Regierungschef Viktor Orbán gewährte am Mittwoch dieser Woche wieder Einblick in seine Vorstellungen von der geopolitischen Rolle Ungarns in Europa.
In einer Rede vor dem Ungarischen Diaspora Rat, der im Budapester Burgbasar (Várkert bazár) zum vierten Mal zusammentrat, betonte der Premier zuallererst, dass Ungarn als Mitglied von NATO und EU gegenüber seinen Verbündeten stets „loyal” sein werde, selbst wenn das Land mit gewissen Entscheidungen nicht einverstanden sei. Damit schlug er in die gleiche Kerbe wie sein Außenminister Péter Szijjártó, der in der Vorwoche mehrmals bekräftigt hatte, dass NATO und EU auf die Loyalität Ungarns zählen könnten.
Wie Orbán sagte, hat Ungarn die Sanktionspolitik der EU jedes Mal akzeptiert, obwohl sie, zumal gegenüber Russland, für das Land nicht immer von Vorteil war. Der Ministerpräsident fasste die Situation Ungarns folgendermaßen zusammen: „Ungarn hat die Aufgabe, ein loyaler Verbündeter zu sein, doch muss das Land auch alles dafür tun, um seine wirtschaftlichen Interessen zu verteidigen, die sich aus seiner geopolitischen Lage ergeben.” Sein Zusatz: „mit der gebotenen Offenheit und Schlauheit.”
Orbán: „Wir wollen keine neue Mauer in Europa sehen”
Orbán machte vor dem Forum der Auslandsungarn deutlich, dass seine Regierung mitnichten das Ziel habe, einen neuen Kalten Krieg in Zentraleuropa herbeizuführen. Wie er erklärte, will er dereinst nicht mit dem Gedanken aus dem Leben scheiden, dass das auf „friedlicher Kooperation beruhende Europa bloß ein kurzes Intermezzo zwischen zwei Perioden des Kalten Krieges war”. Und Orbán weiter: „Wir wollen in Europa keinerlei neue Mauer sehen.” Nach seinen Worten ist die Etikettierung Ungarns als russlandfreundlich ein „Blödsinn”, weil „Ungarn ungarnfreundlich” sei.
Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik des Landes machte Orbán darauf aufmerksam, dass Ungarn ohne den wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahre seine Stellungen an der „geistigen Front” wohl kaum halten könnte. Er betrachte es nämlich als hoffnungslos, „den ramponierten internationalen Ruf Ungarns im Rahmen ideologischer Debatten zu verbessern”. Die ungarische Regierung sehe vieles anders wie der „westliche Mainstream”, stellte der Premier fest. Aus diesem Grund sei der wirtschaftliche Erfolg des Landes eine Schlüsselfrage. Die negative Beurteilung der „geistigen Grundeinstellung” seiner Regierung kann nur mit wirtschaftlichen Erfolgen ausgeglichen werden, so Orbán.
Unter der Linken war Ungarn wieder „lustigste Baracke”
Der Ministerpräsident wies darauf hin, dass Ungarn unter den diversen linksliberalen Regierungen zwischen 1990 und 2010 nicht nur ausverkauft worden sei, sondern das Land durch die Aufnahme sündhaft teurer Kredite auch auf Pump gelebt habe und die Illusion eines Wohlfahrtsstaates vermittelt worden sei. Mithin sei Ungarn zum zweiten Mal, wie schon während des real existierenden Sozialismus, die „lustigste Baracke” gewesen. Allerdings habe die Weltwirtschaftskrise 2008 der „Fröhlichkeit” ein Ende gesetzt.
Seit 2010 habe seine Regierung Ungarn jedoch auf eine neue Grundlage gestellt, sagte Orbán. Es sei in der EU die einzige Verfassung geschaffen worden, die durchleuchtet worden und also „koscher” sei. In den vergangenen Jahren gelang es der Regierung auch, die wirtschaftliche Selbstbestimmung Ungarns zu erreichen. Schließlich wurde die Rolle des Landes innerhalb der EU neu formuliert. Ungarn sei zur Erkenntnis gekommen, dass nicht diejenigen gute Europäer sind, die alles schlucken, sondern jene, die neben den europäischen Werten auch ihre eigenen Interessen vor Augen halten, sagte Orbán.
Für die nächsten Jahre versprach Orbán Breitband-Internet im gesamten Land, Autobahnen bis zu den Staatsgrenzen, Europas flexibelsten Arbeitsmarkt und eine Stabilisierung des Steuersystems. Und er stellte noch etwas bis 2018 in Aussicht: Vollbeschäftigung.