„Kunst braucht Raum, um zu wirken und sich zu entfalten.“ – wer immer das gesagt hat, hat vergessen zu erwähnen, in welche Richtung. Das zumindest scheint sich Péter Bencze gedacht zu haben, als der 24-jährige Business Marketing-Student seine eigene Kunstgalerie auf der Dachterrasse seines Wohnhauses eröffnete. Die Fläche des Ausstellungsraumes ist zwar begrenzt, nicht aber deren Raum, der sich nach oben hin zum freien Himmel öffnet. Hier hat Kunst im buchstäblichen und sinnbildlichen Sinne Luft zum Atmen.
Gleich aus mehreren Gründen ist die in diesem Sommer eröffnete Galerie ENA Viewing Space etwas ganz Besonderes. Der Ausstellungsraum befindet sich in Buda, auf der Budafoki út, in unmittelbarer Nähe der Technischen Universität. Dies ist an sich nichts Besonderes, läge er nicht auch fünf Stockwerke über dem Erdboden. Unter freiem Himmel. Die Galerie, die früher einfach nur ein ganz normales Zwischendach war, verfügt zwar über Wände, an denen Kunstwerke präsentiert werden können, aber nach oben hin gibt es nichts als das blaue Firmament. Insgesamt zehn Kunstwerke pro Ausstellung finden hier Platz. Wenn zu Eröffnungen bis zu 70 Kunstinteressierte erscheinen, kann es im ENA Viewing Space schon eng werden. Zum Glück gibt es aber noch weitere Fläche, auf die man ausweichen kann: Über eine Leiter gelangt man auf ein noch höher gelegenes Dach und schnappt nach Luft, denn neben den Kunstwerken raubt einem auch die Aussicht den Atem. Budas Häusermeer und Pests Uferpromenade sind von hier bestens zu sehen.
Ein weitere Besonderheit der Galerie ist die Art und Weise, in der sie geführt wird: Anders als bei anderen Kunstgalerien, ist es nicht möglich, einfach hineinzuspazieren. Von außen bleibt dieser Ort verborgen, kein Schild verrät, dass sich in diesem Wohnhaus so viel mehr verbirgt. Und selbst Eingeweihte brauchen einen Termin, um den exklusiven ENA Viewing Space zu besichtigen.
Doch die größte Besonderheit, die den Besucher dieser Galerie erwartet, ist der Anblick des Galeristen. Statt eines etwas gesetzteren Mannes im Anzug oder einer mondänen, älteren Dame erwartet einen am Eingang zum Dach ein junger Mann, keine 25 Jahre, in Sneakers und Shirt. Péter Bencze hat geschafft, was Kunstbegeisterte in seinem Alter noch nicht einmal zu träumen wagen: Er ist Besitzer und Betreiber seiner eigenen kleinen Kunstgalerie. Doch nicht nur das, bereits seit 2011 betreibt das Ausnahmetalent unter dem Namen Everybody Needs Art eine eigene Agentur für zeitgenössische bildende Kunst. Derzeit betreut und vertritt er exklusiv vier ungarische Künstler.
Der jüngste Galerist Europas
Sein Alter machte Bencze sogar zu einer kleinen Attraktion auf dem Budapest Art Market, der erst vergangenen Monat stattfand und bei der seine Kunstagentur Everybody Needs Art mit ihrem eigenen Stand vertreten war. „Ich wurde gefragt, ob ich der Assistent des Galeriebesitzers bin“, erzählt Bencze. „Als ich gesagt habe, dass mir die Galerie gehört, waren alle überrascht.“ Am nächsten Veranstaltungstag seien noch mehr Leute zurückgekommen, um den 24-jährigen Galeristen persönlich kennenzulernen. „Einer sagte sogar, ich sei der jüngste Galerist in ganz Europa“, so Bencze.
Dabei hätten sich dies weder Bencze noch sein Umfeld vor sechs Jahren vorstellen können. Denn die Leidenschaft für zeitgenössische Kunst traf den früheren Wasserballspieler recht plötzlich, dafür aber mit umso größerer Wucht. „Mit 19 Jahren bin ich für einige Zeit nach London gezogen. Hier hat alles angefangen. Ich hatte viel Zeit und fing an, Museen und Galerien zu besuchen“, erinnert sich Bencze. „Ich wollte so viel wie möglich über Kunst lernen.“ Zurück in Ungarn inspizierte er zugleich die hiesige Kunstszene und knüpfte Kontakte zu zahlreichen Künstlern. Bald schon war Everybody Needs Art geboren. Im Juni dieses Jahres eröffnete Bencze nun auch seine eigene Galerie, den ENA Viewing Space. Seither hat er schon vier Ausstellungen organisiert. Mit seiner außergewöhnlichen Galerieidee lag Bencze ganz im Trend dieses Sommers, der auch eine Reihe von Sky-Bars hervorbrachte. Doch der Sommer ist vorbei und viele dieser Locations geschlossen bis zum nächsten Frühling.
„Viele Leute fragen mich, was ich machen werde, wenn der Winter kommt. Eine Freiluftgalerie, das funktioniert nur im Sommer, denken sie. Doch ich bin entschlossen, auch während der kalten Monate die Ausstellungen fortzusetzen“, beharrt Bencze. Ein provisorisches Dach für seine Galerie zu bauen, lehnt er jedoch ab, das zerstöre den Charme des ENA Viewing Space. Vielmehr setzt Bencze auf der Jahreszeit angepasste Kunstwerke: hauptsächlich Skulpturen und Installationen – Kunst also, die Leinwand oder andere empfindliche Materialien nutzt, muss auf besseres Wetter warten. Noch bis Ende dieses Monats werden die Installationen der Reihe „Lunchbreak Warriors“ des ungarischen Künstlers RobOtto ausgestellt. Danach ist es Zeit, den Platz für Neues zu räumen. Wer und was das sein wird, kann schon verraten werden: Miss Kk, eine von Budapests begabtesten Streetartists, deren Werk in vielen Ecken der Innenstadt zu bewundern ist. Meist an Wände und andere ebene Flächen geklebt, springen Miss Kk’s charakteristische Frauen-Collagen ins Auge.
Sich für den Wintermonat Dezember einer Streetart-Ausstellung zu bedienen, ist einer von Benczes Meisterstreichen. Aus zwei Gründen: Zum einen argumentiert der junge Galerist, dass Streetart im domestizierten Umfeld einer klassischen Galerie an Authentizität verliert: „Streetart gehört wie der Name schon sagt auf die Straße und an Häuserwände. Diese Bedingungen bietet ENA Viewing Space.“ Zum anderen löst diese Ausstellungsphilosophie aber auch Benczes Witterungsproblem. Während der Ausstellung werden Miss Kk’s Werke, wie auch auf der Straße, jeglichen Wetterbedingungen ausgesetzt sein – der allmähliche Verfall dieser kurzlebigen Kunstform ist eingeplant und gibt dem Ganzen eine Hauch „Memento Mori“-Sentimentalität.
Kunst muss zum Lebensstil passen
ENA Viewing Space soll ein niederschwelliges Angebot sein, um auch jüngere Generationen wieder an den Erwerb limitierter Kunst und den Besuch von Galerien heranzuführen. Zu oft würden Galerien als Phänomen eines exklusiven Zirkels betuchterer Personen mittleren oder gehobenen Alters mit eigenem Jahresbudget für Kunstinvestitionen gesehen, findet Bencze und beweist mit seiner Galerie also gleich zweierlei: Kunst kann erschwinglich sein. Die Preise der ausgestellten Werke fangen bereits bei 350 Euro an. Für einen Studenten oder Berufsanfänger natürlich immer noch viel, aber einen Kunstkauf im Jahr hält Bencze durchaus für realistisch. Auch setzt Bencze auf Transparenz bei seinen Preisen, die auf einer Liste am Ausgang für jeden einsehbar sind. Um Kunstgalerien attraktiver zu machen, versucht der junge Galerist, den Besuch in den heutigen Lebensstil einzubinden. Das schließt auch das Wissen ein, dass die Einladung zu einer exklusiven Dachparty ein guter Motivator für den Galeriebesuch ist, denn: Jedermann braucht Kunst, aber noch mehr brauchen wir Freude an der Kunst.
Weitere Informationen zur Kunstagentur Everybody Needs Art und zum ENA Viewing Space finden Sie unter www.everybodyneedsart.com