Man könnte fast schon glauben, dahinter würde sich eine feste Absicht verbergen: Immer wenn es in den internationalen Medien gerade mal wieder etwas ruhiger um Ungarn geworden ist, dann kann man sich darauf verlassen, dass es der Regierung mit atemraubenden Geschick gelingt, ihr und damit auch unser Land erneut in die internationalen Negativschlagzeilen zu katapultieren. Mal mittels eines vielseitig auslegbaren Denkmals, mal mittels einer zu Irritationen Anlass gebenden Rede, mal taucht plötzlich ein Gesetz wie das Reklamegesetz mit einem völlig unklaren Interpretationsrahmen auf (siehe dazu unser aktuelles Interview mit RTL Ungarn-CEO Dirk Gerkens) und mal sorgt eine überzogene Polizeiaktion wie jüngst gegen einige NGOs für internationale „Anerkennung“ – sie findet immer einen originellen Weg.
Da für jeden absehbar ist, der sich auch nur halbwegs über das „Beuteschema“ von Ungarn-Korrespondenten und sonstigen internationalen Beobachtern im Klaren ist, welche Aussagen und Aktionen welche Gegenreaktionen und Schlagzeilen auslösen und da die jeweiligen Reaktionen und Erregungskurven stets so klar vorauszusagen sind wie etwa die Wiederwahl des Fidesz im April, muss den für die Aktionen Verantwortlichen entweder eine große Naivität oder aber eine gewisse Intentionalität unterstellt werden. Vielleicht ist beides aber auch zu hoch gegriffen, vielleicht sind sie auch einfach nur von Gleichgültigkeit gegenüber den Meinungen beherrscht, die sich die Leute außerhalb des Landes über Ungarn bilden. „Mögen doch Obama und all die aufgeblasenen Wichtigtuer über uns denken, was sie wollen, wir tun und lassen, was wir für richtig halten und pfeifen auf deren Meinung“, so kann man freilich denken und handeln, ob eine solche Einstellung für ein international so integriertes und daher auch abhängiges Land aber so weise ist, steht auf einem anderen Blatt.
Ein besonders effizienter Coup ist den Negativschlagzeilenprofis übrigens jüngst mit den öffentlichkeitswirksamen NGO-Hausdurchsuchungen geglückt. So haben sie es mit dieser einzigen, in ihrer Dimension jedoch völlig überzogenen Aktion nicht nur in der Weltpresse wieder einmal zu einer beachtlichen Fülle an Negativschlagzeilen und Putin-Vergleichen gebracht, es ist ihnen sogar gelungen, den Namen von Ungarn im Redemanuskript des US-Präsidenten unterzubringen. Regelrecht unerheblich nimmt sich dagegen schon fast aus, dass sie mit der NGO-Aktion auch die Jubiläumsstimmung des 24. Deutsch-Ungarischen Forums leicht eintrüben konnten und sogar das Kunststück fertiggebrachten, sich einen deftigen Titelseitenkommentar in der FAZ zu ergattern – der einzigen seriösen deutschen Tageszeitung, die sich in Sachen Ungarn-Kritik bisher noch vergleichsweise zurückgehalten hatte. „Paranoia in Orbáns Ungarn“ – titelte sie diesen Dienstag und geißelte damit ungewollt nicht nur die wenigen, die für die in dem Artikel aufgezählten Negativ-Phänomene die Verantwortung tragen, sondern – frei nach dem Motto: Mitgefangen, mitgehangen! – im Prinzip auch all jene, die in Ungarn leben, das Land mögen und hier unabhängig von der gerade herrschenden Regierung einfach nur ganz normal leben wollen beziehungsweise nötigte ihnen weitere Fragerunden zum Thema „Was ist denn bei Euch los?“ auf.
Ein wenig mehr Umsicht der Verantwortlichen beim Setzen von Themen und deren Kommunikation nach außen wäre also durchaus wünschenswert, selbst wenn wir uns dann etwa bei der Budapester Zeitung mehr nach anderen, dafür aber handfesteren und für das Leben in Ungarn wesentlich relevanteren Themen umsehen müssten.
Jan Mainka
Chefredakteur & Herausgeber
Schön und gut der Artikel, aber eigentlich vermisse ich hier (und gerade hier) einen Hinweis darauf, wieso es eigentlich zu der Hausdurchsuchung kam? Langeweile der Polizei? oder doch nicht ohne Grund? ???
Man fragt sich allerdings, ob dies, wie im Artikel angedeutet, nur eine Reihe von Patzern oder Wurstigkeiten war, oder eben doch, wie von den Krittlern der links-liberalen Weltverschwörung unterstellt, Meilensteine auf dem Weg in die gleichgeschaltete „illiberale Demokratie“, wo nur noch der eine Wille des allerhöchsten Horden- und Stammesführers zu gelten hat.