Pressebilder öffnen uns die Augen für die Welt, in der wir leben. Sie sprechen zu uns, manchmal sogar mehr noch als das geschriebene Wort. In Zeitungen und Magazinen erleichtern sie den Einstieg in Artikel, und vor allem dann springen sie uns ins Auge, wenn sie uns emotional berühren, durch ihre Ästhetik überzeugen und uns überraschen. Fotos, die diesen Ansprüchen genügen, bleiben im Gedächtnis. Genau dies wollen Pressefotografen erreichen, wenn sie rund um die Welt unter teils bedrohlichen Bedingungen die Augenblicke der Weltgeschichte festhalten. 143 der besten Pressefotografien des vergangenen Jahres werden derzeit im Rahmen der World Press Photo Ausstellung in Budapest ausgestellt.
Die große Halle des Ethnographischen Museums, einem Gründerzeitbau gegenüber dem Parlament, zieht durch seine erhabene Pracht und Schönheit die Augen aller Besucher auf sich. Seit dem 27. September scheint dieser Effekt jedoch verpufft, denn statt an die majestätische Decke heften sich die Blicke der Besucher wie gebannt auf die über 140 an Stellwänden angebrachten Fotografien. Die Augen zum Teil vor Schock, vor Rührung und manchmal auch vor Freude geweitet, verharren einige Besucher teils minutenlang vor einzelnen Bildern – so ausdrucksstark und bis ins Mark erschütternd sind viele der Darstellungen.
Bilder, die berühren
Sie zeigen Szenen von Armut, Naturkatastrophen, Krieg und Liebe – fast das ganze Spektrum des menschlichen Daseins wird hier abgebildet. Es gibt Bilder, an die die Besucher wohl noch Tage später erschauernd zurückdenken werden. Beispielsweise die Fotografie „Final Embrace“ (Letzte Umarmung), das nach dem Einsturz eines Fabrikgebäudes in Bangladesch, der 1.100 Menschen das Leben kostete, um die Welt ging. Es zeigt einen Mann und eine Frau, die in fester Umarmung unter den Trümmern verschüttet wurden und den Tod fanden. Aus dem Augenwinkel des Mannes fließt eine letzte blutige Träne. Dieses Bild und die bittersüßen Empfindungen, die es im Betrachter auslöst, lassen die Haare zu Berge stehen. Genau wie das Bild „Bomb maker in Aleppo“ (Bombenbauer in Aleppo): Was zunächst wie die Werkstatt eines Malers erscheint, der frische Farben für ein neues Gemälde mischt, stellt sich mit Blick auf die Bildunterschrift als Bombenbauer der syrischen Rebellen heraus. Bilder wie diese erinnern uns daran, welches Privileg es ist, einen Alltag in Frieden zu führen, der in Krisengebieten wie Syrien für viele nach wie vor undenkbar ist.
Ganz anders hingegen wirken die Bilder der Fotoserie „Bonobos – Our unknown cousins“ (Bonobos – Unsere unbekannten Vetter) des deutschen Fotojournalisten Christian Ziegler. In zwölf Bildern dokumentiert er das Zusammenleben dieser bisher kaum erforschten Primatenart, die neben den Schimpansen unsere nächsten lebenden Verwandten sind. Wer sich die Zeit nimmt und Augenkontakt mit den neugierig in die Kamera blickenden Bonobos sucht, wird schnell ihre Ähnlichkeit zu uns und die Menschlichkeit in ihrem Blick entdecken.
Fast 100.000 eingereichte Fotos
Zusammengestellt wurde die Ausstellung von der niederländischen Stiftung World Press Photo. Ihr mit 10.000 Euro dotierter Hauptpreis „Pressefoto des Jahres“ gehört zu den angesehensten und begehrtesten Auszeichnungen im Bereich Fotojournalismus. Neben dem Pressefoto des Jahres vergibt die 19-köpfige Jury je drei Preise in zehn verschiedenen Kategorien (Contemporary Issues, Observed Portraits, Staged Portraits, Daily Life, Action Sports, Feature Sports, General News, Spot News, Nature). Insgesamt 98.671 Fotos von 5.754 Fotografen aus 132 Ländern gingen in diesem Jahr bei World Press Photo in Amsterdam ein. 143 haben es in die Ausstellung geschafft.
Den Hauptpreis der Jury erhielt in diesem Jahr die Fotografie des US-Amerikaners John Stanmeyer. Das Bild mit dem Titel „Signal“ zeigt afrikanische Migranten an der Meeresküste von Djibouti City, der Hauptstatd Djiboutis, einer Republik in Ostafrika. Sie erheben ihr Mobiltelefon in den nächtlichen Himmel in der Hoffnung, Empfang im günstigeren Mobilfunknetz des Nachbarstaates Somalia zu erhaschen. Was zunächst an die berühmte „Nach-Hause-telefonieren“-Szene aus E.T. erinnert, zeigt eine alltägliche Szene aus dem Leben vieler Migranten, die aus Ländern wie Somalia, Äthiopien oder Eritrea stammen und auf der Suche nach einem besseren Leben in Europa oder dem Nahen Osten die kleine ostafrikanische Republik als Sprungbrett nutzen.
Mit einem Eintrittspreis von 2.100 Forint (umgerechnet rund 7 Euro) für ein Ticket ohne Ermäßigung liegt der Preis etwas höher, als an anderen europäischen Ausstellungsorten, die den Besuch der World Press Photo Ausstellung teilweise sogar kostenlos ermöglichten. Doch die Ausgabe lohnt, denn die World Press Photo-Exponate sind Bilder, über die die Welt spricht.
World Press Photo ‘14
27. September bis 27. Oktober
Néprajzi Múzeum – Ethnografisches Museum Budapest
Budapest V. Bezirk, Kossuth Lajos tér 12
Öffnungszeiten: Täglich zwischen 10 und 18 Uhr