Sammelt die Regierungskontrollbehörde KEHI systematisch Beweismaterial, um gegen die zivile Stiftung Ökotárs einen Schauprozess zu inszenieren? Laut dem Nachrichtenportal Index tut sie das. Wie Index vor Kurzem berichtete, wurde eine handverlesene Runde von Pressevertretern, darunter ein Redakteur des Nachrichtenportals, von der KEHI eingeladen, um ihnen Beweise vorzulegen, die strafrechtliche Vergehen von Ökotárs bei der Verteilung von Geldern einer staatlichen norwegischen Stiftung belegen sollen.
Zur Erinnerung: Norwegen greift Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in sogenannten „EU-Entwicklungsländern“, vor allem in Süd-und Ostmitteleuropa, finanziell unter die Arme. Für Ungarn stellt die als „Norway Grants“ bezeichnete Stiftung, an der sich auch Island und Liechtenstein beteiligen, rund 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Umwelt-, Roma-, Schwulen- und Theater-Projekte werden mit dem Geld drei Jahre lang unterstützt.
Doch bekommen auch zivile Organisationen, die sich mit der Beobachtung von staatlichen Behörden und der Politik beschäftigen, Gelder. Norwegen und die beiden anderen Geberländer wollen damit zur Entwicklung einer demokratischen Zivilgesellschaft beitragen, wobei die Stiftung Ökotárs hierbei eine Schlüsselfunktion innehat.
Die 1994 von einer Umweltbewegung gegründete Stiftung vergibt zusammen mit drei anderen ungarischen Partnerorganisationen die Fördergelder der „Norway Grants“ nach festgelegten international gültigen Kriterien, das heißt, ohne Einfluss von Staat, Parteien, Kirchen und geschäftlichen Interessen.
Der nationalkonservativen Regierung von Viktor Orbán lief dieses Prozedere indessen mächtig gegen den Strich. Premier Orbán selbst sprach in Zusammenhang mit den von „Norway Grants“ unterstützten NGOs von „bezahlten politischen Aktivisten“, die von „ausländischen Interessengruppen“ unterstützt würden, um seine Regierung zu diskreditieren. Deshalb entschied die Regierung, selbst über die Verteilung der Gelder der „Norway Grants“ zu disponieren, worauf Norwegen kurzerhand den Geldhahn zudrehte.
„Irritierende“ Beweise
Anfang September kam es durch Polizisten und Beamte des „Nationalen Ermittlungsbüros“, NNI, schließlich zur Stürmung der Büroräume von Ökotárs. Dabei wurden Räume durchsucht, Unterlagen sichergestellt, Computer beschlagnahmt und die Direktorin von Ökotárs zu einer Durchsuchung ihrer Privatwohnung abgeführt.
Wie Index nun berichtete, war das Pressegespräch mit ranghohen Beamten der KEHI „irritierend“. Diese hätten den Pressevertretern beschlagnahmte Briefe und schriftliche Aufzeichnen vorgelegt, mit denen KEHI offenbar beweisen will, dass die Stiftung Ökotárs sich der Veruntreuung, des Betrugs, der Dokumentenfälschung und rechtswidriger Finanzaktivitäten schuldig gemacht hat.
Allerdings: Laut Index sind von der KEHI Passagen des Briefverkehrs der inkriminierten Stiftung einfach aus dem Kontext gerissen worden. Der gesamten Beweisführung sei abzulesen, dass die KEHI den „Erwartungen der Regierung“ gerecht werden wollte. Index spricht sogar von einem „Schauprozess“ gegen Ökotárs.
In die gleiche Kerbe wie Index schlugen auch mehrere Umweltschutzorganisationen, die sich am Dienstag in einem offenen Brief an die Regierung wandten, darunter die bekannte Öko-Gruppe Védegylet. In dem Brief wird die Regierung aufgerufen, die „antidemokratische” und an einen „Schauprozess” erinnernde Vorgehensweise der KEHI sofort einzustellen.