Mit Politikern ist es wie mit Schauspielern und Leistungssportlern: Irgendwann haben die meisten ihren Zenit überschritten, der Moment des Rückzugs kann Anerkennung oder Hohn, wenn nicht gar Feindseligkeit nach sich ziehen. Doch einige wenige Politiker scheinen dem Zahn der Zeit gegenüber unempfindlich oder gar ignorant zu sein. Lajos Bokros ist einer von ihnen.
Lajos Bokros ist Namensgeber des sogenannten Bokros-Pakets (1995), das zwar enorme Kürzungen im Staatshaushalt beinhaltete, damit aber auch die darniederliegende Wirtschaft ankurbeln konnte. Lajos Bokros ist es auch, der sowohl bei der Parlamentswahl im April als auch der Europawahl im Mai und nun auch bei der Kommunalwahl als Oberbürgermeisterkandidat in Budapest von den Plakaten lächelt und mittlerweile die Schlagzeilen beherrscht. Doch weniger deswegen, was er tut, vielmehr deswegen, was andere tun.
Es kann nur einen geben
Bereits zwei Kandidaten der keinesfalls für ihre überzeugende Auswahl bekannten Linken sind zurückgetreten. Der weniger bekannte György Magyar verzichtete ebenso auf seine Kandidatur wie der „einzige Kandidat der Linken“, Ferenc Falus. Falus war der gemeinsame Kandidat von den Sozialisten (MSZP), der von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány geführten Demokratischen Koalition (DK) und der Partei “Gemeinsam-Dialog”. Der Schritt war von den Parteispitzen entschieden worden, nachdem Falus in Umfragen hinter Bokros und seine Partei „Bewegung für ein Modernes Ungarn“ (MoMa) zurückgefallen war.
Alle hinter Bokros
Der Schritt kommt kurzfristig, denn bis zum Wahltermin ist es noch etwas mehr als eine Woche (12. Oktober). Dabei war Falus noch vor kurzem selbstbewusst mit der Frage nach Bokros umgegangen. Er, Falus, werde von drei großen Parteien gestützt, während Bokros Chef einer Mini-Bewegung sei, die kaum wahrgenommen werde, denn „wenn jemand für das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert, muss er sich die Unterstützung bereits im Vorfeld sichern“. Der Rückzug von Falus kam indes nicht vollkommen unerwartet. Bereits Anfang September sorgte das inzwischen berühmt-berüchtigte Video zur Ice Bucket Challenge von Falus (die Budapester Zeitung berichtete) für Stirnrunzeln in den Parteiführungen. Laut dem Nachrichtenportal Index wurden schon da Stimmen laut, Falus sei als Kandidat unhaltbar. Auch eine strikt reglementierte Kommunikationsstrategie (Index berichtete, Falus hätte sich nach dem verheerenden Video-Fehltritt täglich mit den Parteien absprechen müssen, Presseveröffentlichungen seien nur noch über die Partei “Gemeinsam-Dialog” erfolgt) brachte keinen Erfolg. Der farblose Falus konnte nicht überzeugen. Was seine Lage noch verschlechterte: Er, der mit dem Slogan „Der einzige Kandidat“ ins Rennen zog, musste schnell einsehen, dass seine Konkurrenten sich keinesfalls von diesem Wahlspruch beeindrucken ließen. Als dann auch die Meinungsumfragen den Trend untermauerten, dass Falus gegenüber den anderen Kandidaten, zumal Bokros, an Boden verliert, sahen sich die Parteien unter Zugzwang: Am Montag kündigte Falus seinen Verzicht auf die Spitzenkandidatur an.
Die letzte Woche des Wahlkampfs wird nun noch weiter an Fahrt aufnehmen, denn obwohl die MSZP Bokros noch mit Vorbehalten begegnet, wird wohl auch sie sich hinter ihn stellen. Wahlkampfveranstaltungen der Linken werden in den letzten Tagen vor der Wahl voraussichtlich einem Schaulaufen ungarischer Oppositionspolitiker ähneln, denn nun heißt es: Alle für einen, einer für alle.