In unserer Start-up-Serie portraitieren wir erfolgreiche ungarische Unternehmen, die entweder noch als Start-up gelten oder als mittlerweile gestandenes Unternehmen ihren Anfang als solches Jungunternehmen hatten. Diesmal geht es um die Software Indivizo des gleichnamigen Unternehmens, das Personalangestellten ihre Arbeit per Cloud-Technologie zu erleichtern sucht.
Für Personaler, die für die Auswahl neuer Kräfte verantwortlich sind, ist das Vorstellungsgespräch eine entscheidende Institution, die ihre Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten fundamental beeinflusst. Bis es aber zum persönlichen Treffen kommt, müssen eine ganze Reihe administrativer Pflichten abgearbeitet werden, die den Auswahlprozess oft länger gestalten, als er eigentlich sein müsste.
Das Budapester Start-up Indivizo will es nun mit seiner gleichnamigen Anwendung möglich machen, Interviews jederzeit und überall führen sowie verwalten zu können. Mit dem Programm lassen sich Interviewfragen vorbereiten und automatisch stellen, eingehende Bewerbungen auf Erfüllung von gewissen Eignungskriterien analysieren, passende Bewerber zum Video-Vorabgespräch einladen, selbiges durchführen, im Nachhinein bewerten und die besten Bewerber zum persönlichen Interview einladen. Laut dem Hersteller würden Personaler dadurch viel Zeit und Geld sparen, die Indivizo-Internetseite spricht von bis zu 50 Prozent bei beiden.
Besonders das zur Software gehörende Applicant Tracking System (ATS) soll dies ermöglichen: es übernimmt das Vorsichten der Lebensläufe und die anschließende Kommunikation sowie die Interviewterminvereinbarung mit dem Bewerber per Email von selbst. Indivizo bietet daneben bereits vorgefertigte Suchprofile, die man individuell anpassen kann. Über die eingebaute Kompetenz- und Interviewfragen-Datenbank lassen sich komplette Interviewabläufe planen und vorbereiten, bei Bedarf auch um eigene Fragen ergänzen.
Vorstellungsgespräch von zuhause aus
Die größte Innovation dabei: die Abwicklung der anschließenden Interviews (zumindest der ersten Auswahlrunde) ist dank Cloud-Technologie nicht mehr an Raum und Zeit gebunden. Bewerber können sich nach ihrer Einladung per Mail bei Indivizo online einloggen sowie das automatisierte Video-Gespräch jederzeit und überall führen, auch bei sich zuhause, lediglich ein Rechner mit Internetanschluss, Webcam und Mikrofon sind nötig. Genauso können die Personaler, die über die aufgezeichneten Gespräche automatisch informiert werden, diese jederzeit und überall online analysieren und verwalten. Die Anwendung stellt sogar die nach der Auswertung passende, individuell anpassbare Antwort zur Verfügung, die per Klick gesendet werden kann (bekanntermaßen erhalten Bewerber heutzutage aus Zeitgründen zuweilen gar keine Antwort). Da sich Nutzer über den Browser in das System einloggen, muss die Software noch nicht einmal auf dem jeweiligen Rechner installiert werden.
Die so erreichten kürzeren Zeitzyklen stellen sicher, dass vakante Positionen schneller besetzt werden und Bewerber eine schnellere Rückmeldung erhalten. Indivizos asynchrone Video-Interview-Plattform zur Verwaltung selbiger erlaubt auch das Teilen mit Kollegen oder Vorgesetzten. Später können die Videos anhand der ihnen zugeteilten Stichworte immer wieder aufgerufen, verglichen und für eine andere Auswahlrunde herangezogen werden.
Indivzo soll laut eigener Aussage durch seine Begleitung des Auswahlprozesses diesen vollkommen objektiv machen und gleichzeitig die Unternehmen befähigen, einen eigenen Angestellten-Brand aufzubauen, durch den der Betrieb wiederum attraktiv für weitere Jobkandidaten wird. Die Personaler können sich, durch die Software von den meisten administrativen Aufgaben befreit, wiederum viel stärker auf das konzentrieren, was ihnen in ihrem Job am meisten Spaß macht: das persönliche Vorstellungsgespräch.
Auch deutscher Markt im Visier
Die Indivizo-Gründer sprechen aus Erfahrung: Geschäftsentwicklungs-Vorstand András Holics und Produktentwicklungs-Vorstand Kata Illés waren selbst zuvor im HR-Bereich tätig, Holics als Berater und Personal-Trainer, Illés entwickelte HR-Systeme für Unternehmen. Technologie-Vorstand Bálint Kléri wiederum arbeitete als einer der Sieger des „Summer of Code“-Projektes von Google für schwedische und französische Softwareentwickler. Im Dezember 2012 fingen sie gemeinsam mit der Entwicklung von Indivizo an, die im Herbst 2013 abgeschlossen war und in die Testphase ging, Ende 2013 kam sie auf den ungarischen Markt. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit sei laut Illés spannend gewesen, ihnen sei es von Anfang an darum gegangen, das persönliche Interview unter den anderen, weniger spannenden HR-Aufgaben während der Besetzung einer Position hervorzuheben, weshalb man Indivizo entwickelt habe.
Bisher wurden bereits knapp 100 Mio. Forint an Eigenkapital investiert, aktuell stehe man aber mit Investoren in Verhandlungen. Getestet haben Indivizo die Fluglinie Air France KLM, das Luftüberwachungszentrum HungaroControl, der Hersteller von homöopathischen Produkten Boiron und die Budapest Airport Zrt., aktuelle Kunden seien die K&H-Bank, die Generali-Versicherungsgruppe sowie HungaroControl, zudem verhandele man mit weiteren Konzernen, verriet Illés gegenüber der Budapester Zeitung. „In 3-5 Jahren möchten wir auch auf dem deutschen, skandinavischen und nordamerikanischen Markt präsent sein, später in insgesamt sieben Ländern“, blickte sie voraus. „In den kommenden drei Jahren werden wir das System um weitere Module erweitern.“ Negatives Feedback sei unter den 2.000 im System registrierten Nutzern bisher nur von drei Bewerbern gekommen, bei denen der vollautomatisierte Auswahlprozess nicht mit ihren persönlichen Werten vereinbar sei. „Diese Menschen würden sich in einem Unternehmen, in dem technologische Innovation ein hoher organisatorischer Wert ist, sowieso nicht wohl fühlen“, vermutet Illés.