Das ungarische Modell funktioniert! Wer hätte je zu glauben gewagt, dass sich die Wirtschaft ankurbeln und gleichzeitig das Haushaltsdefizit senken lässt, dass immer mehr Arbeitsplätze entstehen und die Staatsschulden dennoch sinken. Wünschen Sie ein kleines Wirtschaftswunder, dann sind Sie beim Fidesz an der richtigen Adresse.
Vermutlich noch in diesem Jahr wird das öffentlich-rechtliche Fernsehen über ein halbes Dutzend Kanäle in die Wohnstuben der Magyaren flimmern; das staatliche Programmangebot wird also mindestens verdoppelt. Die guten Zeiten, die in Ungarns Wirtschaft längst angebrochen sind, dringen mit dem Basispaket in alle Haushalte vor.
An erster Stelle wäre von dem Europarekord zu berichten, den Ungarn hinsichtlich des Wirtschaftswachstums aufstellte. Das gelang im II. Quartal 2014, als die heimische Wirtschaft 3,9 Prozent mehr Werte schöpfte, als ein Jahr davor. Im Herbstquartal kamen noch anständige 3,2 Prozent zusammen, was immerhin für die TOP 3 in der Europäischen Union reichte. Das sind die aktuellsten bekannten BIP-Zahlen. Die Europäische Kommission traute Ungarn in ihrer letzten Prognose im Spätherbst für das Gesamtjahr 2014 ein Wachstum von 3,2 Prozent zu. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedstaaten hatte Brüssel die Zahl für Ungarn angehoben, die daraufhin identisch mit den Erwartungen der Orbán-Regierung war. Für 2015 rechnet die EU-Kommission mit 2,5 Prozent Wachstum, für 2016 mit zwei Prozent (siehe Tabelle).
Wachstumsmotor Automobile ist erschöpft
Die ungarische Regierung ist sich durchaus im Klaren darüber, dass der Wachstumsmotor Automobilindustrie die Gesamtwirtschaft nicht endlos lange auf seinen Schultern tragen kann. Die großen Automobilwerke von Mercedes-Benz in Kecskemét und Audi in Győr starteten die PKW-Produktion im Frühling 2012 bzw. im Sommer 2013, im vergangenen Jahr wurden beide Werksstandorte mit dem Dreischichtsystem an die Kapazitätsgrenzen hochgefahren. Wirtschaftsexperten hatten im Vorfeld kalkuliert, dass neu eingestellte Kapazitäten von 100.000 Automobilen im Jahr das ungarische Bruttoinlandsprodukt um bis zu einen Prozentpunkt anzuheben vermögen. Besonders bei Audi wurde durch das Nachrücken zahlreicher Zulieferer ein regelrechter Sprung in der inländischen Wertschöpfung verzeichnet. Vereinfacht ausgedrückt wuchs Ungarns Wirtschaft somit in den letzten Monaten dank Mercedes und Audi.
Dieser Motor ist logischerweise erschöpft, denn die Kapazitäten der großen Automobilwerke sind nunmehr in die Basis eingeflossen. Woher kommen zukünftig die Impulse für ein vielleicht endlich einmal nachhaltiges Wachstum? Das Wirtschaftsforschungsinstitut GKI erstellt seine makroökonomischen Prognosen auch für die Regierung. Die zuletzt vorgelegten Studien vom September und Dezember unterschieden sich hauptsächlich darin, dass die Forscher die Entwicklung des zu Ende gehenden Jahres positiver, die Tendenzen für 2015 und danach hingegen pessimistischer betrachteten. Während die Wachstumsprognose für 2014 auch bei GKI 3,2 Prozent erreichte, korrigierte dieses Institut seine Wachstumserwartungen für 2015 auf 2,0 Prozent nach unten. Positiv sollte sich wenigstens kurzfristig der enorme Preisverfall beim Rohöl erweisen. Die politische Lage aber wird wieder unsicherer. Zum Ukraine-Konflikt sprach beispielsweise Kanzleramtsminister János Lázár ziemlich unverblümt von den Ängsten der ungarischen Regierung, dass dieser eskalieren könnte. Verhärtete Fronten unterminieren einen wichtigen Eckpfeiler der Politik der Ostöffnung. Heute sieht es so aus, dass die EU im Schlepptau der USA auf die aktuelle Entwicklung mit verschärften Sanktionen reagiert. Das Kontra des angeschlagenen Kremls wird nicht ausbleiben. Geschäfte mit den Russen machen nur noch die Chinesen … und die Amerikaner.
Weltpolitik vor der Haustür
Die Wahlen in Griechenland sind gelaufen, das Votum der von ihrer Elite und den Banken ausgeplünderten Südeuropäer hätte eindeutiger kaum ausfallen können: Wo die Politik versagt, bricht die Zeit radikaler Lösungen an. Ob das der Eurozone gut bekommt, steht auf einem anderen Blatt. Ungarn mag sich dem Euroraum hinsichtlich der zu erfüllenden Konvergenzkriterien annähern, politisch hält es die Distanz. Angesichts der anhaltenden Turbulenzen nur zu verständlich. So leichtgewichtig wie die EU in der Weltpolitik kommt auch ihre Gemeinschaftswährung daher. Das Thema Euro ist, selbst wenn es Politiker aus für die Öffentlichkeit nicht eben nachvollziehbaren Gründen immer wieder mal aufwärmen, heute in Ungarn kein Thema.
Prognose der EU-Kommission für 2014-2016
2014 2015 2016
Wirtschaftswachstum 3,2% 2,5% 2,0%
Haushaltsdefizit 2,9% 2,8% 2,5%
Staatsschulden 76,9% 76,4% 75,2%
* Veröffentlicht im November 2014
Ebenso wenig wie Terrorismus. Alle im Parlament vertretenen Parteien sind sich einig darin, dass hierzulande keine Terrorgefahr gegeben ist. Ein Problem mit der Einwanderung hingegen schon. Gewöhnlich „strandeten“ in Ungarn 2.- 3.000 Flüchtlinge im Jahr, 2013 waren es plötzlich mehr als 20.000, im Vorjahr bereits über 40.000. Zeit für den Ministerpräsidenten, die Alarmglocken zu läuten. Tatsächlich belasten die Flüchtlinge das Land nur marginal, die Kosten für deren Verwaltung und Betreuung sind ungefähr deckungsgleich mit denen eines Dorfstadions, wie in Felcsút gesehen. Viktor Orbán stößt sich denn auch nicht an den Kriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten, er möchte die Wirtschaftsmigranten wie die Spreu vom Weizen trennen, die Ungarn freilich nur als Sprungbrett in den reichen Westen benutzen.
Diese weltpolitisch generierten Spannungen können aber weder den Arbeitsmarkt erschüttern noch die ehrgeizigen Defizitvorgaben der Regierung gefährden. Die EU-Kommission bescheinigt Ungarn eine unter 8 Prozent stabilisierte Erwerbslosenquote, GKI rechnet für 2015 sogar mit einem neuen Tief von 7,5 Prozent. Das Zentralamt für Statistik (KSH) legte an diesem Mittwoch die aktuellsten Zahlen vor: eine Erwerbslosenquote von 7,1 Prozent für den Zeitraum Oktober-Dezember 2014, eine seit Mitte 2013 stetig sinkende Arbeitslosigkeit bzw. mit Stand Ende 2014 noch 391.000 Arbeitsuchende bei den Arbeitsämtern im Lande. Allerdings kommen diese Spitzenwerte, meint GKI, dank ausgeweiteter öffentlicher Arbeitsbeschaffungsprogramme zustande, fortan zudem flankiert von der Aufhebung der Sozialhilfe. In ähnlicher Weise wird die Erwerbsquote um ein bestimmtes Kontingent aktiver Ungarn aufgestockt, die in Wirklichkeit ihr Brot im Ausland verdienen.
Größter Schuldenberg aller Zeiten
Glaubwürdiger erscheint da die Zahl für das Budgetdefizit, das von der Orbán-Regierung wirklich konsequent unter 3 Prozent am BIP gehalten wird. In ihrem jüngsten Inflationsbericht ging die Ungarische Nationalbank (MNB) ebenfalls kurz vor Jahresende davon aus, dass 2014 ein Haushaltsdefizit von 2,5 Prozent am BIP erreicht werden konnte – das wären nochmals drei Zehntelpunkte weniger als die MNB im Spätsommer selbst noch erwartete. Nach vorläufigen Angaben des Volkswirtschaftsministeriums konnte das Defizit des Staatshaushaltes 2014 absolut um 100 Mrd. Forint unter dem Defizit des Jahres 2013 gehalten werden. Dabei konnte sich der Staat Mehrausgaben von 650 Mrd. Forint genehmigen, weil die Einnahmen dank überraschend hoher Wachstumsrate, mehr Beschäftigten und steigenden Konsums um annähernd 800 Mrd. Forint zunahmen.
Um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen, fehlen dem ungarischen Staat künftig Mittel wie die Privatisierung oder die Auflösung der privaten Pensionskassen. Die EU fordert von Ungarn (ähnlich wie von den übrigen überschuldeten Mitgliedstaaten) Anstrengungen, um das „gesunde“ Maastricht-Schuldenniveau von 60 Prozent am BIP zu erreichen. Dabei gelang es der Orbán-Regierung nur mit verschiedenen Tricks, den kritischen Schwellenwert von 80 Prozent in den letzten beiden Jahren zu unterbieten und irgendwie einen Abwärtstrend herbeizuzaubern. Tatsächlich nahmen die Staatsschulden in Forint ausgedrückt auch im vergangenen Jahr wieder um 1.900 Mrd. Forint zu und lagen am Jahresende nur knapp unter 24.000 Mrd. Forint – das ist der größte Schuldenberg aller Zeiten. Mit jedem Prozent weniger Wirtschaftswachstum verliert Viktor Orbán rund 300 Mrd. Forint an Spielraum. Damit ist wohl die schwerste Herausforderung für 2015 umrissen.
„Mit jedem Prozent weniger Wirtschaftswachstum verliert Viktor Orbán rund 300 Mrd. Forint an Spielraum. Damit ist wohl die schwerste Herausforderung für 2015 umrissen.“
Da sich derzeit keine großeren Investitionen am Horizont zeigen, wird die Regierung unter anderem auf Sreuereinnahmen und Gebüren setzten, die bei den sogenannten Multis zu holen sind. Mit Tricks und Strategien zur Steuerersparnis / Steuervermeidung konnten zum Nachteil des ungarischen Staatshaushaltes international agierende Firmen ihren Wettbewerbsvorteil gegenüber national agierenden Firmen ausbauen und sich vor Besteuerung drücken, mehr oder weniger legal im Sinne der EU Gesetzgebung und den allgemeinen Gepflogenheiten. Ohne alles zu verstehen, kann man seit Monaten erkennen, dass hier Orbán ein linkes Spiel betreibt.
Es erfreut die soganennaten Linken gar nicht, denn diese sind ja mitlerweile liberal.
Es werden in naher Zukunft immer mehr nationalgesinnte Regierungen die Brüsseler Bürokraten ins Schwitzen bringen, sollte die soziale Dimension Europas unter den Tisch fallen und solte sich die angelsächsische Art zu wirtschaften und zu pokern durchsetzten.
Orbán glaubt, die „illiberale Demokratie“ sei eine Antwort auf die globale Entwicklung.
Da er allerdings nicht nur Banken, Tesco, E-on, RTL und viele andere in die Zange nimmt, also die schlechten Investoren, sondern auch immer mehr seine eigenen Landsleute, wird Orbáns Werk an mangelnder Kompromissfähigkeit und Teilhabe aller Betroffenen scheitern, meine ich. Da also nach 5 Jahren des orbánschen Umbaus die Wachstumsimpulse aus dem Binnenmarkt kommen müssen, wird Orbán keinen Erfolg haben, wenn er sein Land zerlegt, wie es gerade zB. mit dem Medienkrieg zwischen Simicska und Orbán zu verfolgen ist.
Denn Wachstumsimpulse entstehen nicht, wenn sich alle kloppen und zu viele junge Menschen das Land verlassen. Letzteres tun aber noch mehr Junge in den ansonsten im Westen so gepriesenen baltischen Ländern. Für Ungarn typisch bleibt aber die sich selbst zerfleischende Art. Leider.