Vergangene Woche Mittwoch beschloss das Stadtparlament auf Initiative von OB István Tarlós, dass Budapester Verkehrsbetriebe (BKV) und Budapester Verkehrszentrum (BKK) der neu geschaffenen Stadtbetriebsdirektion, der Budapesti Városigazgatás Holding Zrt. (BVH) unterstellt werden. Diesen Mittwoch wurde zudem der dem OB unliebsame BKK-Vorsitzende Dávid Vitézy entlassen.
Der Machtkampf zwischen Tarlós und Vitézy schwelte schon lange, nun hebelte der erstgenannte mit dem ihm von der Regierung zugestandenen Sonderrechten letzteren aus dem Amt. Als ersten Schritt hierzu beschloss das Stadtparlament vergangene Woche mit klarer Mehrheit die Eingliederung von BKV und BKK in die neue Stadtbetriebsdirektion, zudem wurde die bisherige Verantwortlichkeit der BKK für das Straßenwesen in Form der neuen BKK Közút Zrt. ausgegliedert, und diese ebenfalls in die BVH integriert. Der Kompetenzverlust für das Verkehrszentrum ist groß: es ist somit nicht mehr dem praktischen Verkehrsbetrieb (also den BKV) übergeordnet und auch nicht mehr für Verkehrsentwicklungsprojekte zuständig; einzig Nahverkehrsorganisation (etwa Fahrpläne) und bereits beschlossene Projekte wie die Széll Kálmán tér-Erneuerung (wir berichteten) verbleiben.
OB Tarlós begründete gewohnt markant den Schritt, der zu einem einfacheren, einheitlicheren Stadtbetrieb führen soll: „Wir wollen kein Teufelswerk, der rechtmäßige Besitzer (der innerstädtischen Straßen und des Nahverkehrs; Anm.) fordert nur die ihm zustehenden Besitzrechte ein. Wo ist das Problem?“ Man wolle nur den planmäßig vorgesehenen Betrieb verwirklichen, so der OB, um hinzuzufügen: „Wir wollen nicht, dass die BKV in die Rolle eines vollkommen ausgelieferten Sklaven versinken.“ Bereits Anfang November hatte der OB die Pläne zum Verschmelzen des BKK mit der BVH-Vorgängerinstitution, dem Stadtbetriebszentrum nach Vorbild der deutschen Stadtwerke verkündet.
BVH mit weitreichenden Rechten
Die mächtige BVH wird am 15. Januar ihren Betrieb aufnehmen, ihr Vorstand wird Tamás Bán, der bereits früher dem Stadtbetriebszentrum vorstand. Die Verantwortung der Direktion wird auch auf die „gemischten“, also nicht ausschließlich in Stadtbesitz stehenden Gesellschaften des Stadtbetriebs ausgeweitet (Hauptstädtische Wasser- und Klärwerke sowie die Stadtbeleuchtungs-Gesellschaft). Weiterhin ist sie für die Anschlüsse an die Stadtwerke bei Wohnsiedlungen und bei städtischen Bauprojekten als Projektmanagement verantwortlich.

Seltene Einheit im Stadtparlament: Die BKK-Umstrukturierung konnte OB Tarlós (Mitte) auch mit MSZP-Stimmen wie denen von Csaba Horváth (links) und József Tóth (rechts) durchsetzen. (Foto: MTI)
Bereits vor der Abstimmung warnte Erzsébet Németh von der Demokratischen Koalition, dass die Umgestaltung nur dem Entfernen von BKK-Vorstand Vitézy dienen soll, was Tarlós – der Vitézy anno selbst ernannt hatte – in der vorigen Legislaturperiode nicht gelungen war. „Nur weil Tarlós mit Vitézy unzufrieden ist, muss man nicht die Stadtbetriebe umorganisieren. Auch wir sind mit dem BKK-Vorstand unzufrieden, werden aber bei diesem Fidesz-Kampf nicht assistieren“, begründete sie ihre Nein-Stimme. LMP-Abgeordneter Antal Csárdi sagte, dass sich auch trotz BKK-Umstrukturierung der Nahverkehr aufgrund seiner finanziellen Situation nicht verbessern werde. Auch in Ungarn müsste man laut Csárdi – ähnlich zu vielen westeuropäischen Ländern – einführen, dass Regierung, Stadtregierung und der Ticketverkauf je ein Drittel der Kosten decken.
„Stadtwerke-Konzept in Ungarn nicht umsetzbar“
Porfolio.hu sieht mit der Umstrukturierung Probleme auf Budapest zukommen, etwa bei der Verantwortung bei (künftigen und laufenden) innerstädtischen Entwicklungsprojekten oder bei dem erst jüngst geschlossenen Kreditvertrag mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBDR) für das elektronische Ticketsystem Budapests. Die EBDR sehe laut dem Portal nämlich die rechtmäßige Einhaltung der Vereinbarung, die sie mit Vitézy schloss, nach der Umstrukturierung nicht gesichert. OB Tarlós bestritt an anderer Stelle, dass man mit dem Institut bezüglich des Vertrags verhandeln müsse.
Portfolio zählte dagegen auf, was das BKK in vier Jahren Betrieb umgesetzt bzw. angestoßen hatte: FUTÁR-Informationssystem, MOL Bubi-Fahrradleihsystem, Verjüngung der BKV-Flotten (Busse, Trolibusse, Straßenbahnen), Metrolinie 4, Erneuerung der Straßenbahnlinien 1 und 3, Einführung des E-Ticketsystems, Beschilderung von Nahverkehrsstationen etc. Das Portal zweifelte zudem an der Umsetzbarkeit des Stadtwerke-Konzepts in Ungarn, da dieses in Deutschland auf regionaler Ebene funktioniere.
Im Népszabadság-Interview hatte Tarlós am Vorwochenende gesagt, dass es „keine Causa Vitézy“ gebe, es handele sich um keine persönliche Angelegenheit. Stattdessen sei es laut Portfolio in der Vergangenheit vorgekommen, dass das BKK seine Eigentumsrechte wahrnahm, um bei bestimmten Entscheidungen gegen Tarlós zu stimmen und sogar die Fidesz-Fraktion auf seine Seite zu bringen. Etwa bei der Entscheidung über das Busbetriebs-Modell 2012, dank der künftig 350 Busse des Fidesz-nahen Bus-Dienstleisters VT-Arriva in Budapest unterwegs sein werden (statt BKK-eigener Busse). Gegen solche Fälle habe sich Tarlós von der Regierung sein Vetorecht zusichern lassen, laut Portfolio seien die künftigen kleineren Stadtbetriebsgesellschaften zudem leichter zu beeinflussen.
Vitézys schneller Zwangs-Abgang
Gegen die Umstrukturierung wurde bereits eine Facebook-Gruppe gegründet und sogar demonstriert – überraschenderweise hatten die Critical Mass Budapest und die Luft-Arbeitsgruppe, die öfters die BKK kritisiert hatten, zu letzterer aufgerufen. Vitézy sei vielleicht nach der BKK-Gründung noch „grün hinter den Ohren gewesen“, hieß es in einer Mitteilung, jedoch würde jeder mögliche Nachfolger über weniger Erfahrung in Sachen Nahverkehr auf europäischem Niveau verfügen. Da der Geschundene nicht kündigen wollte, entschied diesen Mittwoch das Stadtparlament über ihn: er wurde mit einer erneuten klaren Mehrheit entlassen, sein Arbeitsverhältnis erlosch nur einen Tag später, seine Abfindung betrug gerade einmal ein Monatsgehalt. Vitézys Nachfolger ist der bisherige Vize-Direktor des Verkehrswissenschaftlichen Institutes, Kálmán Dabóczi.