Budapest ist eine kosmopolitische Stadt. Dass es hierzulande eine Orchideen-Sportart wie American Football gibt, mag noch einleuchten. Aber dass es in Ungarn mehr als 20 American Football Teams gibt, überrascht dann doch. Mehr noch, eine semi-professionelle Liga, die HFL, bietet Sportlern und Fans eine Heimat.
Am kommenden Samstag ist es wieder so weit, die zwei besten Mannschaften der HFL (Hungarian Football League), die Újbuda Rebels und Docler Wolves, treffen im BVSC Stadion aufeinander. Mehrere tausend Fans werden anfeuern und jubeln, während ihre Teams alles geben. Denn eins kann mit Sicherheit über American Football in Ungarn gesagt werden: „Hier kämpft jeder nur für seinen eigenen Stolz.“
Geduld lohnt sich
Kornél Bachráthy ist ein Mann wie ein Baum und erfüllt damit wohl eines der Hauptklischees, wenn es um Football-Spieler geht. „Früher habe ich Basketball gespielt“, erzählt er, durch einen Freund sei er zum American Football gekommen. Der Sport hat seit mehr als zehn Jahren eine treue Anhängerschaft in Ungarn, derzeit gibt es 21 Teams über das Land verteilt, „aber das waren auch schon einmal mehr“. Doch, so Kornél, wer sich einmal in das Spiel verliebt habe, der bleibe.
Dass diese Liebe manchmal etwas Zeit braucht, gesteht der Hauptsekretär der American Football Vereinigung Ungarn ohne Umschweife: „Das Spiel kommt gestückelt daher, der Spielfluss wird durch den Aufbau bedingt immer wieder unterbrochen, es gibt eine Vielzahl von Regeln und Taktiken, die sich einem nicht sofort erschließen. Aber wenn man erst einmal angefangen hat, Spiele zu schauen, versteht man immer mehr, sieht man die unglaubliche Leistung der Sportler auf einmal viel klarer.“ Die Leistung ist tatsächlich enorm. Pro sogenanntem Play müssen so viele Yards wie möglich errungen werden. Dabei kommt es dann zu den sehenswerten Zusammenstößen und Läufen. Kornél erklärt: „Das wirklich interessante Spielgeschehen läuft beim Football nicht um den Ball herum ab.“ Der frühere Verteidigungsspieler lächelt, wenn er von seinen Matches berichtet: „Irgendwann interessiert dich der Ball nicht mehr, du bist nur noch da, um den Gegner aufzuhalten.“
Zart geht es dabei nicht zu, Football ist ein Vollkontakt-Sport. Auch deswegen hat der ungarische American Football teilweise Probleme. Eine Mannschaft besteht aus mindestens 22 Field-Playern, elf in der Offense, elf in der Defense. Dazu kommen die Spieler des Special Teams wie Kicker, Punter und Co. Eine Mannschaft inklusive ihrer Ersatzspieler braucht etwa 45 bis 50 Spieler. Diese Zahl an Spielern ist für viele Mannschaften schwer zu stemmen, weswegen die HFL derzeit nur mit 21 Teams besetzt ist; einst waren es 26. Tamás, Running Back bei den Újbuda Rebels, ist seit etwa zehn Jahren dabei. Er weiß, wie schwer es ist, Mannschaften zusammenzuhalten. Drei mal wöchentlich Training, dazu Videoanalysen des Gegners vor dem Spiel, daneben noch Krafttraining. Für Privatleben bleibt da neben der Arbeit nur wenig Zeit. „Wenn ein amerikanischer Trainer nach Ungarn kommt, hat er die ersten ein-zwei Jahre damit zu tun, sich damit zurecht zu finden, dass hier Football nur „nebenher“ gespielt wird. In seiner Heimat ist das ganz anders.“
Viele Spieler der ersten Generation sind mittlerweile aus dem Sport „gealtert“ oder haben schlichtweg keine Zeit mehr, weil sie Familien gegründet haben. Dieses Problem sieht auch Kornél: „Einige Mannschaften haben Probleme mit der Nachwuchsförderung.“ Denn während man Fußball, Basketball und andere Mannschaftssportarten auf reiner Hobby-Ebene betreiben kann, ist dies beim American Football nicht möglich, der Sport verlangt seinen Spielern alles ab. Und trotzdem finden sich immer wieder junge Männer, die sich der Herausforderung stellen. Einer von ihnen ist Marcel, Line Backer bei Újbuda. Er ist vor sechs Jahren über seinen Bruder zum Sport gekommen. Mit seinen etwa 1,85 Metern und 82 Kilo ist er für einen Abwehr-Spieler zwar theoretisch leicht, aber als Line Backer zählt seine Schnelligkeit. Derzeit lebt er noch im südungarischen Szeged, ein Mal pro Woche kommt er zusammen mit seinem Bruder nach Budapest, um mit der Mannschaft zu trainieren, „aber wir wollen möglichst bald herziehen“.
Spiel nicht um Geld
Von all diesen Schwierigkeiten kann Trainer Karim Trabelsi viel berichten. Er kam als Trainer der Cowboys nach Budapest, eine Mannschaft, die sich mittlerweile mit den Rebels zusammengeschlossen hat. „Es ergab einfach keinen Sinn, zwei Mannschaften mit einem guten ersten Line-up zu haben, wenn die Ersatzbank leider einfach nicht auf dem Level ist.“ Seit diesem Jahr spielen die „Cowbels“, wie sie sich spaßig nennen, wieder gemeinsam. Karim selbst ist Belgier, sein Co-Trainer Andrew ist Kanadier, und abgesehen vom Field-Player Patrik aus Nigeria, haben sie keine Ausländer in der Mannschaft. Die Hurricans in Nyíregyháza beispielsweise hätten einen amerikanischen Import-Spieler, der auch bezahlt wird, Karim setzt lieber auf ungarische Spieler, wobei auch der finanzielle Aspekt eine Rolle spielt. Denn bezahlt wird bei American Football in Ungarn nur von den Spielern an ihre Vereine. Kornél sieht darin einen Vorteil und Nachteil gleichermaßen: „Jeder von uns zahlt monatlichen Mitgliedsbeitrag, die Mannschaften müssen in vielen Fällen für ihre Trainingsplätze zahlen, Ausrüstung und so weiter. Wenn wir dann aufs Feld gehen, um zu spielen, geben wir trotzdem alles.“ Aber eben darin liegt auch die Schönheit, denn wer kommt, um zu spielen, der kommt nicht des Geldes wegen. Bei allen Widrigkeiten würde doch keiner der Spieler mehr etwas anderes spielen wollen. „Sicher, Football scheint wenig flüssig im Spielverlauf, aber in den zehn-fünfzehn Sekunden die ein Spielzug dauert, passiert explosionsartig so viel, dass ich ein Fußballspiel schon gar nicht mehr schauen kann, weil es mir zu langweilig erscheint“, erklärt Kornél lächelnd.
HFL Finale
Újbuda Rebels vs. Docler Wolves
15. November ab 14 Uhr
BVSC Stadion
XIV. Szényi út 2
Tickets vor Ort 1.400 Forint (Erwachsene)