Für Westeuropäer ist es oft gar nicht so einfach, die ungarische Geschichte und gegenwärtige Politik und insbesondere die Verquickung beider miteinander nachzuvollziehen. Beim ersten „Talk in der Burg“ – einer vom Gesandten Klaus Riedel initiierten neuen Veranstaltungsreihe – ging es genau um dieses Thema.
Beim „Talk in der Burg“ sollen regelmäßig Vertreter aus Wirtschaft, Kultur und Diplomatie gemeinsam mit dem Publikum auf eine Entdeckungsreise durch ungarische Gegenwartsprobleme gehen. Ziel ist es, nicht zuletzt im offenen Gespräch mit dem Gastreferenten ein besseres Verständnis für Ungarn zu bekommen. Gast der Auftaktveranstaltung dieser neuen Reihe war der ungarische Politologe Zoltán Kiszelly. Unter dem Titel „Ungarn (besser) verstehen – Zurück in die Zukunft“ hielt er einen mit einer Fülle an provokativen Thesen gespickten Vortrag. Moderiert wurde der erste Abend von Jan Mainka, dem Chefredakteur und Herausgeber der Budapester Zeitung.
Links ist rechts und rechts ist links
„Wer die aktuelle Situation des Landes verstehen möchte, muss einen Blick in die Geschichte Ungarns wagen“, so Kiszelly zu Beginn seines Vortrags. Darin versuchte er die aktuelle Politik seines Landes vor dem Hintergrund der Geschichte zu beleuchten und zu erklären, so etwa Ungarns derzeit besonders ausgeprägtes Lavieren zwischen den Blöcken. Generell sei Ungarn aber auch schon immer auf das Kapital, die Märkte und das Knowhow aus dem Westen angewiesen gewesen. Aus den Kriegen seien die Ungarn stets als Verlierer hervorgegangen. „Trianon tut uns Ungarn immer noch weh“, so Kiszelly.
Die Bevölkerung sei nach der letzten Wohlstandsperiode vor 30 Jahren inzwischen in eine Ostalgie verfallen. Eine Sehnsucht nach Wohlstand und Stabilität habe sich breit gemacht. Trotz der EU-Mitgliedschaft habe die Bevölkerung nicht das Gefühl, dass es eine spürbare Annäherung an das westliche Lebensniveau gegeben habe. In einer Demokratie ohne Wohlstand habe es Premier Viktor Orbán mit seiner Partei geschafft, die Ungarn von sich zu überzeugen und die Opposition in Schach zu halten. „Die Regierung will keine unpopulären Maßnahmen“, erklärte Kiszelly.
Aber auch die schwache Opposition ist eine Ursache für die Wahlerfolge des Fidesz. Deren chronische Misserfolgssträhne hat zum Teil damit etwas zu tun, dass die linken Parteien zwar ideologisch links stehen, wirtschaftlich aber eher rechts verortet seien, erklärte der Politologe anhand eines übersichtlichen Diagramms. Der Fidesz hingegen sei zwar ideologisch rechts angesiedelt, verfolge aber eine eher linke Wirtschaftspolitik, die etwa auf einen starken, paternalistischen Staat setze. „Deshalb habe er gerade bei unentschlossenen Wählern einen großen Zulauf“, folgerte Kiszelly. Zum anderen sei die Opposition strukturell desorganisiert und schaffe es nicht, ihre Wählerschaft zu mobilisieren. „Das muss die Opposition noch lernen“, stellte Kiszelly nüchtern fest.
„Die Wähler befinden sich in Ungarn und nicht im Westen.“
In der anschließenden Fragerunde des Moderators ging es unter anderem um einige Widersprüche der ungarischen Gegenwartpolitik. So etwa um den rücksichtslosen und wenig feinfühligen Kommunikationsstil der Regierung auf der einen und deren Empfindlichkeit gegenüber Kritik aus dem Ausland auf der anderen Seite. „Innenpolitik ist für die Regierung am wichtigsten“, bemerkte Kiszelly dazu. Schließlich befänden sich die Wähler in Ungarn und nicht im Westen. Konkret angesprochen auf das Besetzungsdenkmal, das sich für die Regierung schrittweise zu einem veritablen Kommunikationsdesaster entwickelt habe, vertrat der Politologe die Auffassung, dieses sei der Opposition im Superwahljahr ganz bewusst als eine Art Gummiknochen vorgeworfen worden, um sie von der Beschäftigung mit substanzielleren Themen abzuhalten. Zur Sprache kam weiterhin das nebulöse Reklamegesetz, aber auch die Unfähigkeit der linken und liberalen Opposition, insbesondere bei Wahlen einheitlich aufzutreten.
„Nach der – gemessen an der Teilnehmerzahl, aber auch der Lebhaftigkeit der abschließenden Diskussionsrunde – erfolgreichen Auftaktveranstaltung wird es weitere „Talks auf der Burg“ geben“, ist sich Klaus Riedel sicher. Sich in angenehmer Atmosphäre offen auszutauschen und Verständnis für andere Standpunkte zu entwickeln, sei ihm und der Botschaft ein wichtiges Anliegen.
Dem Gesandten, Herrn Riedel ist vor allem dafür zu danken, dass er mit seiner Initiative die Mauer durchbrochen hat, die da war „Man spricht übr Ungarn, aber nicht mit den Ungarn“.
Ich organisiere in Deutschland auf eigene und private Initiative Gesprächsrunden, in denen ich die Beziehung der ausserordentlichen Geschichte Ungarns zur Gegenwartspolitik verdeutlichen will. Ich stelle in vielen Fällen eine erschreckende Unkenntnis über Ungarn fest. Selbst bei sog. gebildeten Menschen wird Ungarn vielfach auf Puszta und „Ich denke oft an Piroska“ reduziert. Hier gibt es noch viel zu tun, aber da muss auch die ungarische Regierung durch eine verbesserte Kopmmunikationspolitik ihren Beitrag leisten.
Hallo Andras,
ich teile Ihre Meinung. Vor langen Jahren, als ich aus Ungarn nach Deutschland kam, war meine damalige Kollegin überrascht, mit den Worten: „Hach, Sie sehen doch genau so aus, wie eine Deutsche“. Meine Antwort folgte dementsprechend.
Der Grund, dass ich Sie mit meinen Zeilen aufsuche ist, dass ich mich freuen würde, Sie auf meinem Portal mit Ihren Beiträgen und/oder Filmmaterial begrüßen zu dürfen.
Dieserhalb habe ich gestern, auch den hervorragenden Journalisten,
Herrn Zoltan Kiszelly, auf gleicher Stelle kontaktiert.
Meine Website ist neu, seit d. 08.September’15 ans Netz gegangen. Wir könnten, auch mit Ihnen gemeinsam gestalten:
http://www.portal-aktuell.com
EMail info@portal-aktuell.com
Auf Facebook, Twitter, Google+ finden Sie Portal Aktuell auch, vor allem, bei Diskussionen:
‚Deutsche Wirtschafts Nachrichten‘.
Herzlichst,
Alinka Anna
Die letzen positiven Nachrichten aus Ungarn stammen aus den Jahren 1988/1989 anläßlich der Grenzöffnung. Seitdem erscheint Ungarn leider nur noch in der Presse, wenn es um negative Schlagzeilen geht. Wenn man darüber mit den Ungarn reden will, wird dies gerne als Einmischung angesehen.
Danke, Zoltán Kiszelly für diesen hervorragenden Artikel.
Alles auf den Punkt getroffen.
Würden Sie mit uns zusammen arbeiten?
Seit d. 08.September’15 sind wir Online http://www.portal-aktuell.com
E-Mail: info@portal-aktuell.com
Unser deutsch/schweizer/österreiches Publikum würde sich für Ihre Artikel sehr interessieren.
Sie könnten bei uns fortlaufend veröffentlichen.
Unser Portal ist 3-sprachig: Deutsch, English, Russian.
Magyar nyel ezen napokban fog csatlakozni es örülnenk, hogyha cikkeit magyar nyelven/avagy magyarul is prezentalna a Portalunkon.
Üdvözlettel,
Alinka Anna Portal Aktuell