
Der neue Audi TT Roadster: Ein strahlendes Produkt vernünftigen deutsch-ungarischen Miteinanders. Foto: AHM
In unserem Editorial der Vorwoche versprachen wir, Sie bezüglich der umstrittenen Internetsteuer sofort zu unterrichten, wenn wir von vernünftigen und überzeugenden Gründen für diese Abgabe erfahren sollten. Immerhin schlossen wir zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Versprechens noch nicht ganz aus, dass es diese geben könnte. Auch das entschlossene Ausharren der Regierung angesichts der gewaltigen demokratischen Aufwallungen auf der Straße ließ auf deren Existenz schließen. Offensichtlich fanden die Erfinder der neuen Steuer dann aber keine plausiblen und vor allem massenwirksamen Gründe, um ihre Notwendigkeit zu rechtfertigen und machten einen Rückzieher. Während die Budapester Zeitung am Freitagmorgen gerade ausgeliefert wurde, setzte sich Premier Orbán vors Mikrofon und zog die Internetsteuer kurzerhand zurück. Auch eine Lösung!
Jetzt fragt sich nur, ob es das mit der Internetsteuer nun war oder nicht, ob wir sie bei nächster Gelegenheit, vielleicht etwas anders präsentiert, wiedersehen oder nicht. Die Ankündigung einer „nationalen Konsultation“ verhieß diesbezüglich schon mal nichts Gutes. Immerhin kann deren Ausgang ganz wesentlich durch die Art der Fragestellung und das angesprochene Publikum beeinflusst werden und unterliegt deren Abwicklung keinen so strikten Regeln und Kontrollmechanismen wie etwa eine Volksabstimmung. Egal, aufgeschoben ist erst einmal aufgeschoben und vielleicht braucht die Regierung, die – inspiriert von den US-Einreiseverboten für Mitarbeiter des Finanzamtes – eigenen Erklärungen zufolge jetzt noch engagierter Mehrwertsteuerbetrügereien zu Leibe rücken will, angesichts des sich dort vielleicht bald einstellenden Geldregens demnächst auch gar nicht mehr die etwa 20-30 Milliarden Forint, die auf Kosten der Internetgemeinde maximal zu holen gewesen wären.
Um mit geeinten Kräften den Mehrwertsteuerbetrügereien das Wasser abzugraben, scheint es zunächst aber erst einmal angeraten, die vielen Fragen und Ungereimtheiten aus der Welt zu schaffen, die es zwischen der Regierung und dem Finanzamt offensichtlich zu geben scheint – siehe dazu auch unseren Artikel diese Woche. Warum wusste etwa Volkswirtschaftsminister Mihály Varga nichts von dem US-Einreiseverbot für eine seiner wichtigsten Untergebenen? Oder anders gefragt: Warum hat der Vertreter der Regierung, den die Finanzamtschefin sofort informiert hatte, nicht sofort den doch nicht ganz unwichtigen Volkswirtschaftsminister in Kenntnis gesetzt? Wenn solche Informierungslücken bestehen, hat dann die Regierung oder zumindest ein Teil von ihr sogar Kenntnis der fünf noch fehlenden Namen? Und vielleicht sogar der konkreten Fälle, die den US-Amerikanern sauer aufstoßen? Wenn dem aber so wäre, warum bittet die Regierung die US-Amerikaner dann bei jeder Gelegenheit um gerade diese Namen und Fälle?
Fragezeichen über Fragezeichen. Glücklicherweise gab es diese Woche aber auch ein paar positive Worte und Ausrufezeichen, so etwa von Audi-Vertretern beim feierlichen Produktionsstart des Audi TT Roadster mit Blick auf die ungarischen Standortbedingungen, die Richtigkeit ihrer vor über zwei Jahrzehnten getroffenen Entscheidung, in Ungarn zu investieren und auch in Zukunft kräftig damit weiterzumachen. Ebenso klar und positiv waren übrigens auch die Erklärungen von ungarischer Seite. Premier Orbán verstieg sich sogar zu der Aussage, dass Ungarn ohne Audi nicht mehr denkbar sei, wobei er diese Aussage sicher mit Blick auf die ohne den Audi-Faktor nicht mehr ganz so schönen Export-, Investitions- und BIP-Zahlen verstanden wissen wollte. Ganz korrekt hätte er natürlich sagen müssen, dass die ungarische Wirtschaft ohne die deutschen Investoren insgesamt nicht mehr denkbar wäre, zumindest oberhalb der Kellerlinie.
Ein Zusammenhang, der so klar ist, wie das Desinteresse der Regierung an einem möglichst guten Ruf im Ausland als verlässlicher, angenehmer Partner unklar ist. Natürlich kann die ungarische Regierung ohne Rücksicht auf unnötig zerstörtes Porzellan agieren und kommunizieren, während sie sich gleichzeitig lauthals über die wohltuende Wirkung von Auslands-Investoren auf die ungarischen Makrozahlen freut und ausländische Firmenvertreter, also zumindest die „guten“, bei jedem offiziellen Anlass mit den nettesten Worten umschmeichelt! Logischer und vertrauensbildender, also zweckdienlicher wäre allerdings eine konsistentere Regierungspolitik, die deutlich weniger Fragen aufwirft.