Seit diesem Sonntag ist der ungarische Kleinbürger um eine Illusion ärmer. Die Fremdwährungskredite werden zum aktuellen Umtauschkurs in Forintkredite umgewandelt. Der Staat teilt die Lasten dieser verunglückten Konstruktion „gerecht“ unter Banken und Kreditnehmern auf, ohne sich selbst zu beteiligen. Das hörte sich im Wahlkampf des Fidesz noch etwas anders an.
Es vergeht im heutigen Ungarn langsam kein Tag mehr ohne eine Nachricht zu den Fremdwährungskrediten. Dennoch darf es als recht ungewöhnlich angesehen werden, dass eine Grundsatzentscheidung in der Misere ausgerechnet am Sonntagabend kundgetan wurde: Demnach werden die Fremdwährungskredite in Forint umgestellt, was zu den amtlichen Devisenwechselkursen der Ungarischen Nationalbank (MNB) vom vorigen Freitag geschieht. Das bedeutet für die Eurokredite einen Wechselkurs von knapp 309 Forint, für die Schweizer Frankenkredite von rund 256 Forint. Der ungarische Rechts-Staat zwingt die Schuldner praktisch in einen neuen Kredit.
Ausgehend von den zur Zeit des Kreditbooms um das Jahr 2006 charakteristischen EUR- bzw. CHF-Wechselkursen realisieren die Schuldner somit auf einen Schlag Kursverluste von durchschnittlich 20 bzw. 40 Prozent, denn der Euro bewegte sich unter den sozialistisch-liberalen Regierungen lange Zeit um 250-265 Forint, der Schweizer Franken notierte im Vorfeld der Eurokrise um 160-180 Forint. Da die Frankenkredite im Vergleich zu Eurodarlehen einen Zinsvorteil von rund 200 Basispunkten versprachen (gegenüber dem Forint waren es 5-10 Prozent), fanden sie in der überwiegenden Mehrzahl der abgeschlossenen Fremdwährungskredite Anwendung.
Der Staat einigte sich mit den Banken
Bekanntlich beginnt die Regierung jede Ankündigung zu dem Thema mit der „Rettung der Devisenkreditnehmer“, was mit der Entscheidung vom Wochenende nun wirklich nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Das Volkswirtschaftsministerium gab die Einigung mit dem Bankenverband bekannt, der diesen Abschluss begrüßte, weil die Banken „weitere Lasten nicht mehr tragen könnten“.
Es wurde auch daran erinnert, dass die Handelsbanken den Schuldnern bis zu 1.000 Mrd. Forint (gut 3 Mrd. Euro) zurückzahlen müssen. Das geschieht im Zuge von Gerichtsentscheiden, bei denen die Banken gegen den ungarischen Staat den Kürzeren gezogen hatten. Die Regierung hatte nämlich Rechtsnormen mit rückwirkender Geltung in Kraft gesetzt, mit denen praktisch alle Zins- und Gebührenanhebungen der Banken (auch jene gegenüber Kunden mit Forintkrediten!) für rechtswidrig erklärt wurden. Darauf setzte ein langwieriger Rechtsstreit durch die Instanzen ein, den das Verfassungsgericht an diesem Dienstag erstaunlich abrupt beendete. Die Banken hatten versucht, die rückwirkende Geltung des neuen Gesetzes auszuhebeln, wozu das Verfassungsgericht anmerkte, bei den einseitigen Vertragsmodifizierungen (zum Nachteil der Kunden) hätten die Banken im guten Glauben und korrekt vorgehen müssen.
Die Kurie hatte wiederum jenes für die Kreditnehmer verhängnisvolle Grundsatzurteil gefällt, wonach das Wechselkursrisiko vollständig durch den Schuldner zu tragen sei. Lange Zeit hielt sich die These, es könnte dennoch einen gewissen Abschlag geben, denn schließlich wurde die Schlusstilgung 2011/12 ja zum Ausgangs-Wechselkurs vollzogen – was die Banken mehrere 100 Mrd. Forint kostete. Bei dieser Aktion konnten sich etwa 170.000 Kreditnehmer – darunter wenig überraschend auch viele Parlamentarier – aus der Klemme befreien, die das Geld zur Kreditablösung auf einen Schlag parat hatten. Experten setzten diesen Abschlag aber auf maximal zehn Prozent an, eingedenk der ebenfalls durch die Regierung deklarierten (mathematisch wegen der unzählig verschiedenen Kredite aber unlösbaren) Formel, wonach „kein Forintschuldner schlechter fahren dürfe, als die Devisenkreditnehmer“.
… und weitere (leere) Versprechen
Die Orbán-Regierung glaubt tatsächlich, es allen recht machen zu können, also wurde an diesem Dienstag gleich noch Justizminister László Trócsányi losgeschickt, den aufkommenden Unmut der Devisenkreditnehmer ob der Entscheidung vom Sonntagabend zu dämpfen. „Die Regierung stellt sicher, dass die Tilgungsraten der Fremdwährungskredite nach ihrer Umstellung auf Forint nicht steigen werden“, erklärte Trócsányi mit Hinweis auf das Gesetz über das „faire Bankensystem“, das am 1. Januar 2015 in Kraft treten soll. So bleiben die Zinssätze auf mindestens drei Jahre fixiert. Was danach passiert, will der Fidesz seinen Wählern lieber nicht auf die Nase binden. Aber geht es nach dem Justizminister, dann sollen die Verträge über Verbraucherkredite in Zukunft so ausgestaltet sein, dass die ungarischen Verbraucher ähnliche Vorteile erfahren dürfen, wie sie die Verbraucher in Deutschland und Österreich schon heute genießen.
Ja lieber Herr Ackermann mittlererweile habe ich mich an Ihre linkslastige, regierungskritische Meinung gewöhnt, aber lassen Sie sich mal gesagt sein, dass ein Staat nicht für jeden“unmündigen“ Bürger der nichts hinterfagt schlussendlich die Zeche zahlen kann. Da fühlt sich ja jeder der seinen Kredit pünktlich bedient, im Regen stehen gelassen. Es ist leider ein Zeichen der Zeit, dass viele über ihre Verhältnisse leben, sei dies mit einem Kredit für Wohnung, Haus oder Auto und darauf zählt, dass dann die Allgemeinheit die Ausstände schon bezahlt. Es ist wie es ist; niemand kann es allen recht machen!
Lieber Herr Baumgartner, regierungskritisch lasse ich gerne stehen, denn so verstehe ich den Auftrag der Medien, die Kritik „linkslastig“ lässt ein fehlendes tieferes Verständnis für die Zusammenhänge erahnen. Die heute vom Fidesz vorgestellte Lösung hätte vor drei, vier Jahren die gesamte Gesellschaft weniger gekostet, die Banken hätten nicht immer mehr faule Kredite abschreiben müssen, die Kreditnehmer den Ausstieg aus der vertrackten Devisenkonstruktion günstiger erhalten. Bitte legen Sie mir nicht in den Mund, was die Orbán-Regierung ihren Wählern versprach, sie „vor den bösen Banken zu retten“. Das klingt doch eher linkslastig, oder?