Als Musiker, Komponist und Produzent hat sich Leslie Mandoki international einen Namen gemacht. Obwohl in Budapest geboren und überall in der Welt zu Hause, ist Mandokis Lebensmittelpunkt seit fast 40 Jahren Deutschland. Hier engagiert er sich nicht nur musikalisch, sondern auch politisch. Immer wieder wird Mandoki gebeten, sich in Talkshows und auf Politveranstaltungen über seine ungarische Heimat zu äußern. Im Deutschen Wirtschaftsclub Budapest (DWC), dessen Ehrenmitglied er seit dem vergangenen Jahr ist, teilte Mandoki am vergangenen Mittwoch ein paar „unangepasste Gedanken“.
Ein Mann wie Leslie Mandoki (geboren László Mándoki) zieht alle Blicke auf sich, wenn er Veranstaltungen wie die des DWCs betritt, bei der sonst eher gesetzte Herren im Anzug und Damen im Kostüm dominieren. An der langen Mähne, dem Schnauzbart und der Lederjacke erkennt man ihn zweifelsfrei als Rocker der alten Schule und sobald er in seiner typisch nonchalanten Art zu erzählen beginnt, weiß man: Das ist kein Mann, der sich von Konventionen beschränken lässt. Doch noch beeindruckender als seine stattliche Erscheinung ist Mandokis Lebenslauf, der streckenweise dem Skript eines Hollywoodkassenschlagers ähnelt: Geboren nur drei Jahre vor der blutigen ´56-er Revolution in Ungarn, gehörte er Anfang der Siebziger der studentischen Opposition des Landes an. Er musste Verhaftungen und politische Verfolgung durch das kommunistische Regime über sich ergehen lassen und sich der Anklage auf „Anstiftung zum Aufstand gegen die Staatsgewalt mit künstlerischen Mitteln“ stellen. 1975 floh der 22-Jährige schließlich über den Eisernen Vorhang und fand politisches Asyl in Deutschland.
Mandoki ließ sich in seinem Vortrag den Wortlaut der Anklage auf der Zunge zergehen, denn diese gehöre für ihn nach seinen Grammys zu einer der größten Auszeichnungen in seinem Leben, denn sie beweist: Er war da und ist gegen das System aufgestanden. Als Held würde sich Mandoki jedoch nie bezeichnen: „Ich habe einfach getan, was ein Künstler zu tun hat und das Freidenkerdasein, das uns das Publikum schenkt, dafür genutzt, Unbequemes zu sagen.“ Von diesem Anspruch hat sich Mandoki auch vergangene Woche Mittwoch im DWC leiten lassen, als er in seinem Vortrag neben Anekdoten aus seiner Vergangenheit auch Gedanken zur Geschichte Ungarns und Deutschlands, aber auch zu aktuellen politischen Themen und der gemeinsamen europäischen Zukunft äußerte.
Die ungarische Seele ist so schrecklich undeutsch
Über die Gemütsunterschiede zwischen Deutschen und Ungarn weiß Mandoki, der zwar in Ungarn geboren wurde, aber in Deutschland den größten Teil seines Erwachsenenlebens verbrachte, viel zu berichten. Ungarn sei eine sehr verletzliche und verletzte Nation, die kaum Rationalität im Herzen trage, dafür aber umso mehr Emotionen. Ganz anders als die präzisen und durchorganisierten Deutschen. Dazu erzählt Mandoki eine Anekdote, die für ihn besonders einschneidend war: „Nachdem wir geflohen sind, stand ich mit meinen Freunden in München an der Straßenbahnstation. Da gab es einen Fahrplan, und das Verblüffende war, die Straßenbahn kam auch noch nach diesem Fahrplan. Da haben wir unsere Eltern angerufen und sie beruhigt, denn wir waren im Paradies angekommen.“ Dass solche Unterschiede zwischen den beiden Nationen erkannt werden, sei laut Mandoki enorm wichtig, denn wer versucht, Brücken zu bauen zwischen Ungarn und Deutschland, der baue Brücken zwischen einer Nation voller Emotion und Leidenschaft und einer gemütsmäßig völlig gegensätzlichen Nation der Philosophen und Ingenieure.
„Mehr Verständnis für Ungarn“
Ein Beispiel dafür seien auch die Unterschiede im Demokratieverständnis beider Länder. Wer diese verstehen möchte, erinnerte Mandoki in seinem Vortrag, dürfe aber auch nicht vergessen, dass Ungarns Demokratie, die im Vergleich zur BRD kaum 25 Jahre währt, noch in den Kinderschuhen stecke. „Erinnern Sie sich mal wie es in der BRD aussah 25 Jahre nach dem Fall der Diktatur. Wasserwerfer gehörten zum Straßenbild, die RAF mordete und Demonstrationen waren an der Tagesordnung“, so Mandoki. Die BRD habe sich damals erst finden müssen, und genau dies würde heute auch in Ungarn geschehen. Auch dürfe man nicht vergessen, ermahnt Mandoki, dass der Systemwechsel im Empfinden der meisten Ungarn 1990 gar nicht wirklich stattgefunden habe. Zwar habe man freie Wahlen gehabt, aber genau dieselben Menschen hätten noch die Macht in den Händen gehalten wie vor dem Systemwechsel, so Mandoki.
Dies habe sich erst seit der Regierungszeit des Fidesz zu ändern begonnen. In Anbetracht dessen habe die jetzige Regierung sich äußerst gut geschlagen, resümiert Mandoki. In seinem Urteil verlässt sich der Musiker jedoch nicht auf die ungarischen Medien, die er nach eigenen Angaben gegenüber der Budapester Zeitung nicht verfolge, sondern auf die Eindrücke, die er sammelt, wenn er seine Heimat besucht und auf Informationen aus erster Hand. Denn Mandoki steht im Kontakt zu vielen Größen der ungarischen Politik, was auch die Gelegenheit einschließe, Viktor Orbán beim Frühstück persönlich zur aktuellen Agenda der Regierung zu befragen. Doch Mandoki gibt zu, dass auch die jetzige Regierung nicht frei von Fehlern sei. Auf Nachfrage der Budapester Zeitung erläutert er, was er damit meint:
„Ungarn hat ein Kommunikationsproblem“
Das hauptsächliche Problem der jetzigen Regierung sähe Mandoki in einer ungenügenden Vermittlung und Vermarktung der eigenen Erfolge. Dies gelte sowohl gegenüber den eigenen Bürgern als auch dem Ausland. Besonders im Ausland machte Ungarn seit Regierungsantritt des Fidesz häufig Negativschlagzeilen. Einen Lösungsansatz für Länder, die wie Ungarn unter medialem Druck stehen, bietet Mandoki jedoch auch an. So solle man die Expats, die im Land leben, mehr einbeziehen: „Sie leben hier und haben sehr viel empirisches Wissen gesammelt über dieses Land. Erzählen Sie zu Hause in Deutschland, wie es hier wirklich ist.“
In diesem Zusammenhang kritisiert Mandoki die seiner Ansicht nach einseitige Berichterstattung in den deutschen Medien. Die Ursache dafür sieht er in einer unzureichenden Informiertheit, die wiederum auf die anhaltende Rationalisierung im Journalismus zurückzuführen sei. „Wissen Sie, wie viele Journalisten die großen deutschen Tageszeitungen noch in Ungarn stationiert haben? Null.“ Dadurch konzentriere sich nach Meinung Mandokis die Deutungshoheit über das Geschehen in Ungarn in den Händen weniger. Er fährt fort, dass die Meinung zu Ungarn in den Medien heute maßgeblich von ungefähr sieben bis acht ungarischen Intellektuellen beeinflusst würde, die wie Mandoki findet, „nur weil das ungarische Volk nicht so wählt, wie sie es gerne hätten – sprich links – jetzt ganz schlimme Dinge in der deutschen Presse erzählen.“ Dies ist ein Vorwurf, der auch von Seiten der ungarischen Regierung häufig formuliert wurde.
Gefahren für unsere Wertegemeinschaft
Mandoki nutzte den Abend jedoch nicht nur, um sich über ungarische Politik zu äußern, sondern nahm auch die deutsche Politik ins Visier – immer aus der bescheidenen Perspektive des Künstlers, oder wie er es wiederholt scherzhaft sagte, „ich bin nur ein dummer Musiker, aber…“. Jedoch ist Mandoki politisch gesehen kein unbeschriebenes Blatt: Bei der bayerischen Landtagswahl 2013 kandidierte er für die CSU. Auch wenn laut Mandoki in Bezug auf viele Bereiche der Politik in Deutschland bereits „paradiesische Zustände“ herrschten, wie er in Anlehnung an den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer sagte, prangerte der Musiker doch einige aktuelle Probleme in Deutschland an.
So warnte er, dass unsere Gesellschaft, die auf einer gemeinsamen Wertegemeinschaft beruhe, noch nie so gefährdet gewesen sei wie heute. Als größte Bedrohung sähe er hier die Liberalisierung der Finanzmärkte, die es erlauben, auf fallende Kurse zu spekulieren. „Bei diesen Wetten auf Niedergang entstehen Milliarden, ohne dass irgendeine gesellschaftlich positive Bewegung erzeugt wird. Es gibt nichts Unchristlicheres und Unsozialeres.“ Mandoki fügte weiter hinzu: „Wir befinden uns in einem Kulturkampf zwischen den Werten der sozialen Marktwirtschaft und der Zockerindustrie.“ Eine Fehlentwicklung, die die Politik korrigieren müsse.
Korrekturbedarf sieht Madoki auch auf dem Gebiet der Einwanderung, die wie er sagt unser westliches Wertesystem bedrohe. „Ich möchte keine homophoben, rassistischen oder frauenfeindlichen Einwanderer“, so Mandoki, der bei diesem Thema „Keine Toleranz für Intoleranz“ fordert. Die Einwanderungspolitik müsse daher so gesteuert werden, dass „unser Wertesystem ohne Wenn und Aber erhalten bleibt.“
Als weiteres Problem von internationaler Tragweite sieht Mandoki die Arroganz der heutigen Politikelite: „Vor 30 Jahren war es für Politiker eine Selbstverständlichkeit, die Diktatoren im Osten zu besuchen und Erleichterungen für die Menschen, die dort lebten, auszuhandeln. Die heutige Politikergeneration ist unfassbar stolz, genau dann nicht mit Putin zu reden, wenn am meisten mit ihm geredet werden müsste.“ Mandoki plädiert dafür, im Umgang mit der Ukraine-Krise von weiteren Provokationen Abstand zu nehmen und stattdessen auf Verhandlung und Kommunikation zu setzen.
Insgesamt war Mandokis Vortrag, wie er selbst, äußerst politisch. Wer erwartet hat, dass der gestandene Musiker nur Erzählungen von „Sex, Drugs and Rock ´n´ Roll“ zum Besten geben würde, musste sich auf ein Gespräch am Buffet vertrösten. Mandoki steht zu seinen Werten. Dies lässt ihn glaubwürdig wirken, wenn er sagt, „ich wäre der Erste, der gegen Orbán aufstehen würden, wenn es etwas zu bemängeln gebe.“ Das eine oder andere Mal wünscht man ihm dennoch, den allgegenwärtigen Vorwürfen gegen die Regierung Orbán etwas einfühlsamer zu begegnen. Manche mögen ihre Berechtigung haben.
Ein vielseitiger Musiker
Seit vielen Jahren arbeitet Leslie Mandoki mit allen wichtigen Firmen der Platten-und Filmindustrie sowie Weltstars wie Phil Collins, Lionel Richie und Udo Lindenberg zusammen. In den 1980er Jahren erlangte er als Sänger der Gruppe Dschinghis Khan („Moskau“) internationale Berühmtheit. Doch seine ursprüngliche künstlerische Vision sieht er in seinem Musikprojekt Man Doki Soulmates – eine Zusammenarbeit mit zahlreichen Jazz- und Rockikonen – verwirklicht. Bereits zehn Alben gibt es vom Soulmates Projekt. Des Weiteren ist Mandoki Pionier auf dem Gebiet des Branded Entertainment und arbeitet seit Jahren mit internationalen Top-Unternehmen von Allianz über SIXT bis Segmüller zusammen. Seit 10 Jahren ist er Musical Director des Volkswagen-Konzerns. Bei den Bundestagswahlen 2013 komponierte er das Wahlkampflied „An jedem neuen Tag” der CDU. Auch mit dem FC Bayern kooperiert Mandoki, übernahm die Neu-Gestaltung der Stadion-Musik und produzierte das Album „Songs von Fans für Fans“.
Katrin Holtz
Mehr Verständnis für Deutschland
– So solle man die Expats, die im Land leben, mehr einbeziehen: „Sie leben hier und haben sehr viel empirisches Wissen gesammelt über dieses Land. Erzählen Sie zu Hause in Deutschland, wie es hier wirklich ist.“ –
Sehr geehrter Herr Mandoki,
ich habe fast 6 Jahre lang in Ungarn gelebt und gearbeitet, eine neue Sprache erworben. In Deutschland werde ich nur sehr selten nach meine Meinung über die Entwicklung in Ungarn gefragt. Wenn doch, sind die Deutschen irritiert, weil sie meine Ausführungen nicht erwartet haben. Man will, dass ich in das gleiche laute Horn der deutschen Medien blase, zum Angriff auf die rechte Regierung. Dabei stellte sich in fast allen Fällen heraus, dass über Ungarn und seine jüngere Vergangenheit keinerlei Kenntnisse vorliegen. Gyurcsánys Lügenrede, sein Wahlbetrug, die Ursachen der Staatsverschuldung und somit die Ursachen für den Rechtsruck, die tragischen österreichischen Devisenkredite, die tausende Familien in den Abgrund stürzten: alles Fakten, die unbekannt sind, ebenso unbekannt wie die Tatsache, dass Orbán von 1998 bis 2002 Ministerpräsident war. Es wäre nicht so traurig, gäbe es nicht gleichzeitig jene Arroganz, die sich erhebt und jegliche Aufnahme an Informationen verweigert. Es reicht schon aus, nicht 100% den links-liberalen Mainstream zu vertreten, unparteiisch zu sein, abzuwägen, schon sind sie in einer Endlosschleife einer unsinnigen Diskussion. Zu Korrekturen oder Hinweisen, die ich schon mal dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu deutschen Beiträgen gesandt habe, gab es noch nie Reaktionen. Ich meine: Auch eine Versachlichung der Diskussion um Ungarn könnte dazu beitragen, eine dringend benötigte starke Opposition in Ungarn zu stärken. Man kann heute eher den Eindruck haben, dass hier etwas missbraucht wird.
Grundsätzlich ist auffallend, wie wenig Deutsche – und wohl auch Österreicher – in der Lage sind, sich in andere Lebensbedingungen einzufühlen und Ursachen für Fehlentwicklungen zu benennen. Es erklärt mir auch gleichzeitig das weitläufige Scheitern der Intergrationsbemühungen von Ausländern in Deutschland.
Eine Nation der Philosophen ist Deutschland im Jahr 2014 eher nicht, Herr Mandoki. Der Ingenieure schon. Das sind die Ungarn jedoch auch – wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Mit Pauschalisierungen sollten wir vorsichtig sein.
Schönes Wochenende!
Ich bin kein Bankenfreund und möchte aber draufhinweisen, dass die Kreditverträge von erwachsenen Menschen freiwillig unterschrieben worden sind und niemand dazu gezwungen wurde..! “ Tragisch“ nennen kann man dies auch von dieser Warte aus.
„Wissen Sie, wie viele Journalisten die großen deutschen Tageszeitungen noch in Ungarn stationiert haben? Null.“
Und die, die von Wien aus über Osteuropa berichten sind auch Nullen !!
Wir sehr gekaufte Journalisten immer den gleichen Brei verbreiten,
kann man am Beispiel Ungarns nachvollziehen.
Früher wurde gegen Amerika gewettert. Heute ist die sog. Linke in der EU
Obamas Schosshündchen, dieser selber jedoch fast machtlos.
Es lebe der Pluralismus in Europa !!
Ein aktuelles Beispiel für das Mediendiktat in Westen:
https://hungarianvoice.wordpress.com/2014/11/11/only-bad-news-sell-new-york-times-zensiert-imre-kertesz/