
Firmengründerin Ágnes Vida weiß, welche Schwierigkeiten eine junge, berufstätige Mutter erwarten und wie sie diese zu bewältigen hat.
Viele Frauen stehen irgendwann vor der Entscheidung „Kind oder Karriere“. Dabei ist es nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht wichtig, dass Mütter, die sich um den Nachwuchs kümmern, auch wirtschaftlich aktiv bleiben. Vielmehr gehört es heute zum Selbstverständnis vieler Frauen, dass sie ihr „eigenes Geld“ verdienen. Wie das auch mit Kindern geht, erklärt die Kinderpsychologin Ágnes Vida, die mit ihrem Projekt „GazdagMami“ jüngst von der EU ausgezeichnet wurde. Online erklärt sie jungen Müttern den Weg zur Unternehmensgründung.
Wie entstand die Idee?
Ich bin Kinderpsychologin und beschäftige mich vorrangig mit Säuglingen und Kleinkindern. Viele der Mütter, die zu mir kommen, fragten mich, wie ich Arbeit und Familie unter einen Hut bekomme (Ágnes Vida ist selbst zweifache Mutter; Anm.). Tatsächlich fehlt es Frauen mit Kleinkindern an Alternativen.
Wie meinen Sie das?
Viele Seminare und Fortbildungskurse richten sich von ihrem Aufbau her an Männer, laufen beispielsweise den ganzen Tag oder gar über mehrere Tage hinweg am Stück. Wenn man ein Kind zu stillen hat, ist das schlicht unmöglich. Deswegen haben Frauen kaum Möglichkeiten zur Fortbildung in diesem Bereich.
Wie unterscheidet sich Ihr Lehrgang von klassischen Fortbildungen?
Unser Online-Lehrgang setzt sich aus Mini-Einheiten von je fünf bis zehn Minuten zusammen. So viel Zeit kann man selbst neben einem sehr anstrengenden Kind frei machen. Weiterhin hat sich durch GazdagMami eine Gemeinschaft gebildet. Die Frauen helfen sich untereinander, tauschen Erfahrungen aus. Der ganze Kurs ist weniger theoretisch, denn praxisortientiert. Statt uns mit Marketingtheorien und dem 4-P-Programm zu befassen reden wir lieber darüber, was konkret getan werden kann, damit der Webshop einer Schülerin erfolgreicher wird.
Ganz wichtig ist, dass wir der Kommunikation viel Raum bieten, beispielsweise können unsere Teilnehmerinnen die Lerneinheiten kommentieren und sich austauschen. Außerdem gibt es für unsere Absolventen eine geschlossene Gruppe auf Facebook. Dort haben wir mittlerweile mehr als 1.700 Mitglieder. Diese Gruppe haben wir deswegen gegründet, damit die Frauen auch weiterhin in Kontakt bleiben, sich gegenseitig mit Ratschlägen helfen oder einfach Erfahrungen austauschen können. Was sich im Laufe der Geschäftsgründung und des Betriebs an Fragen ergibt, kann dort besprochen werden.
Sind 5-10 Minuten nicht sehr wenig für eine Einheit?
Ein Thema ist natürlich auf mehrere Einheiten verteilt, der Lehrgang selbst dauert vier Monate. Es gibt natürlich auch längere Einheiten, und zu jeder Einheit gibt es Fragen und Aufgaben. Konkret sieht das dann so aus, dass beispielsweise eine halbstündige Einheit in einem angehört wird und dann im Anschluss ein paar Aufgaben zu lösen sind.
Die Sache kann von Zuhause aus gemacht werden, aber wie entsteht dann eine Gemeinschaft?
Das läuft bei uns alles digital, mit einer Ausnahme. Seit etwa sechs Jahren gibt es ein Mal monatlich eine Vorlesung, die bei uns im Büro stattfindet. Das ist aber eher eine Art Runder Tisch. Ich spreche eine halbe Stunde über ein Thema und danach können Fragen gestellt oder Probleme angesprochen werden. Dabei haben wir etwa 150 bis 170 Teilnehmer pro Veranstaltung. Die Vorlesung ist kostenlos, und einige Teilnehmer kommen seit Jahren regelmäßig. Das ist das Tolle, wir haben erfahrene Unternehmerinnen bei uns und solche, die diesen Schritt erst noch tun wollen. Der Runde Tisch ist besonders für angehende Unternehmerinnen sehr wichtig, um aus den Erfahrungen anderer zu lernen.

Dieser Lehrgang richtet sich ausschließlich an Frauen und orientiert sich an ihren Bedürfnissen und Gegebenheiten.
Der GazdagMami-Lehrgang richtet sich ausgesprochen an Frauen. Heißt das, es gibt da bisher nicht genug Möglichkeiten bzw. Angebote?
Ich denke, die meisten Networking-Events und Marketing-Konferenzen sind fast reine Herren-Veranstaltungen. Frauen gibt es da maximal als „Begleitung von“. Das sind sehr maskuline Veranstaltungen. Frauen haben aber ganz andere Bedürfnisse, was das angeht, allein schon deswegen, weil von Frauen geführte Unternehmen in den meisten Fällen einen anderen Schwerpunkt haben als die ihrer männlichen Kollegen. Frauen führen meist viel kleinere Unternehmen, dort geht es nicht darum, möglichst rasch möglichst groß zu werden und Millionen zu scheffeln. Frauen gründen Unternehmen, um sich selbst und noch ein-zwei Mitarbeitern eine Arbeit zu geben. Die drei häufigsten Gründungen bei Frauen sind derzeit Buchhaltungsbüros, der Friseursalone und Kosmetikstudios, typisch weibliche Dinge also. Diese Unternehmen existieren dann aber lange, teils mehrere Jahrzehnte. Frauen denken viel langfristiger. In den ersten drei Jahren von Unternehmensgründungen überlegen es sich etwa zwei Drittel der männlichen Gründer, wohingegen nur 1/3 der weiblichen Unternehmensgründungen in den ersten Jahren scheitern.
In Deutschland wird immer wieder über Frauenquoten für Vorstände und Parteileitungen diskutiert. Was sagen Sie als Unternehmerin dazu?
Ich habe mit einigen weiblichen Abgeordneten gesprochen, die selbst Kinder haben. Es ist unglaublich schwierig, die Arbeit im Parlament und in der Familie unter einen Hut zu bekommen. Dabei wäre es wichtig, wenn auch Frauen in leitende Positionen kämen, sowohl in Vorständen als auch Parteien.
Wie sieht es mit der Kooperation zwischen Mann und Frau aus? Networking-Events sind männerdominiert, wie Sie sagten. Gibt es gut funktionierende Events für Männer und Frauen?
Männer haben prinzipiell eine andere Herangehensweise, sie sind zielorientierter. Networking unter Männern findet meist mit einem konkreten Ziel, beispielsweise einem Geschäftsabschluss oder einer Kooperation, statt. Frauen hingegen können sich häufig viel besser auf den Markt und dessen Bedürfnisse einstellen, sie verstehen oft den Kunden besser und sind deswegen besser im Marketing.
Wie sieht es mit der Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie für Frauen in Ungarn aus?
In Ungarn haben wir immer noch ein relativ patriarchalisches System. In großen Städten zwar weniger als in ländlichen Gebieten. Dabei sehe ich aber häufig, dass Männer ihre Frauen unterstützen, sie in ihrem Vorhaben bestärken. Ich habe auch schon oft gesehen, dass nach einer Schwangerschaft die junge Mutter in das familieneigene Unternehmen einsteigt und beispielsweise das Marketing übernimmt. Familienunternehmen können sehr gut funktionieren. Es ist enorm wichtig, Frauen in der Unternehmensgründung zu unterstützten, weil aus diesen Gründungen häufig kleine Familienunternehmen werden, in die auch viele Ehemänner einsteigen. Bei uns in der Familie ist das auch so passiert. Als unser Unternehmen anfing zu wachsen beschloss mein Mann, seine Stelle aufzugeben und sich bei uns einzuschalten. Wenn beide Eltern im selben Unternehmen arbeiten, bleibt auch mehr gemeinsame Zeit für die Familie, das ist ein enorm wichtiger Punkt.