgendwas dazwischen.“
In beiden Ländern ist er ein begeisterter Flohmarktbesucher. „Ich gehe vor allem gern auf Flohmärkte, wo keine professionellen Verkäufer sind, sondern wo die Nachbarn von nebenan versuchen, ein bisschen Sachen loszuwerden. Da sind sehr viel interessantere und vor allem auch viel günstigere Sachen zu kriegen. Da kann man bessere Schnäppchen machen.“ Im Vergleich mit herkömmlichen Läden findet Ádám bei Flohmärkten nur einen einzigen Nachteil – dass man dort nicht alles finden kann. Durch Flohmärkte könne man Inspiration bekommen und auch Dinge wiederverwerten. „Viele Leute schmeißen die Sachen einfach weg, aber vielleicht hätte es irgendjemanden gefreut, der hätte vielleicht sogar was dafür bezahlt.“
In seinem eigenen Laden ist Adam eher selten anzutreffen, da der gelernte Informatiker hauptberuflich in der IT-Branche tätig ist. Doch wie ist er überhaupt zu dem Laden gekommen? „Ich habe so einen Laden mal irgendwo in München gesehen und fand die Idee supertoll. Und dann stand ich vor einem Geschäft, auf dem ‚zu vermieten‘ stand. Da habe ich mir gedacht, man könnte doch so einen Laden auch in Ungarn machen, vielleicht gibt es hier so was noch gar nicht.“ Kommenden Sommer kann Bolhapalota bereits sein vierjähriges Bestehen feiern. Eröffnet wurde der Laden zunächst am Deák Ferenc tér, und nach zwei Jahren erfolgte der Umzug an die heutige Adresse. Der Neuanfang nach dem Umzug war nicht ganz einfach, doch inzwischen laufen die Geschäfte wieder gut.
Flohmarkt und Designmarkt in einem
Bolhapalota war der erste Laden seiner Art in Budapest. Das Konzept erläutert Adam folgendermaßen: „Wir selbst haben keine Waren, sondern Mieter, die ihre Sachen über uns verkaufen. Wir sind Vermittler, wir vermieten den Laden in kleinen Parzellen.“ Einen Vorteil von Bolhapalota sieht er in der zentralen Lage, die auch viele Touristen anzieht. „Inzwischen gibt es weitere Läden in Budapest, die dasselbe Profil aufgenommen haben, was mich nicht stört, weil ich es gut finde, dass sich die Idee weiterverbreitet“, erklärt Adam. Auch in anderen ungarischen Städten wie Debrecen, Győr oder Szeged könne man solche Läden finden, doch trotz zahlreicher Berichte im Fernsehen und anderen Medien wüssten noch immer nicht alle Leute, dass es Läden dieser Art überhaupt gibt.
Adams Laden ist dabei weit mehr als nur ein Flohmarkt. „Wir versuchen hier auch eine Möglichkeit zu bieten für Leute, die Schmuck selbst machen, was in Ungarn ein guter Nebenverdienst für Studenten ist.“ Meist sind das eher einfache, aber sehr schöne und kreative Stücke, doch ab und zu werden auch hochwertigere angeboten. Adam hofft, dass in Zukunft solche hochwertigeren und damit teureren Designwaren mehr Käufer finden. In den letzten Jahren haben auch einige besonders kuriose Dinge ihren Weg in und aus seinem Laden gefunden: „Zwei Sachen, die fallen mir immer wieder ein, ist ewig her, aber das wären Brückenstücke von der im Zweiten Weltkrieg zerbombten Elisabethbrücke, die aus der Donau gefischt wurden. Und ein Detektor für Abhörwanzen.“ Einer der aktuellen Gegenstände, die Ádám besonders gefallen, ist eine tanzende und singende Ronaldinho-Puppe mit übergroßen Zähnen.
Geschäftsidee gesucht
Ideal ist Bolhapalota für alle, die etwas verkaufen möchten, aber keine Zeit oder Lust haben, selbst auf dem Flohmarkt zu stehen, die nicht über das Internet verkaufen können oder wollen und keinen eigenen Laden haben. Besonders gut verkaufen sich CDs, DVDs, Computerspiele, Hobbyartikel, elektronische Geräte, Haushaltsgegenstände, Kleidung sowie „große und kleine Schätze“ wie Schmuck und Antiquitäten. Mieten kann man Plätze in Regalen und Vitrinen, Kleiderbügel in Kleiderständern und Plätze für Bilder an der Wand. Vermietet wird jeweils für einen Zeitraum von einer oder vier Wochen. Einige Anbieter sind schon seit der Eröffnung vor dreieinhalb Jahren durchgehend mit dabei. Das Angebot ändert sich ständig und beim nächsten Besuch nach nur wenigen Tagen entdeckt man zahlreiche neue Artikel. Was es Neues gibt, kann man auch auf der Facebook-Seite von Bolhapalota verfolgen, wo regelmäßig Fotos gepostet werden. Sobald man etwas Interessantes entdeckt hat, kann man sich dann selbst auf Schatzsuche in den Flohpalast begeben.
Der erste Stock über dem Laden ist übrigens noch frei und Adam ist auf der Suche nach jemandem, der dort sein eigenes Geschäft eröffnen möchte. Dann könne man sich auch gegenseitig unterstützen. Denkbar wäre beispielsweise eine Schmuckwerkstatt oder eines der in Budapest derzeit sehr beliebten Exit Games. Doch auch für andere umsetzbare Ideen ist Adam offen.
Bolhapalota
Budapest V. Ferenciek tere 5.
Eingang bei Irányi utca 20.
Öffnungszeiten:
Montag bis Samstag
11 bis 19 Uhr
www.bolhapalota.net
Facebook: Bolhapalota