Der große Magnum-Schriftzug im Hauseingang verrät es sofort: Im Mai Manó Ház sind nach wie vor die Schwarzweiß-Fotografien eben jener weltberühmten Fotoagentur ausgestellt, die 1947 von Robert Capa initiiert wurde. Obwohl die Bilder bereits seit Monaten hängen, erfreute sich die Ausstellung dermaßen großer Beliebtheit, dass sie kurzerhand bis zum 5. Oktober verlängert wurde.
Magnum – das ist für Fotoliebhaber ein Qualitätskriterium, ein Gütesiegel, ein Garant für ewige, zeitlose Bilder. Gegründet wurde die Agentur 1947 von unabhängigen Fotografen, was sie damals einmalig machte. Namentlich waren Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, David „Chim“ Seymour, George Rodger und William Vandivert an der Gründung beteiligt – Capa gilt jedoch als Impulsgeber. Der Name der Agentur, Magnum Photos, soll dabei seine Liebe zu Champagner reflektieren, jedoch auch die Ambitionen mit den geplanten Fotoprojekten und deren Ausmaßen. Ziel war es, eine völlig neue Art der Agentur ins Leben zu rufen, die sich nicht dem Druck der Magazine hingibt. Möglich war dies dadurch, dass sie selbst von Fotografen geleitet wurde, die beispielsweise dafür sorgten, dass das Copyright immer bei den Fotografen blieb, statt es auf die veröffentlichenden Magazine umzuschreiben.
Wer woran wie lange arbeitete, war den Fotografen selbst überlassen; festgelegt wurden nur grobe Hoheitsgebiete: Cartier-Bresson war für Asien und den Fernen Osten zuständig, Seymour für Europa, Rodger für Afrika und den Nahen Osten und Vandivert für die USA. Capa fungierte als immer abrufbereiter Joker, der dort hinging, wo gerade ein Fotograf gebraucht wurde. Damals hatte Magnum Büros in New York und Paris, heute sind außerdem London und Tokio dazugekommen. Trotz diverser finanzieller Durststrecken konnte Magnum seine Unternehmensphilosophie fortsetzen und gilt auch heute als eine der weltweit prestigeträchtigsten und wichtigsten Agenturen für Fotografen und Fotografien.
Größter Respekt für Magnum
Die Fotoausstellung im Magyar Fotográfusok Háza, dem Ungarischen Haus der Fotografen, das den Beinamen „Mai Manó Ház“ trägt, wurde in den Räumlichkeiten im zweiten und dritten Stock eingerichtet. Im ersten Stock, direkt nach dem Treppenaufgang, findet sich zunächst der Museumsshop, der unter anderem zwei erstklassig gestaltete Magnum-Bildbänder im Angebot hat. Weitere Treppen führen zur Galerie im zweiten Stock – im dritten wird eine ebenfalls zur Ausstellung gehörende Slideshow mit Magnum-Fotografien von 1947 bis heute gezeigt, die ausschließlich in Ungarn aufgenommene Szenen zum Thema hat. Für 2015 ist darüber hinaus eine Ausstellung mit den besten Magnum-Fotos zu ungarischen Themen geplant.
Ausstellungskonzeptuell ist „Magnum Photos – Elsők“ (Magnum Fotos – die Ersten“) nicht herausragend, doch zollt sie der Foto-Institution den größtmöglichen Respekt. Alle Exponate sind sauber beleuchtet, sodass nirgends ein rückstrahlender Spot für schlechte Sichtbarkeit sorgt. Mehrere ungarisch-und englischsprachige Tafeln erläutern den Hintergrund der Ausstellung, die Geschichte von Magnum Photos, die Vita jedes ausgestellten Fotografen sowie – kurz und knapp – den jeweiligen Kontext der Fotografien. Denn: Die Aufnahmen wurden meistenteils als Teil eines Berichts oder im Rahmen einer Reportage erstellt. So erhalten Cartier-Bressons Fotografien von Mahatma Gandhi beispielsweise insofern besondere Wirkung, als der Betrachter über die Beschreibung nachvollziehen kann, dass sie wenige Tage vor dem 1948 an ihm verübten Attentat aufgenommen wurden.
Fast vergessen
Die Gruppenausstellung, die der Besucher hier bestaunt, fand vor über 50 Jahren das erste Mal in Österreich mit dem Titel „Gesicht der Zeit“ statt. Die auf Hartfaserplatten gezogenen Fotografien wurden damals in Holzkoffern untergebracht und transportiert. Genaue deutschsprachige Instruktionen, wie die Bilder zu behandeln und aufzuhängen sind, klebte man in die Innenseiten der Koffer, die ebenfalls im Mai Manó Ház ausgestellt sind. In den unscheinbaren Holzkoffern verpackt wurden die Fotografien lange Zeit im Kellergeschoss des französischen Kulturinstituts in Innsbruck vergessen, bis sie durch Zufall – glücklicherweise – wieder ans Tageslicht gerieten.
Neben Fotografien der großen Magnum-Gründer sind hier nun auch Bilder von Fotografen zu sehen, die von der Agentur damals erst entdeckt wurden. Dazu gehören Jean Marquis, der 1954 die Erzsébet híd in Trümmern ablichtete, Werner Bischof, der von Peru bis Kambodscha reiste und Inge Morath, die die Londoner High Society 1954 in ihrer Fotoserie „Mayfair“ in ihrem Alltag zwischen Shopping und Teetrinken porträtierte. Werke des 1949 zu Magnum hinzugestoßenen Österreichers Ernst Haas sind im letzten, hintersten Ausstellungsraum zu sehen. In seiner Bilderreihe „Land der Pharaonen“ verfolgte er 1954 den Dreh des gleichnamigen Films in Ägypten. Das spannende Ergebnis sind beinah surreale Dokumentationen vom Pyramidenbau auf der einen Seite und die schamlose Entzauberung des Filmdrehs auf der anderen.
Die Schwarzweiß-Fotografien der Ausstellung als erste Exempel des Magnum-Stils umspannen zwar nur wenige Jahre, gehen thematisch dafür aber umso weitere Wege. Die Werke der Ausstellung weisen den Weg in die ferne Zukunft, ins Heute der Fotografie, ohne dabei an Wertigkeit zu verlieren. Im Gegenteil sind die Bilder ohne Digitalkameras und Bildbearbeitung entstanden und haben daher erst gar nicht die Wahl, für sich zu sprechen oder nicht. Denn sie gehen auch ohne Teleobjektiv ganz nah heran.
Noch bis zum 5. Oktober: Fotoausstellung „Magnum Photos – Elsők“
Magyar Fotográfusok Háza – Mai Manó Ház
Budapest V. Nagymező utca 20.
Telefon: +36 1 / 473-2666
E-mail: maimano@maimano.hu
Wer noch am gleichen Tag im Robert Capa Központ, dem Zentrum für Zeitgenössische Fotografie, für die Ausstellung „Magnum Photos – Kontaktok“ vorbeischaut, erhält dort Ermäßigung.
Wer „Mai Manó“ Eins-zu-Eins aus dem Ungarischen übersetzt, dürfte einen Lachanfall bekommen, denn zu Deutsch handelt es sich hierbei in etwa um einen „Kobold von heute“. Tatsächlich aber war Emánuel May (1855-1917), wie der Budapester Manó Mai mit richtigem Namen hieß, ein Schriftsteller und Hoffotograf. 1892 erwarb er das Haus in der Nagymező utca 20 und baute es vollständig zu seinen Zwecken um. Aufgrund seiner guten Verdienste bei Hofe konnte er sich ein prunkvolles Eigenheim errichten, das ihm ebenso als Atelier galt. In den 1990-er Jahren, knapp 70 Jahre nach Mais Tod, wurde hier von der Stiftung für Ungarische Fotografie die Galerie errichtet und das gesamte Gebäude zum Mai Manó Ház beziehungsweise “Ungarischen Haus der Fotografen” erklärt.
Tipp: Besuchen Sie das Mai Manó Ház am 21. September um 14 Uhr. An diesem „Tag des Weltkulturerbes“ wird eine professionelle Führung durch das heuer 120 Jahre alte Gebäude angeboten, das 1996 unter Denkmalschutz gestellt wurde.