Am vergangenen Donnerstag, dem 12. Februar, fand auf dem Kapisztrán tér eine gemeinsam von der Selbstverwaltung des I. Bezirks und dem Militärhistorischen Museum ausgerichtete Gedenkfeier zur Erinnerung an das blutige Ende der Schlacht um Budapest statt. Die einzige Rede hielt Bezirksbürgermeister Gábor Tamás Nagy, der in den Vorjahren schon mehrfach bei diesem Anlass gesprochen hatte.
In diesem Jahr stand seine Rede ganz im Zeichen der Symbolik des vor gut einem Jahr vorgestellten und einige Monate später verwirklichten Besetzungsdenkmals: Noch bevor Nagy die anwesenden Gäste begrüßte, eröffnete er seine Ansprache mit dem Verlesen der Tagebucheinträge eines gewissen László Deseő, der die damaligen Kampfhandlungen in der Mészáros utca (I. Bezirk) als 15jähriger hautnah miterlebt hatte. In den gesamten von Nagy zitierten Tagebuchausschnitten ging es aber weniger um die Kämpfe, sondern um den Ungarndeutschen Konrad Wagner, den der junge László aus nicht genannten Gründen abgrundtief hasste und mit ihm gleich alle Ungarndeutschen.
„Am liebsten würde ich alle Ungarndeutschen ausrotten.“
So vertraute er etwa am 30. Januar 1945 seinem Tagebuch an: „Am liebsten würde ich alle Ungarndeutschen ausrotten. Der widerwärtigste von ihnen ist ein gewisser Konrad Wagner aus Pomáz.“ Am 3. Februar schreibt er: „Ich hoffe, dass auch Wagner das erhält, was ihm zusteht.“ Schon am 8. Februar erfüllt sich dieser Wunsch, als Wagner von russischen Scharfschützen schwer verwundet wird. „Dieser Wagner, dem ich den Tod wünschte.“ Als er ihn blutüberströmt am Boden liegend vorfindet, kann er seine Mordgelüste gerade noch bezwingen. „Ich hob die Hand. Ich wollte ihn erwürgen und lebendig verbrennen, dann erfasste mich aber Mitleid.“ Am Ende lässt er von ihm mit folgenden Worten ab: „Onkel Wagner, ich vergebe Dir, was Sie bei uns getan haben, möge ihnen auch der liebe Gott verzeihen.“
Erst nach diesen, in ihrem Deutschen-Hass durchaus „Ehrenburg-würdigen“ Zeilen begrüßte der Bürgermeister die anwesenden Gäste und begann seine eigentliche Rede, die im Kontrast zu den gerade verklungenen Worte eher mitmenschlich abgefasst war: „Wo wir jetzt stehen, starben Menschen. Ihr Tod war die unwiederbringliche Konsequenz unmenschlicher Taten und unmenschlicher Affekte.“ Auf den Straßen von Buda floss das Blut von „Alten und Jungen, Männern und Frauen, Soldaten und Zivilisten, Deutschen, Ungarn, Russen, Ukrainern und Rumänen. Der Krieg machte keinen Unterschied.“ So wie der Tod habe auch die Sünde keine Abstammung oder Nationalität. Daher gebe es auch keine sündigen Völker, sondern nur sündige Taten, Leidenschaften und Menschen.
„Der Bevollmächtigte ist für alle Entwicklungen der ungarischen Politik verantwortlich“
Dann kam der Bürgermeister wieder auf die Deutschen zu sprechen. Nach der deutschen Besetzung am 19. März 1944 und dem erfolglosen ungarischen Versuch vom 15. Oktober, einen Separatfrieden zu erzielen, folgte die Machtübernahme durch die Pfeilkreuzler. Sie besiegelte das Schicksal des Landes: „Es wurde offensichtlich, dass wir den Krieg auf der Verliererseite, an der Seite von Nazi-Deutschland beenden werden.“ An dieser Stelle zitierte Nagy
Veesenmayer zum „Bevollmächtigten des Großdeutschen Reichs“ in Ungarn, in der es unter anderem heißt: „Der Bevollmächtigte ist für alle Entwicklungen der ungarischen Politik verantwortlich. (…) Er hat für die gesamte Verwaltung des Landes zu sorgen.“ So sei Ungarn schließlich zum Kriegsschauplatz geworden. „Die beiden totalitären Mächte, die 1939 Polen aufgeteilt hatten, bereiteten sich ab November 1944 bei uns an der Donau auf ein tödliches Ringen vor.“
Bei der Beschreibung der Verluste des folgenden Kampfes begann Nagy eigenartigerweise zunächst nicht mit den menschlichen Verlusten, sondern mit einer detaillierten Auflistung der Gebäudeschäden. „Von den auf dem Gebiet der damaligen Hauptstadt befindlichen 39.600 Gebäuden wurden im Verlauf der Schlacht 1.500 total zerstört, 9.100 schwer beschädigt und 18.600 beschädigt. Die schwersten Schäden gab es auf dem Burgberg. Von den 6.500 Wohnungen blieben insgesamt nur 1.400 unversehrt.“
Hohe Verluste an Gebäuden und Menschen
Erst nach der Behandlung der Gebäudesituation kam er auf die Menschen zu sprechen. Er begann mit den Verlusten der Roten Armee, der die Budapester Kampfhandlungen 240.056 Verletzte und 80.026 Tote gekostet hat, was jeweils etwa der Hälfte der Gesamtzahl der Verluste auf dem ungarischen Kriegsschauplatz entspricht. Sodann kam er auf die zivilen Opfer von insgesamt 76.000 Budapestern zu sprechen, darunter 15.000 Budapester jüdischer Herkunft. Während die Pfeilkreuzler etwa 50.000 Budapester nach Westen zu Schanzarbeiten verschleppt hätten, hätten die Sowjets später etwa ebenso viele Budapester als Kriegsgefangene deportiert. Erst nach dieser Aufzählung kam der Bürgermeister auf die Soldaten zu sprechen, wobei er jedoch nur die Ausbruchsstärke der Verteidiger nannte (24.000 Deutsche und 20.000 Ungarn) sowie den Fakt, dass sich letztlich nur 785 von ihnen bis zu den deutschen Linien durchschlagen konnten.
Schließlich schloss der Bürgermeister mit geradezu versöhnlichen Worten: „Erinnern wir uns an die Opfer eines schrecklichen Zeitabschnitts, die vor sieben Jahrzehnten im Todeskessel ihr Leben verloren haben, ohne dass wir einen Unterschied auf Grund ihrer nationalen Zugehörigkeit machen! Es ist unsere moralische Pflicht an sie zu erinnern und ihrer zu gedenken. (…) Sie alle waren Menschen, unabhängig ihres Standes und Ranges.“ Es folgte ein vertontes Gedicht von Mihály Babits, in dem es um Gott und Frieden ging. Eine gute Überleitung zum nachfolgenden Gebet von Oberst Tibor Berta, Generalvikar und Militärgeistlicher.
Die ungarische Armee war unter anderen mit Generalmajor István Kun Szabó, stellvertretender Staatssekretär für gesellschaftliche Beziehungen im Verteidigungsministerium, vertreten. Deutschland war durch Oberstleutnant Uwe Clemens, dem Militärattaché der Deutschen Botschaft Budapest vertreten. In gleicher Weise waren auch Serbien und die USA mit dabei. Die im Vergleich zu den Vorjahren und mit Blick auf das runde Jubiläum überraschend geringe Zahl an beiwohnenden Militärattachés könnte mit dem Umstand zu tun haben, dass den Militärattachés die Einladung für diese Donnerstagveranstaltung erst am Montag zugestellt worden war.