Am 30. Oktober 2014 fand in Pécs die von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen organisierte Veranstaltung „Zur Situation der Deutschen in Mitteleuropa“ statt.
Die internationale Konferenz im Zsolnay-Kulturviertel diente dem Erfahrungs- und Informationsaustausch und war für die rund 70 Teilnehmer, insbesondere für die Vertreter der deutschen Minderheiten in Mitteleuropa, eine gute Gelegenheit, die länderübergreifenden Kontakte und Netzwerke zu pflegen.
Frank Spengler, Leiter des Auslandsbüros Ungarn der Konrad-Adenauer-Stiftung, betonte in seiner Begrüßung die Leistung und die Bedeutung der Minderheiten hinsichtlich der europäischen Versöhnung. Die nationalen Minderheiten seien „wichtige Bindeglieder zur Entwicklung vielfältiger Brücken zwischen vielen Ländern“, so Spengler. Die Unterstützung der Minderheitenarbeit sei daher ein besonderes Anliegen der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem Ziel, die Netzwerke der Deutschen im östlichen Mitteleuropa zu stärken. Anschließend begrüßte Otto Heinek, Vorsitzender der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, die Teilnehmer und betonte dabei die kulturelle und historische Bedeutung der Stadt Pécs und ihrer Umgebung für die ungarndeutsche Identität, aber auch der donauschwäbischen bzw. deutschen Kultur außerhalb der Grenzen Ungarns. Er dankte in diesem Zusammenhang der Konrad-Adenauer-Stiftung besonders für die vielfältige und erfolgreiche Kooperation.
Begegnung der Kulturen im Mittelpunkt der Minderheitenpolitik
Die Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Pécs, Zsuzsanna Gerner, unterstrich in ihrem Grußwort die Rolle des Veranstaltungsortes, der, so Gerner, „kein Zufall“ und auf das Engste mit der Geschichte, Kultur und Identität der Ungarndeutschen verbunden sei: Gerner informierte über die Entwicklung der Bevölkerungszahlen der Ungarndeutschen von der Ansiedlung im 12. Jahrhundert bis heute. Für sie stehen das „Zusammenwachsen Europas“ und die „Begegnung der Kulturen“ im Mittelpunkt der Minderheitenpolitik, was primär durch „kommunikative Prozesse in Gang“ gesetzt werden könne. Veranstaltungen wie die Konferenz in Pécs bezeichnete die Honorarkonsulin als „Wegbereiter für den Austausch“.
Die Eröffnungsrede hielt Miklós Soltész, Staatssekretär für Beziehungen zu den Kirchen, zu den Volksgruppen und zur Zivilgesellschaft im Ministerium für Humanressourcen. Soltész nannte die Weitergabe der Muttersprache, Bildung und Schulwesen sowie den gelebten christlichen Glauben als die „drei Säulen“ der ungarndeutschen Identität und Kultur. Klaus Weigelt, Präsident der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa, hielt den Einführungsvortrag zur Situation der deutschen Minderheiten im Osten Europas: Er unterstrich v.a. die zukünftige Bedeutung der nationalen Minderheiten als Träger europäischer Kultur und Identität.
Der zweite Teil der Konferenz widmete sich der Situation der Deutschen in Tschechien, Rumänien und der Slowakei: Durch die erste Gesprächsrunde führte Ralf Thomas Göllner, stellvertretender Direktor des Ungarischen Instituts München. Die Referenten waren Hans Korbel, ehemaliger Vorsitzender der Landesgruppenversammlung in Böhmen, Mähren und Schlesien, Benjamin Józsa, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, sowie Johann König, Generalsekretär des Karpatendeutschen Vereins in der Slowakei. Die Beiträge unterstrichen eindrucksvoll, dass es für einen zukunftsgerichteten Kulturerhalt in den Minderheiten primär der Kooperation und der Netzwerke bedarf, die von Frank Spengler bereits zu Beginn der Tagung als richtungsweisende Chance angesprochen wurde. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass grenzübergreifende Möglichkeiten mehr Raum für Projekte und für ein europäisches Verständnis schufen.
Kroatiens EU-Beitritt sorgte für Kooperationsausbau
Abschließend wurde die Situation der Deutschen in Kroatien, Polen und Serbien vorgestellt: Im zweiten Panel berichteten Zorislav Schönberger, Präsident der Deutschen Gemeinschaft – Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien, Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, und Rudolf Weiss, Vorsitzender des Deutschen Volksverbandes in Serbien.
Aus dem Beitrag Zorislav Schönbergers wurde v.a. deutlich, dass die Zusammenarbeit der Donauschwaben in Süden Ungarns bzw. Norden Kroatiens auch durch den EU-Beitritt Kroatiens im Sommer 2013 weiter ausgebaut werden könne. Gerade Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, unterstrich, wie wichtig historische Kenntnisse zum Verständnis der heutigen Minderheitensituation sind und eröffnete seine Ausführungen mit Informationen über die Siedlungsgebiete der Deutschen in Polen. Auch Bernard Gaida betonte die Wichtigkeit von Sprachunterricht und aktivem kulturellem Leben. Charakteristisch für die Arbeit der deutschen Minderheiten in Mitteleuropa ist die Kooperation mit anderen nationalen Minderheiten in den Nachbarländern Ungarns, was sowohl die Beiträge der Referenten als auch Nachfragen aus dem Auditorium zeigten. So nannte etwa Rudolf Weiss, Vertreter der deutschen Minderheit in Serbien, exemplarisch die Zusammenarbeit mit den kroatischen, ungarischen und jüdischen Volksgruppen. Er betonte, dass die Erfolge der Minderheitenpolitik und der kulturellen Zusammenarbeit immer gerade auch an den Volksgruppen selbst liege. Die Historikerin Ágnes Tóth, leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Minderheitenforschung der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, moderierte das zweite Panel. Als zentrale Frage der Konferenzzusammenhänge ließ sich die Bedeutung der nationalen Minderheiten für eine mitteleuropäische Identität im Ganzen ableiten, die Ágnes Tóth gerade in der Praxis und in den Prinzipien der Minderheitenarbeit sah.
Deutsche Minderheit im ungarischen Parlament
Das Schlusswort der Konferenz hatte Imre Ritter, Fürsprecher der Ungarndeutschen in der Ungarischen Nationalversammlung. 25 Jahre nach der politischen Wende verfügen die 13 nationalen Minderheiten in Ungarn nun über direkte Vertreter im Parlament: Er berichtete über den aktuellen Stand der Verhandlungen zur Minderheitenpolitik mit dem ungarischen Staat, was zum Tagungszeitpunkt nur zwei Wochen nach den Kommunalwahlen in Ungarn, bei der auch die Minderheitenwahlen eine bedeutende Rolle spielten, eine wichtige Ergänzung darstellte.