Die Budapester Oper, die Franz Liszt Musikakademie und Dutzende Jazz-Bars ziehen in der Hauptstadt unzählige Musikliebhaber mit ihren Programmen an. Und die jungen Budapester, die Austausch-Studenten, diejenigen, die Bass statt Bartók bevorzugen? Michael Kübler ist einer von ihnen und erzählt in der Fortsetzung unserer Serie „Mein Budapest“, wo die besten Partys der Stadt steigen.
„Bevor ich nach Budapest gekommen bin, wollte ich eigentlich nach Berlin ziehen“, gibt Michael Kübler zu. „Aber hier habe ich einfach viel mehr Lebensqualität und fühle mich heimisch.“ Der 44-jährige gebürtige Stuttgarter liebt Musik und lebt von dieser. Er ist DJ, Musiker und Produzent, fertigt Remixe und gibt Konzerte. Im Sommer kam er nach Ungarn, in das Land, mit dem ihn auch familiäre Wurzeln verbinden: „Meine Großeltern väter- und mütterlicherseits kommen aus Ungarn, daher hatte ich immer einen Bezug zu Ungarn und Budapest. Vor etwa vier Jahren hatte ich außerdem schon mal länger hier gelebt. Die Stadt kannte ich deshalb schon vorher gut.“ Michael hat aber auch ein Händchen dafür, schnell neue Locations in der ungarischen Hauptstadt auszumachen. Unser von ihm vorgeschlagener Treffpunkt, das Kis Á (Budapest V. Irányi utca 25.), eröffnete nur wenige Wochen zuvor. Seitdem ist Michael hier, unweit seiner Wohnung nahe des Ferenciek tere, Stammgast. So fragt mich die Kellnerin schüchtern, wer der nette Herr sei, da sie ihn sehr oft hier im Kis Á treffe. Und der kurze Zeit später eintreffende Besitzer gibt Michael wie einem alten Bekannten die Hand, während die beiden auf Deutsch miteinander plaudern.
Seine Musik produziert Michael in seinem „kleinen, mobilen Studio“, wie er es nennt. Früher hatte er klassischen Klavierunterricht, heute nutzt er die Kenntnisse von damals, um Melodien auf dem Synthesizer einzuspielen. Der Rest wird am Computer zusammengebaut. Die Konzerte seiner Band Rework sind wiederum eine Mischung aus DJing und Live-Konzert zwischen Club, Techno und House. Michael und sein Bandkollege sind für die Beats verantwortlich, die über einen Controller gesteuert werden, während eine Sängerin in den Songs Akzente setzt.
Wenn Michael nicht in Budapest als DJ auflegt oder Musik produziert, reist er mit Rework durch die Welt: „Mit der Band haben wir viele Konzerte, aufgrund derer ich gar nicht dauerhaft in Budapest sein kann. Besonders oft bin ich in Berlin und Stuttgart unterwegs; erst vor Kurzem war ich in der Schweiz, dieses Jahr folgen aber auch Auftritte in Paris und Brüssel. Und eventuell können wir in Australien eine kleine Konzert-Tour in den Großstädten Sydney, Melbourne spielen.“ Michael erklärt, dass in der elektronischen Musik Vieles über Plattenfirmen funktioniert: „Wir kennen ein australisches Label, für das wir schon Remixe gemacht haben. Deshalb findet da eine Art Austausch statt. Das heißt nicht, dass wir Down Under besonders bekannt wären, unser Genre ist grundsätzlich eher Underground. Es sind also keine großen Massen, die unsere Art Musik kennen und hören, aber die Szene ist sehr gut vernetzt. Ich hoffe also, dass es mit Australien klappt!“
Nachtleben zum Nachlesen
Kaum vorstellbar, dass der DJ und Musiker in seinem letzten Job noch bei einer Stuttgarter Bank das Software-Management erledigte. Wirklich Spaß machte ihm der Beruf nie, weshalb er sich für seine Passion, die Musik, entschied. „Von der Zeit sind mir aber auch hilfreiche Kenntnisse im Bereich Informatik geblieben, die ich nun für meine Projekte nutzen kann.“ Dazu gehört auch Toonitee, eine Webseite, die im August von Michael mit dem Motto „See what‘s up tonight“ (schau nach, was heute Abend los ist) gelauncht wurde. Das englischsprachige Veranstaltungsmagazin berichtet über Facebook und eine eigene Seite über bevorstehende Partys und Konzerte und dient ganz allgemein als Musik-Plattform mit den Schwerpunkten Techno, House, Elektronik, Indie und New Wave. Sowohl Veranstalter als auch Ausgehfreudige können Michael ihre Events unter info@ toonitee.com zukommen lassen. Auf Dauer möchte der Wahl-Budapester Toonitee weiter ausbauen, Kooperationen herstellen, gesponsorte Veranstaltungen ermöglichen.
Die Ideen gehen Michael für seine Budapester Veranstaltungsseite jedenfalls nicht aus, denn die städtische Partyszene hält er für „spannend und vielfältig. Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Und gerade der siebte Bezirk ist ja quasi eine einzige große Bar, mit einer Location nach der anderen.“ Einzig in der Organisation mancher Events sieht er noch Potenzial. „Das wäre aber kein Grund für mich, hier wegzugehen“, sagt der Musiker. „Hier ist mir alles vertraut; wenn ich durch eine Seitenstraße laufe, weiß ich genau, wo ich herauskomme. Allein als Kind war ich sehr oft hier in Budapest, um in den Sommerferien meine Großeltern zu besuchen.“ Gewohnt haben Michaels Großeltern damals unweit der Pferderennbahn „Kincsem Park“ in der Nähe des Örs Vezér tere. „Das ist übrigens ein super Tipp, um etwas Untouristisches mit dem Besuch zu unternehmen“, rät Michael. „Die Pferderennen hier in Budapest sind nicht so schicki-micki, wie man sich das vorstellen würde. Es macht einfach Spaß und ist eine besondere Unternehmung. Und einmal habe ich beim Mitwetten sogar ein bisschen Geld gewonnen“, erzählt er lachend.
Obwohl Michael eher hinter den Plattentellern als auf der Tanzfläche steht, hat er einige Empfehlungen parat, um die Budapester Clublandschaft kennenzulernen: Neben dem Kulturschiff A38 (Petőfi Brücke Budaer Seite) besucht er gern den zum Kino gehörenden Toldi-Klub (Budapest V. Bajcsy-Zsilinszky út 36-38). Auch den im Mai eröffneten Club Lärm (im ersten Stock des Fogas ház, Budapest VII. Akácfa utca 51) und das Akvárium (Erzsébet tér) kann er guten Gewissens für eine gelungene Party empfehlen.
Michael an den Plattentellern:
„Excuse Excuse 2“
10. Oktober ab 21:15 Uhr
Beat On The Brat
Budapest VII. Nyár utca 20.
DJs:
Michael Toonitee, Annie+Ele (She Lies), Viage, Gasman
Musik:
New Wave, Indie, Disco, Synthpop, Elektronik
Toonitee – Michaels Partykalender für Budapest: