Während sich die meisten Ungarn am 20. August über den freien Tag und auf das Feuerwerk am Abend freuten, dürfte man in der Zentrale des Privatsenders RTL Klub im XXII. Bezirk mit den Zähnen geknirscht haben. Denn an diesem Tag wurde erstmals die Reklamesteuer erstmals fällig.
Zur Erinnerung: Die Reklamesteuer war zwar bereits seit Oktober vergangenen Jahres im Gespräch, allerdings wurde aus Regierungskreisen immer wieder versichert, für den Haushalt 2014 würde man noch nicht mit Einnahmen aus dieser Steuer kalkulieren. Entgegen allen Erwartungen und Versprechungen wurde die Steuer aber kurz nach der Parlamentswahl im Frühjahr doch beschlossen. Kritiker führen ins Treffen, die Steuer sei auf den Privatsender RTL Klub zugeschnitten. Zuerst hieß es, neben RTL würde auch der Privatsender TV2 in die höchste Steuergruppe fallen. Doch dank einer Änderung in letzter Minute wurde der Sender im Fidesz-Dunstkreis doch noch durch einen Rechentrick von der Steuer befreit. László L. Simon, Fidesz-Abgeordneter und angeblich Urheber der Gesetzesinitiative, wurde mehrfach von Journalisten dabei erwischt, komplett ahnungslos zu sein, wenn es um seinen eigenen Gesetzentwurf geht (die Budapester Zeitung berichtete).
Nun war es also soweit, die erste Zahlung wurde fällig. Wie viel genau an den Staat entrichtet werden musste, konnte bis zum Redaktionsschluss nicht erfahren werden. Schätzungen des linksliberalen Wochenblattes hvg gehen davon aus, dass im kommenden Jahr satte 8,6 Milliarden Forint von Seiten des Privatsenders fällig werden.
Steuer in Zentrale spürbar
Die Steuerlast in Ungarn macht sich indes auch in Luxemburg bemerkbar. Die Zahlen des Unternehmens seien schlechter ausgefallen als erwartet. Wohl auch deswegen bereitet man sich bei RTL mittlerweile auch rechtlich auf eine Auseinandersetzung mit dem ungarischen Staat vor. „Genaues möchten wir noch nicht sagen, aber wir werden sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene versuchen, unserem Recht Gültigkeit zu verschaffen“, heißt es dazu seitens des Senders.
Währenddessen reagierte das Ministerium für Volkswirtschaft in einer Presseaussendung auf den schwelenden Streit. In gekränktem Tonfall vergleicht die Regierungseinheit den Medienkonzern mit einem fremden Besatzer. Es sei für die Regierung eines Landes, die „übermenschliche Anstrengungen unternimmt, um den wirtschaftlichen Aufschwung zu ermöglichen“, schlicht nicht hinnehmbar, dass der nunmehr auch für ausländische Firmen zugängliche Medienmarkt von einzelnen als „einfach so auszubeutende Kolonie betrachtet wird“. Der RTL-Gruppe fehle die moralische Grundlage, die ungarische Regierung anzugreifen und Ungarn zu schaden. Dass in dieser Presseaussendung auch auf die moralische Pflicht von RTL verwiesen wird, Steuern zu zahlen wie „die meisten anständigen wirtschaftlichen Akteure des Landes“, scheint bei stetig wachsender Korruption im internationalen Vergleich jedoch etwas fragwürdig (die Budapester Zeitung berichtete).
Kurz und schmerzvoll
Ministerpräsident Viktor Orbán selbst war es, der sich über die angebliche wissenschaftliche Untersuchung im Hintergrund bei einem seiner wöchentlichen Interviews gegenüber Kossuth Rádió verplapperte. Nach einem zweimonatigen Hin und Her und Zuständigkeitsschacher gelang es nun dem Investigativ-Blog átlátszó.hu, dieses Dokuments habhaft zu werden. Der Spott, aber auch die Empörung war groß, als bekannt wurde, dass dieses ganze 14 Seiten umfasst, inklusive Deckblatt und Anhang. In diesem Material ist davon die Rede, dass steuerpflichtig derjenige ist, der die Werbung veröffentlicht. Dies wurde jedoch in letzter Sekunde noch geändert, da Werbemöglichkeiten wie Google und Facebook davon nicht erfasst würden beziehungsweise die Umsetzung einfach unmöglich wäre. Der Blog átlátszó. hu schreibt unter anderem auch deswegen davon, dass die Reklamesteuer für Investoren abschreckend wirken wird. Dabei, so heißt es in der Untersuchung, sei das Besteuern von Werbung keinesfalls originär ungarisch. So gäbe es eine ähnliche Steuer auch in Österreich (fünf Prozent), Griechenland (20 Prozent des Werbepreises), Rumänien (ein bis drei Prozent), Estland und Belgien, wobei in letzteren beiden Ländern nur Werbung auf öffentlichen Flächen besteuert wird. Auch Dänemark wird als Beispiel angeführt, dabei ist der Staat im Norden der Europäischen Union gerade erst dabei, solch eine Steuer zu planen. Eine Besteuerung mit 40 Prozent, wie es in Ungarn nun der Fall ist, ist in Europa (und vermutlich auch weltweit) einzigartig.
Ein weiterer Punkt, den die Regierung bisher zwar vehement abstreitet, der aus dem nun öffentlich gewordenen Dokument jedoch klar hervorgeht, ist: Das Gesetz trifft vor allem den Privatsender RTL Klub empfindlich. Von den 6.660 TV-Sendern, die steuerpflichtig werden, ist es allein RTL Klub, der in die höchste Steuerklasse (Werbeeinnahmen von mehr als 20 Milliarden Forint werden mit 40 Prozent besteuert) fällt. In absoluten Zahlen gesprochen heißt das: Mit den voraussichtlich fast 5,2 Milliarden zu zahlenden Forint entfielen damit fast zwei Drittel der Steuerlast auf den Sender. Bisher zeigt sich der Mediengigant kämpferisch, vom Aufgeben will man weder in Budafok noch Luxemburg etwas hören. Es bleibt abzuwarten, wer den längeren Atem hat.