
Angesichts des breiten Widerstands ruderte die Orbán-Regierung in Sachen Internet-Steuer (vorerst) zurück. (Foto: MTI)
Die Net-Steuer kommt; die Net-Steuer kommt, aber gedeckelt; die Net-Steuer kommt ohne Deckelung; die Net-Steuer kommt gar nicht – wer in der vergangenen Woche mit den Entwicklungen in Sachen Besteuerung des Internets Schritt halten wollte, hatte einiges zu tun.
„Weise“ und einem „echten Demokraten würdig“ sei der Schritt von Premier Viktor Orbán gewesen, die national und international heftig kritisierte Steuer wieder zurückzuziehen, so kommentiert Politologe Tamás Fricz in der regierungsnahen Magyar Nemzet. Dabei, so meint man als Beobachter von außen, blieb ihm nicht viel anderes übrig. Sowohl die Wirtschaft als auch die Bevölkerung stemmten sich mit aller Kraft gegen den Entwurf, mehrere Demonstrationen über das Land verteilt machten deutlich, wie wenig die Gesellschaft bereit ist, eine weitere Steuer hinzunehmen.
Nun also ruderte Orbán zurück. Am vergangenen Freitag sagte er gegenüber dem staatlichen Rundfunksender Kossuth Rádió, dass aufgrund des mangelnden Konsens innerhalb der Gesellschaft die Internetsteuer nun doch nicht eingeführt werden kann. Doch vom Tisch ist sie damit nicht, nur in ihrer jetzigen Form sei sie nicht kommunizier- und realisierbar. Doch dies soll nicht so bleiben. Tamás Deutsch, EU-Abgeordneter und leidenschaftlicher Polterer („Die Demonstranten, die gegen die Internetsteuer auf die Straße gehen, sind Mistkäfer“), soll in Zukunft für Konsens sorgen. Denn, so schreibt Máté Kocsics, Kommunikationsdirektor des Fidesz, auf Facebook: In Anbetracht des kompletten Missverständnisses in Bezug auf die Ausweitung der Telekommunikationssteuer (die Steuer sollte nach den Vorstellungen des Fidesz nur die Anbieter, nicht aber die Kunden belasten – Anm.), erscheint den Menschen die Sinnhaftigkeit des Vorschlags fraglich. Die Steuer ist in ihrer jetzigen Form nicht machbar.“
Und Kocsis weiter: Man wolle die Frage der Steuer im größtmöglichen Forum zur Diskussion stellen und die Meinungen der Bürger einholen. Dazu soll bereits Anfang des kommenden Jahres eine sogenannte „Nationale Konsultation“ abgehalten werden. In diesem Fragebogen soll es nicht nur um die Steuer, sondern auch um die künftige Regelung des Netzes und finanzielle Fragen gehen. Weiterhin soll es auch Gespräche mit den Anbietern geben. All dies unter der Leitung von Tamás Deutsch. Hierbei ist zu erwähnen, dass die „Nationale Konsultation“ keineswegs mit einer Volksabstimmung gleichwertig ist und damit keinerlei bindenden Charakter hat.
Schon einmal versuchte Premier Viktor Orbán mittels dieses Schachzugs die Gemüter zu beruhigen. 2012 trat das neue Grundgesetz in Kraft, etwa ein halbes Jahr und viele Proteste später wurde das Volk schließlich zu seinem neuen Grundgesetz befragt. Allerdings: Im Fragebogen, der jedem ungarischen Haushalt zugesandt wurde, seien die Fragen so formuliert gewesen, bemängeln Kritiker, dass negative Antworten kaum möglich waren. Weiterhin ist bis heute nicht bekannt, zu welchem Ergebnis die “Konsultation” führte, da es nie veröffentlicht wurde (die Budapester Zeitung berichtete). So ist zu befürchten, dass auch die für den Januar angesetzte “Nationale Konsultation” in ähnlicher Form ablaufen wird.
Tamás Deutsch holte sich derweil den bekannten Blogger László Szily vom Meinungsportal Cink ins Boot. Dieser soll über seine eigene Plattform Ideen sammeln und Deutsch mit Ratschlägen zur Seite stehen. Im Netz wurde viel gespottet darüber, denn, so heißt es in vielen Kommentaren, Deutsch versuche sich damit Legitimation für die Net-Steuer zu verschaffen. Auch der Fakt, dass Szily selbst ein Akteur der Netzgemeinde ist, wird vielerorts so aufgefasst.
Erklärungsnot sucht man vergebens
Während der neue Entwurf der Net-Steuer mit Spannung erwartet wird, scheinen sich die Mitglieder des Fidesz wenig an der Kehrtwende ihres Parteivorsitzenden zu stören. In der vergangenen Woche hieß es noch, die Steuer sei eine Idee von Orbán persönlich und komme auf jeden Fall. Freitag dann der Rückzug. Und wie ein Video des Nachrichtenportals Index zeigt, machen seine Parteikollegen dies ohne Murren mit. Der Politiker der regierenden christdemokratischen Volkspartei (KDNP), János Hargitai, verteidigte die Net-Steuer erst als „notwendig“, um dann die Entscheidung zur Rücknahme als ebenso notwendig (in Anbetracht der öffentlichen Meinung) darzustellen. Ähnlich sieht es auch sein Kollege Péter Harrach, ebenfalls KDNP. Die Entscheidung der Rücknahme sei weise, er, Harrrach, sei aber weiterhin ein Befürworter der Steuer. Bei so viel Kreativität in Sachen Auslegung darf man schon jetzt gespannt auf die Meinungsäußerungen der Abgeordneten bei der “Nationalen Konsultation” im Januar sein.