Wer sich heute in Ungarn auf die Suche nach guten Nachrichten begibt, der macht nichts falsch mit einer Reise nach Győr, wo die Audi Hungaria Motor Kft. mittlerweile als Langzeit- Garant für Zuversicht und Hoffnung betrachtet werden kann. Der Premiumhersteller von Motoren und Autos erbringt Spitzenleistungen auch auf anderen Feldern jenseits der Fertigung.
Weil über diese aber selbst eingefleischte Fans der Marke mit den vier Ringen nicht unbedingt im Bilde sind, ist Audi gut beraten, getreu dem Motto des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Thomas Faustmann, nicht nur Gutes zu tun, sondern hin und wieder auch darüber zu sprechen. Vergangene Woche wurden deutschsprachigen Medien in diesem Sinne 101 Maßnahmen im Zeichen von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz vorgestellt. Nun ja, wie viele es genau waren, hat wohl niemand mitgezählt. Tatsache ist, dass im unternehmensweiten Umweltmanagement im Laufe der Jahre Hunderte Maßnahmen ergriffen wurden und immer neue hinzukommen, die aber natürlich nicht alle „sichtbar“ sind.
Bei Unternehmensflächen von vier Millionen Quadratmetern, mit einem Kernstück – dem größten Motorenwerk der Welt –, das sich eigentlich aus fünf Motorenfabriken zusammensetzt, fällt es nicht leicht, den Überblick zu behalten. Zumal Automobilproduktion, Werkzeugbau und Technische Entwicklung nach den Worten des Geschäftsführers ebenso „Volllast fahren“. Da werden Umsätze generiert, die sich an den seit 1993 auf 6,7 Mrd. Euro kumulierten Investitionen messen lassen. Thomas Faustmann erinnert daran, dass die Mitarbeiterzahl von heute 11.200 Personen in nur fünf Jahren verdoppelt wurde. Dieser Sprung ist nicht nur dem neuen Automobilwerk zu verdanken, dessen 3.900 Mitarbeiter in diesem Jahr voraussichtlich 136.000 Fahrzeuge fertigen werden. Zusätzlich zu den „Audianern“ schwirren rund 4.000 Logistiker und andere Dienstleister tagtäglich auf dem riesigen Werksgelände herum, die für Partner und Zulieferer einen Güterumschlag von durchschnittlich 27 Mio. Euro bewältigen bzw. für das optimale Ambiente sorgen, damit die Fertigung zu Höchstleistungen beflügelt wird.
Minus 25 Prozent bis 2018
Erfolgreiche Vermarktung hat viel mit Glaubwürdigkeit zu tun, die sich ohne Feingefühl für Umweltbelange nicht mehr denken lässt, meint Thomas Faustmann. Da bleibt die Audi Hungaria Motor Kft. nichts schuldig, denn nur zwei Jahre nach dem Stammwerk Ingolstadt ließ sich der Standort Győr nach den strengen Regelungen des EU-Umweltmanagementsystems EMAS zertifizieren. Das geschah 1999, mit der Registriernummer HU-000001 für das erste ungarische Unternehmen, das sich dem EU-Standard verpflichtete, obwohl Ungarn der Gemeinschaft doch erst 2004 beitrat. Seit 2001 läuft die Auditierung des EMAS-Zertifikats parallel zum in Deutschland vermutlich bekannteren Umweltstandard ISO 14001.
Mit 381 Einzelmaßnahmen wurden allein in den letzten vier Jahren über 57,6 GWh Energie eingespart, womit Audi Hungaria auch im Audi-Konzern eine Vorreiterrolle einnimmt. Der Energieverbrauch in der besonders energieintensiven Motorenfertigung (diese steht für 73 Prozent des Gesamtstrom- und 45 Prozent des Wärmebedarfs des Großunternehmens) wurde beispielsweise von 225,6 kWh/ Motor im Jahre 2010 bis 2013 um gut zehn Prozent auf 200,9 kWh gesenkt. Bis 2018 strebt das ungarische Tochterunternehmen im Einklang mit den ehrgeizigen Zielstellungen des Volkswagen-Konzerns eine Verringerung des Gesamtenergieverbrauchs um ein Viertel (gegenüber 2010) an. In der Motorenfertigung bedeutet das konkret, die zuletzt erreichten rund 200 kWh weiter auf 169 kWh pro Motor zu reduzieren. Der CO2-Ausstoß wird von zuletzt 100 auf 81 kg pro Motor gedrosselt. Das summiert sich bei zwei Millionen Einheiten im weltgrößten Motorenwerk auf rund 50 Mio. kg CO2 im Jahr, die mittelfristig nicht mehr die Atmosphäre belasten.
Diese Zahlen erfahren wir bereits von Sabine Martin, der Leiterin Fabrikplanung, die mit ihrem Team von knapp 90 Mitarbeitern für nahezu die Hälfte des Gesamtenergieverbrauchs der Audi Hungaria verantwortlich zeichnet. Die Ingenieurin stellt uns einen Strauß von Maßnahmen vor, die dazu führen sollen, innerhalb des bis 2018 angestrebten Energieversorgungsmix der Audi Hungaria einen Anteil der regenerativen Energien von 15 Prozent zu erzielen. Sichtbar für die Mitarbeiter und damit leichter im (Umwelt-) Bewusstsein zu verankern ist die Photovoltaikanlage, die sich als eine Art Vordach auf 135 qm über das Motorenanlaufcenter spannt. Schon diese eher symbolisch gedachte Anlage verweist auf einen Energieertrag von 24 MWh im Jahr – damit lassen sich 300 Laptops betreiben. Im geplanten Endausbau der modular konzipierten Anlage sollen es 3.000 MWh sein.
Kühles Wasser aus dem Brunnen
Noch ergiebiger sind die 40 qm Solarkollektoren auf dem Dach eines Büro- und Sozialgebäudes, die 80 Büros und Umkleideräume für 800 Mitarbeiter mit Warmwasser versorgen; mit einem Energieertrag von 31 MWh im Jahr. Raffiniert die Anlage des Brunnenhauses, in dem 12°C kühles Wasser aus maximal 200 m Tiefe in das Betriebswassersystem eingespeist wird, um ein neues Laborgebäude entsprechend zu klimatisieren. Dabei strömt das Medium in eine Kühldecke, die mit einer Kälteleistung von 300 kW insgesamt 600 qm Büro- und Laborflächen zu kühlen vermag, was elektrische Energie von 99 MWh im Jahr einspart. Ab 2015 plant man bei Audi Hungaria mit nahezu zwei Dutzend sogenannten Flachbrunnen, die im Endeffekt annähernd die Hälfte des Kälteenergiebedarfs der Automobilproduktion abdecken sollen.
Das neuartige Beleuchtungskonzept wiederum erscheint wie ein Muss, war doch Audi die erste Automobilmarke, die ihre Scheinwerfer auf LED-Technik umstellte. Die Produktionsflächen wurden ursprünglich mit Metallhalogenlampen ausgeleuchtet, deren Austausch gegen energieeffiziente Leuchtstofflampen mit einer gedrittelten Energieaufnahme einer kleinen Revolution gleichkam. Die nunmehr anlaufende Umstellung auf LED bringt bis 2018 eine kumulierte Energieeinsparung von nahezu 25.000 MWh oder 13.500 t CO2 im Jahr.
Ob Stromrückgewinnung von Motorenprüfständen, Raumluftkonditionierung mittels Prozessabwärme, Trockenabscheidung im Umluftbetrieb der Lackiererei oder Wärmerückgewinnung bei der Drucklufterzeugung, ob Abwärmenutzung zur Beheizung oder Klimatisierung mittels Betonkernaktivierung – das Spektrum nachhaltiger Maßnahmen für mehr Energieeffizienz bei der Audi Hungaria ist enorm breit gefächert. Allein die in die Lüftungsanlagen des Werks integrierten Systeme zur Wärmerückgewinnung sparen so viel Wärmeenergie, mit der ein Drittel des Fernwärmebedarfs der Stadt Győr gedeckt werden könnte. Ähnliche Dimensionen erreicht das Zukunftsprojekt Geothermie-Anlage, für das Audi Hungaria den Partner PannErgy auf 17+15 Jahre in die Pflicht nahm.
Geothermie mischt Energiemix neu
Die Geysire auf Island hat ein jeder vor Augen, ganz so wild strömt das heiße Wasser hierzulande natürlich nicht. Dennoch ist die Erdkruste im pannonischen Becken dünner als anderswo, was schon in 2 km Tiefe Wassertemperaturen über 100°C verspricht. Für den Chefingenieur der Fabrikplanung von Audi Hungaria, Zsolt Zentai, stellt sich allenfalls die Frage, wie viel heißes Wasser anliegt. Der ungarische Mineralölkonzern MOL hat über Jahrzehnte hinweg auf der Suche nach Öl und Gas exakte seismische Messungen vorgenommen, die in den Jahren 2007/08 neu bewertet und erstmals auch für die Geothermie ausgelegt wurden.
Als Spezialist für Geothermie-Projekte hat sich in den jüngsten Jahren die börsennotierte PannErgy profiliert, die neben einem kleineren Brunnen mit einer Leistung von 3 MW im südungarischen Szentlőrinc im Vorjahr das Greenhouse-Projekt mit 55 MW in Miskolc realisierte. PannErgy stieß bei Bohrungen im Raum Pér bereits in 2.450 m Tiefe auf ideale Bedingungen, namentlich einen Volumenstrom von bis zu 150 Litern pro Sekunde an 105-108°C heißem Thermalwasser. Das verspricht eine Wärmemenge von mindestens 82.000- 110.000 MW im Jahr bzw. generiert eine Wärmeleistung von 20-30 MW, mit der die Audi Hungaria künftig rund 60 Prozent ihres Gesamtwärmebedarfs CO2-neutral abdecken wird.
Der zweite, tiefere Brunnen muss erst noch gebohrt werden, doch ist Zsolt Zentai zuversichtlich, dass dessen Werte die des ersten Brunnens übertreffen dürften. Vor wenigen Wochen wurde mit den Bauarbeiten für eine 15 km lange Rohrleitung begonnen, über die Ende 2015 die Wärmelieferungen aus Pér an den Standort der Audi Hungaria transportiert werden sollen. Damit wird die Geothermie im Energiemix des größten ungarischen Exporteurs – hinter der externen Stromversorgung, aber weit vor dem Erdgas – an die zweite Stelle rücken. Was für Zukunftsaussichten!