
Im Sommer demonstrierten mehrere tausend Menschen gegen die (vermutete) politische Einflussnahme auf das Nachrichtenportal Origo. (BZ-Fotos: Nóra Halász)
Ungarn verfügt über eine breit gefächerte Medienwelt. Neben klassischen Tages-und Wochenblättern sind es vor allem Onlineportale wie Index und Origo, die heute viel von Ungarn gelesen werden und Portale wie Átlátszó, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, nicht nur zu informieren, sondern auch investigativ zu arbeiten. In das kleine, aber auserlesene Feld der Investigativ-Portale tritt demnächst ein weiterer Akteur, Direkt36.
Hinter Direkt36 stehen zwei in der Medienbranche nicht unbekannte Namen: Gergő Sáling und András Pethő, der ehemalige Chefredakteur bei Origo und sein Stellvertreter. Im Frühsommer 2014 veröffentlichte das Nachrichtenportal einen Hintergrundbericht zu Reisen von János Lázár, dem Leiter des Amtes des Ministerpräsidenten. Kurz darauf verließ Sáling Origo – in Einvernehmen, wie es hieß. Bis heute gilt vor allem für Oppositionelle und Regierungskritiker als ausgemacht, dass Lázár selbst Initiator des Weggangs von Sáling war. Nun also ein neuer Start mit Direkt 36. Doch dies ist nicht die einzige neue Entwicklung auf dem Medienmarkt Ungarns.
Vergangene Woche Freitag kam es zur Kernschmelze der regierungsnahen Medien. Bei einem „Werkstattgespräch” wie es der Chefredakteur des rechten Wochenblattes Demokrata, András Bencsik, nannte, machte Premier Viktor Orbán klar, dass ab sofort die Gelder für Regierungsanzeigen ausschließlich den staatlichen Sendern zugute kommen werden. Dies dürfte bei den regierungstreuen Medien wie Magyar Nemzet, Hír TV und Lánchíd Rádió wohl zu Veränderungen führen. Die linke Tageszeitung Népszabadság nennt bereits konkrete Zahlen. So hätte die regierungsnahe Tageszeitung Magyar Nemzet im Jahr 2014 rund eine Milliarde Forint aus staatlichen Töpfen erhalten, etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes. Diese Summe gilt es nun zu ersetzen, bereits im Oktober versuchte das Blatt mit einer Preiserhöhung und Stellenkürzungen sich auf das Kommende vorzubereiten. Die Gelder, die bisher in die Medienimperien der Milliardäre Lajos Simicska (u.a. Magyar Nemzet) und Gábor Széles (u.a. Magyar Hírlap) flossen, sollen nun zur Unterstützung der staatlichen Sendern verwandt werden. Denn auch dort wird es Veränderungen geben.
Ebenfalls am Freitag vergangener Woche teilte die staatliche Fernsehanstalt MTVA ihre Umbaupläne mit. Aus dem Sender M1 soll ein reiner Nachrichtenkanal werden, der zweite öffentlich-rechtliche Kanal, M2, hingegen wird umbenannt in Petőfi TV, und auch einen eigenen Sportsender will die staatliche Fernsehanstalt ab dem 15. März in den Äther schicken. Die zusätzlichen Kosten dürften durch die Einsparungen auf dem Rest des Medienmarktes gedeckt sein. Wie ist es jedoch, Nachrichten ohne staatliche Zuschüsse zu machen? András Pethő, Mitbegründer des neuen Investigativ-Portals Direkt36, im Kurzinterview:
BZ: Direkt36 steht kurz vor dem Start. Der Plan ist, nur wenige, dafür aber gründlich recherchierte Texte pro Monat zu veröffentlichen. Wo wird der thematische Schwerpunkt dieser Texte liegen?
AP: Thematisch bleiben wir beim klassischen Investigativ-Journalismus: Nutzung öffentlicher Gelder, Korruption, Machtmissbrauch und Hintergründe zu undurchsichtigen Entscheidungsfindungen.
Woher stammen die Themen?
Wir werden uns weiterhin auf die Instrumente des Journalismus stützen, sprich Beziehungen, Hintergrundgespräche, öffentlich zugängliche Dokumente und deren genaue Überprüfung. Daneben wollen wir analytisch auf die stetig wachsende Datenmenge um uns herum blicken. Viele Stories passieren direkt vor unserer Nase, nur nehmen wir sie nicht so richtig wahr, weil wir die Zusammenhänge nicht verstehen. Und natürlich hoffen wir auch auf Hinweise von unseren Lesern.
Was ist das größte Hindernis für einen Investigativ-Journalisten heute?
Das wohl größte Hindernis ist, dass die Menschen Angst haben, Informationen herauszugeben. Auf der einen Seite haben sie Angst vor den Machthabern, auf der anderen Seite fehlt leider auch das Vertrauen in die Journalisten.
Haben Sie seit dem Weggang von Origo je darüber nachgedacht, dem Journalismus den Rücken zu kehren ?
Nein, das kam mir nie in den Sinn.
Worin wird sich Direkt36 von anderen Investigativ-Portalen wie Átlátszó unterscheiden?
Wir werden keine Meinungen publizieren, sondern lediglich Journalismus in seiner alten Form betreiben. Auch Aktivismus wird es bei uns nicht geben. Außerdem werden wir uns wesentlich seltener, dafür aber mit fundiert recherchierten Artikeln melden.
Für Direkt36 haben Sie sich für eine teilweise Spendenfinanzierung entschieden, gesammelt werden soll online. Wann beginnt das Sammeln und warum diese Form der Finanzierung?
Das Sammeln beginnt noch in dieser Woche. Wir haben uns deswegen für diese Form entschieden, weil internationale Beispiele zeigen, dass diese Art der Finanzierung immer erfolgreicher ist.
Wie sehen Sie den derzeitigen Stand des Journalismus in Ungarn?
Leider ist die Situation derzeit nicht allzu gut. Der Raum, in dem unabhängig und objektiv geschrieben werden kann, sprich nicht mit zweierlei Maß, wird immer enger.