Ungarn befindet sich wieder im Wahlkampf. Am 12. Oktober finden im ganzen Land Kommunalwahlen statt. Mit anderen Worten: Es werden neue Bürgermeister sowie Stadt-, Gemeinde- und Bezirksräte gewählt.
Vor vier Jahren konnte die nationalkonservative Regierungspartei Fidesz landesweit Erdrutschsiege feiern, so auch in der Hauptstadt Budapest, das traditionell eher linksliberal orientiert ist. Nun sind die Karten neu gemischt. Der Fidesz muss sich als „Titelverteidiger” nicht nur der losen Linksallianz bestehend aus Sozialisten (MSZP), Demokratischer Koalition (DK) und „Gemeinsam-Dialog für Ungarn” erwehren, sondern auch der rechtsradikalen Partei Jobbik und einer Vielzahl an linken und rechten Kleinparteien. Eins können wir schon jetzt, einen Monat vor dem Urnengang, mit Sicherheit konstatieren: Der Fidesz wird seinen Triumphzug von 2010 nicht wiederholen können, als er der bisher farblich durchmischten Wahllandkarte Ungarns plötzlich einen orangenen Einheitslook verpasste. Im Folgenden wollen wir unter die Lupe nehmen, wie die Aussichten in den größeren Städten Ungarns und in den Budapester Bezirken stehen.
Unter den insgesamt 23 Komitatshauptstädten des Landes gilt die südostungarische Stadt Szeged (rund 170.000 Einwohner) seit jeher als „Bastion“ der Linken, in concreto der MSZP. In Szeged hat der MSZP-Politiker László Botka bereits seit zwölf Jahren das Sagen. Botka ist auch der einzige linke Politiker, der an der Spitze einer Komitatshauptstadt steht. Selbst bei der letzten Bürgermeisterwahl im Jahr 2010 lag er um sieben Prozentpunkte vor seinem Konkurrenten aus der Regierungspartei Fidesz. Diesmal ist der Fidesz-Politiker János Kothencz sein größter Herausforderer. Allerdings wird er gegen den in Szeged höchst populären Botka wohl kaum Chancen haben.
Städte, wo alles passieren kann
Die nordostungarische Stadt Salgotarján (mehr als 36.000 Einwohner) ist eine jener Städte, wo die Linke in der Person des örtlichen MSZP-Chefs Ottó Dóra einen gemeinsamen Kandidaten um das Amt des Bürgermeisters ins Rennen schickt. Dóra ist damit Herausforderer der Fidesz-Bürgermeisterin Melinda Székyné Sztrémi, die bereits seit acht Jahren die Geschicke der Stadt lenkt. Dem linken Bürgermeisterkandidaten werden insofern Chancen auf den Sieg eingeräumt, als die Linke sich in Salgotarján im Aufwind befindet.
Auch in der südwestungarischen Stadt Szekszárd (über 33.000 Einwohner) ist ein spannendes Rennen zu erwarten. Als größter Widersacher des Fidesz-Kandidaten Rezső Ács gilt jener Ákos Hadházy, der nach eigenen Worten wegen der Machenschaften und Kungeleien, nicht zuletzt in Zusammenhang mit der Vergabe der Trafikkonzessionen, aus dem Fidesz ausgetreten ist. Hadházy tritt nun in den Farben der Ökopartei LMP an. Ács seinerseits war bisher Vizebürgermeister der Stadt. Der bisherige Bürgermeister István Horváth (seit acht Jahren) tritt nicht mehr an.
In der westungarischen Stadt Szombathely (knapp 80.000 Einwohner) ist ebenfalls eine enge Wahl zu erwarten. Nach einer Kokainaffäre (ehemaliger stellvertretender Bürgermeister Viktor Lazáry) hat der Fidesz einen schweren Stand in der Stadt. Linker Herausforderer des Fidesz-Bürgermeisters Tivadar Puskás ist MSZP-Politiker György Ipkovich, der bereits zwischen 2002 und 2010 Stadtoberhaupt war. Ipkovich wird selbst von seinen politischen Gegnern geachtet.
Großstädte, die schwer auszurechnen sind
Die südostungarische Stadt Békéscsaba (über 60.000 Einwohner) wird seit 2006 vom Fidesz-Politiker Gyula Vantara gelenkt. Wegen der Unvereinbarkeitsklausel hat sich Vantara allerdings entschlossen, lieber als Abgeordneter im Parlament zu arbeiten, als weiterhin Bürgermeister zu sein. Als Kandidat des Fidesz wird deshalb der bisherige Vize-Bürgermeister Miklós Hanó ins Rennen gehen. Hanós linker Widersacher wird voraussichtlich der MSZP-Politiker Attila Miklós sein. Bei den Europawahlen im Mai kam der Fidesz auf 46 und die vereinte Linke auf 39 Prozent der Wählerstimmen in Békéscsaba. Demzufolge könnte es auch am 12. Oktober wieder eng werden.
In der nordostungarischen Stadt Miskolc (rund 160.000 Einwohner) wird ebenfalls für viel Spannung gesorgt sein. Die traditionell links ausgerichtete Industriestadt wurde 2010 vom Fidesz erobert. Bürgermeister der Stadt ist jener Ákos Kriza, der mit der unlängst erfolgten Delogierung von Roma-Einwohnern die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Sein Herausforderer auf Seiten der Linken ist der ehemalige Polizeipräsident der Stadt, Albert Pásztor, der in der Vergangenheit vor allem mit einigen sehr offenen Worten über die Roma-Minderheit für Aufsehen gesorgt hat. Zur Erinnerung: In Miskolc und Umgebung leben besonders viele Roma. Nicht zu unterschätzen ist aber auch der Jobbik-Kandidat Péter Jakab. Experten erwarten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kriza und Pásztor.
In der ostungarischen Stadt Nyíregyháza (rund 120.000 Einwohner) könnte es auch zu einem engen Rennen kommen. Von 1994 an war die Stadt vier Legislaturperioden lang unter der Bürgermeisterin Lászlóné Csabai (MSZP) in linker Hand. 2010 indes gewann der Fidesz-Politiker Ferenc Kovács die Bürgermeisterwahl. Kovács kämpft nun um seine Wiederwahl. Wer sein Herausforderer im Lager der Linken sein wird, ist vorläufig noch nicht bekannt. Sollte es allerdings eine charismatische Person werden, hat die Linke durchaus Chancen auf den Sieg.
Die südungarische Stadt Pécs (knapp 160.000 Einwohner) wird seit 2009 vom Fidesz-Politiker Zsolt Páva gelenkt. Neben Amtsinhaber Páva werden in der ehemaligen linken Hochburg zahlreiche weitere Kandidaten um den Stuhl des Bürgermeisters wetteifern. János Kővári etwa, der lange Zeit enger Verbündeter von Páva war, wird in den Farben des Vereins „Zusammenarbeit für Pécs“ in die Wahl gehen. MSZP und „Gemeinsam“ konnten sich auf Ágnes Kovács als Kandidatin verständigen. Ex-Premier Ferenc Gyurcsánys DK schickt die ehemalige stellvertretende MSZP-Bürgermeisterin der Stadt, Márta Kunszt, ins Rennen. Die Ökopartei LMP wiederum hat László Loránt Keresztes als Kandidaten nominiert. Auch in Pécs ist also für Spannung gesorgt.
Städte, wo der Fidesz wohl gewinnen wird
In insgesamt 15 Städten des Landes kann der Fidesz schon jetzt den Sekt einkühlen lassen, ist doch nach menschlichem Ermessen nicht davon auszugehen, dass die Linke hier gewinnt: in der ostungarischen Stadt Debrecen (rund 207.000 Einwohner) in der zentralungarischen Stadt Dunaújváros (knapp 50.000 Einwohner), in der nordungarischen Stadt Eger (knapp 60.000 Einwohner), in der nahe Budapest gelegenen Stadt Érd (über 60.000 Einwohner), in der nordwestungarischen Stadt Győr (etwa 130.000 Einwohner), in der südostungarischen Stadt Hódmezővásárhely (rund 45.000 Einwohner), in der südungarischen Stadt Kaposvár (knapp 70.000 Einwohner), in der südostungarischen Stadt Kecskemét (mehr als 110.000 Einwohner), in der südwestungarischen Stadt Nagykanizsa (etwa 50.000 Einwohner), in der westungarischen Stadt Sopron (rund 60.000 Einwohner), in der zentralungarischen Stadt Székesfehérvár (rund 100.000 Einwohner), in der südostungarischen Stadt Szolnok (rund 75.000 Einwohner), in der westungarischen Stadt Tatabánya (etwa 70.000 Einwohner), in der nördlich des Balaton gelegenen Stadt Veszprém (rund 63.000 Einwohner) und in der westungarischen Stadt Zalaegerszeg (über 60.000 Einwohner).
Mehrheit der Budapester Bezirke Fidesz-affin
In der Hauptstadt Budapest dürfte der Fidesz neuerlich im Gros der Bezirke triumphieren. Mit Sicherheit kann ein Sieg der Regierungspartei im I., II., V., XI., XII., XVI., XVII. und XXII. Bezirk prognostiziert werden. Gute Aussichten auf einen Sieg hat der Fidesz auch im III., IV., VI., VIII., X., XV. und XXIII. Bezirk (Soroksár). Die Linke geht mit guten Aussichten im IX., XIII, XIX., XX. und XXI. Bezirk an den Start. Im VII., XIV. und XVIII Bezirk wiederum ist vorerst noch nicht absehbar, wer gewinnen wird.