Der Name Zsidai wird in der Budapester Gastronomie-Szene schon beinahe mit Ehrfurcht ausgesprochen, denn was das Mehrgenerationen-Unternehmen anfasst, wird zu Gold, so scheint es. Drei rentable Restaurants, ein Hotel und zwei Biergärten auf Budaer Seite – drei boomende Bistro-Bars auf Pester Seite. Doch hinter diesem fast mythischen Erfolg stehen zum einen knallhartes unternehmerisches Engagement und zum anderen eine Unternehmensphilosophie, die von der Liebe zur Stadt und dem Glauben an höchste Qualität lebt. Mit der Budapester Zeitung sprach Zoltán Roy Zsidai über die Mission, die seine Familie sich gesetzt hat, und das gastronomische Potenzial der Stadt.
Die Geschichte des Familienunternehmens Zsidai begann in der Fortuna utca. Eine Adresse, die den Zsidais nicht nur Glück, sondern auch Erfolg brachte. Denn im Jahre 1982 eröffneten Zoltán Roy Zsidais Eltern hier mit dem Pierrot das erste private Restaurant und Kaffeehaus seit der Machtübernahme durch die Kommunisten. Bis heute überzeugt das Pierrot mit seiner Mischung aus modernem Ambiente und einem Spritzer K.u.K.-Charme. Mit dem Einstieg des Sohns begann die Expansion: 2008 kam das Restaurant 21 und 2010 das PestBuda in der Fortuna utca hinzu. Besonders aktiv waren die Zsidais jedoch in den letzten zwei Jahren. In kurzem zeitlichen Abstand eröffneten sie das Spíler, das És Bisztro, das Baltazár Hotel, das Spíler Shanghai, die PestBuda Terrace und zuletzt den Spíler Biergarten.
Als wir den Mann treffen, der die treibende Kraft hinter diesem Wachstum ist, sind wir positiv überrascht, denn anstatt eines angegrauten Businessmann mit Halbglatze und über dem Bauch spannenden Jackett, erwartet uns mit Zoltán Roy Zsidai ein junger, modisch gekleideter Mann vom Typus Kai Diekmann – hip, erfolgreich, selbstbewusst. Wie er uns erzählt, hat er längere Zeit in den USA, insbesondere in Miami, South Beach und New York, verbracht, wo er nicht nur studiert und in verschiedenen Hotels gearbeitet hat, sondern auch die neuesten Restaurant- und Hoteltrends aufspürte. Diese brachte er mit nach Budapest.
Budapest – ein hartes Pflaster
Doch im Gegensatz zu Miami und vielen anderen Teilen gerade Westeuropas fällt die Kaufkraft in Budapest wesentlich geringer aus, sowohl auf Seite des lokalen Publikums als auch des hiesigen Touristenklientels. Das macht Budapest zu einem harten Pflaster: „Wir verkaufen unsere Produkte hier mit einem Verlust von 50 bis 70 Prozent im Vergleich zum westlichen Preisniveau.“, erzählt Zsidai und fügt hinzu: „Außerdem haben wir eine Mehrwertssteuer von 27 Prozent. Andere touristisch orientierte Länder dagegen nur fünf bis zehn Prozent.“ Die niedrigeren Personalkosten, von denen sich so viele Unternehmen nach Ungarn gezogen fühlen, würden dies nur zum Teil wettmachen, so Zsidai, denn auch hier entfielen viele Extrasteuern.
Zu diesen Erschwernissen käme hinzu, dass die Preise für Energie und Immobilien hier nicht viel günstiger seien als beispielsweise in Berlin. Auch seien Verwaltung, Steuersystem und behördliche Vorgänge in Ungarn unnötig komplizierter, so Zsidais Einschätzung.
Profitabel durch Innovation und Effizienz
Um auf einem Markt wie dem ungarischen rentabel zu bleiben, zählt vor allem eins, so Zsidai: Effizienz. „Aufgrund der schwierigen Marktlage müssen wir viel effizienter arbeiten als ein Restaurant in Frankreich.“ Wie wichtig diese Arbeitsweise ist, hat Zsidai in den Vereinigten Staaten erfahren. Dort liege das Preisniveau auch niedrig und die Profitabilität sei nur durch effizientere Arbeitsabläufe und eine kostensparende Produktion möglich. Für Zsidai fängt das bei der Planung der Personaldecke an: „Wenn ich nur einen Angestellten zu viel habe, ist die Profitabilität dahin, gleichzeitig muss ich aber so planen, dass ich auch 80 Gästen zur Mittagszeit denselben Service und eine Qualität bieten kann, als ob es nur 15 wären.“ Ein schwieriger Balanceakt, der vor allem ständige Kontrolle und Kenntnis der Prozesse voraussetzt. „Die Arbeitsabläufe unserer Angestellten sind optimiert – wofür manche fünf Mal laufen, erledigen sie in einem Gang. Dadurch können wenige möglichst viel Arbeit leisten.“, erklärt Zsidai seine Strategie. Auch die Optimierung der Menüs und des Wareneinkaufs sind ein wichtiger Faktor: „Wir müssen so planen, dass möglichst wenige unserer Waren weggeworfen werden. Dafür müssen wir ständig Angebot und Nachfrage miteinander abgleichen und brauchen eine gute Lagerhaltung“, erklärt Zsidai.
Aber auch auf technische Innovation zu setzen sei wichtig. Deshalb hat die Familie Zsidai in all ihren Restaurants in hochwertige Technik investiert: „Wir benutzen nur noch deutsche Induktionsöfen. Die Anschaffung ist zwar wesentlich teurer als ein gleichwertiger italienischer Gasofen, aber der Energieverbrauch zielgerichteter und damit sparsamer. Langfristig zahlt sich das aus.“ Am Ende seien es viele kleine Dinge, so Zsidai, die seine Lokale effizient und profitabel machen. „Es ist ganz wichtig, nicht an der falschen Stelle zu sparen.“
Ein Unternehmen – eine Mission
Auf die Frage, warum er trotz der Schwierigkeiten, die der ungarische Markt bereithält, unvermindert in Budapest investiere, strahlt Zsidai. Denn für ihn und seine Familie ist das Engagement in Budapest Berufung. Ihr Ziel: Die ungarische Küche und Gastfreundschaft soll wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen. Es soll wieder das Weltrenommee erreicht werden, den sie noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte, als Károly Gundel sein berühmtes Restaurant eröffnete. Mit Innovation und Kreativität wolle die Zsidai Familie Ungarn in diesem Bereich wieder an die internationale Spitze bringen.
Ein weiteres Ziel, dass die Zsidais schon lange verfolgen, sei die Rückeroberung des Burgviertels: „Seit den Sechzigern hatte sich das Viertel zu einer reinen Touristenattraktion verwandelt. Ein Ort, den man als normaler Bürger meidet“, beginnt Zsidai, das Familienanliegen zu erläutern. Mit ihren Lokalen, die sowohl in ihrer Atmosphäre, als auch in ihrem Preisniveau sehr vielfältig seien, will Zsidai, so sagt er, „aus dem Burgviertel wieder einen normalen Ort machen, wo Budapester spazieren, den Tag genießen und eben auch mal ein Bier trinken können.” Das könne dann in einem Fine-Dining-Restaurant wie dem Pierrot geschehen oder eben auch in einem günstigeren Lokal wie dem Spíler Biergarten, der erst im August dieses Jahres eröffnet hat.
Budapest – ein Markt mit viel Potential
Der Spíler Biergarten ist die Fortsetzung der Erfolgsgeschichte, die Zsidai im Pester Gozsdu udvár mit dem Spíler Bistropub und dem Spíler Shanghai begann. Dort sind die beiden Lokale integraler Bestandteil des Nachtlebens, unmittelbar am Puls der Zeit im sich ständig entwickelnden Jüdischen Viertel Budapests. Wie rasant diese Entwicklung ist, kann Zsidai bezeugen: „Was in anderen Großstädten Europas 20 Jahre gebraucht hätte, ist hier in nur drei bis fünf Jahren passiert.“ Damit meint er die Entwicklung des ehemals unscheinbaren Wohnbezirks mit einer Handvoll Bars zu Budapests lebendigstem Partyviertel. Hier fände sich heute eine Dichte an Gastronomiebetrieben, die sonst nur mit dem Burgviertel zu vergleichen sei. In dem Viertel, das sich vom Großen bis zum Kleinen Ring und von der Andrássy bis zur Ráckoczi út erstreckt, sollen sich laut Zsidai schon 280 Lokale angesiedelt haben.
Eine Entwicklung, die auch dem boomenden Tourismus zu verdanken ist. Doch auf diesem Gebiet zeigt sich Zsidai noch nicht zufrieden: „Budapest könnte viel mehr Tourismus haben. Wir könnten unter den Top Zehn, wenn nicht sogar den Top Fünf der Tourismusstädte Europas liegen.“ Als besonders ärgerlich empfindet Zsidai, dass Prag, mit einer Innenstadtfläche, die in etwa der des Burgviertels entspricht, jährlich doppelt so viele Gäste anzieht wie eine Stadt wie Budapest, die in seinen Augen, doch so viel mehr zu bieten hat – erst recht mit Blick auf die Fläche. Die Gründe für die widersprüchliche Situation sieht Zsidai in der unzureichenden touristischen Vermarktung der Stadt. „20 Jahre hat Budapest hier nichts gemacht. Dass wir heute so hot und gehypet sind, ist allein dem Ehrgeiz lokaler Unternehmer zu verdanken.“
Um die Situation zu verbessern, so fordert Zsidai, müssten die Regierung und auch die Stadtverwaltung viel mehr investieren. Besonders das Destinationsmarketing sei hier wichtig, also die professionelle Vermarktung der Stadt und all ihrer verschiedenen Zentren wie dem Burgviertel, der Ruinenkneipen-Szene, dem Universitäts-Bálna-Viertel, Újlipótváros oder dem Millenárisviertel. Das bedeutet auch die Stärkung eines Stadtimages. Besonders in Deutschland und der Türkei sieht Zsidai in den letzten Jahren starke Vorbilder für ein gutes Destinationsmarketing. Nicht zuletzt liege es aber auch an den Regierenden, bessere Infrastrukturen für Tourismus zu schaffen. „Man muss erreichen, dass es neben Billigflügen auch mehr normale Flüge nach Budapest gibt.“ Wenn diese Voraussetzungen geschaffen würden, könne sich Zsidai ohne ein weiteres Wachstum von gigantischen 300 bis 400 Prozent für die Budapester Gastroindustrie vorstellen.
Das Gespräch fand in der Grill- und Weinbar Baltazár statt.
schöner Artikel und absolut zutreffend….man stelle sich vor dieser Herr würde die Geschicke Ungarns bestimmen…es wäre ein Segen für das Land…