„Das einzige Gegenmittel gegen totalitäre Systeme ist die Gemeinschaft der auf der Grundlage von Freiheit und Unabhängigkeit in Demokratie lebenden Nationen“, stellte der Minister für Außenwirtschaft und Äußeres, Tibor Navracsics, am Sonnabend bei seiner Rede am Terrorhaus-Museum in Budapest fest.
„Egal welche sicherheitspolitische Bedrohung in unserer Region erscheint, wir wissen, wenn wir solidarisch zueinander sind und geschlossen, dann kann niemand Europa, den Frieden und die Demokratie gefährden“, so der Minister weiter. In seiner Rede erinnerte er auch daran, dass vor 75 Jahren die Außenminister des Deutschen Reiches und der Sowjetunion einen ewigen Freundschafts- und Nicht-Angriffsvertrag unterzeichnet hatten. Die beiden totalitären Diktaturen hätten am 23. August 1939 einen Vertrag zur Ausbeutung dritter Länder sowie zur Beseitigung eines demokratischen und friedlichen Europas abgeschlossen.
Folge des Ersten Weltkriegs
Gleichzeitig bemerkte der Minister, dass die totalitären Systeme als Folge des Ersten Weltkriegs und der anschließenden Verelendung entstanden seien. Totalitäre Systeme würden zwar von Zeit zu Zeit miteinander in Konflikt stehen, und in dem jeweils anderen den größten Feind erblicken, in ihrem tiefsten Inneren würden sie aber in den grundlegendsten Fragen übereinstimmen. So etwa darin, dass sie in Europa ein System schaffen wollten, in dem der Mensch nur Mittel und nicht Ziel sei. In beiden totalitären Systemen musste jeder einzelne Mensch im Interesse irgendeines zukünftigen Zieles leben, sei es eines „reinrassigen Europas“ oder einer Welt ohne Klassen. Wer nicht bereit war, dem jeweiligen Ziel maximal zu dienen, der wurde vernichtet. Beide totalitären Systeme stimmten darin überein, dass sie einen gemeinsamen Feind hatten: die Demokratie.
„Wir, Mittel- und Osteuropäer kennen die Natur totalitärer Systeme genau. Wir haben deren Konsequenzen vor Augen, den Hass, den Neid, die zerstörten gesellschaftlichen Strukturen, die erschütterte Werteordnung und die Unsicherheit. (…) Vor 25 Jahren begann der Neuaufbau damit, dass wir den ostdeutschen Touristen die Freiheit wiedergaben sowie dass die Esten, Letten und Litauer ihre Unabhängigkeit erklärten“, erinnerte der Minister.
Nach der Rede wurde Kerzen entzündet
Nach seiner Rede entzündete der Minister an der Wand der Helden vor dem Museum eine Kerze. Ihm gleich taten Bence Rétvári, der parlamentarische Staatssekretär im HR-Ministerium, der Parlamentsabgeordnete János Horváth sowie viele der Anwesenden. An der Gedenkkundgebung nahmen weiterhin teil: László Domonkos, der Präsident des Staatlichen Rechnungshofes, András Patyi, der Rektor der Universität für Nationale Verwaltung, Zoltán Lomnici, der Präsident des Rates für menschliche Würde und die Witwe von József Antall, des ersten Ministerpräsidenten nach der Wende. Zugegen waren weiterhin Vertreter der US-amerikanischen, der belgischen, der französischen, der polnischen und der österreichischen Botschaft.
Der europäische Gedenktag geht zurück auf eine Initiative der Justizminister von Polen, Ungarn und Litauen. Die entsprechende Beschlussvorlage wurde am 10. Juni 2011 in Luxemburg angenommen. Als Gedenktag wurde darin der 23. August festgelegt, also der Tag des Abschlusses des sogenannten Molotow-Ribbentrop-Paktes im Jahre 1939. Am 23. August 2011 wurde der Gedenktag zum ersten Mal begangen.
Gemeinsame Erklärung des Parlamentspräsidenten und des Bundestagspräsidenten
In einer gemeinsamen Erklärung aus Anlass des europäischen Gedenktages zur Erinnerung an die Opfer der totalitären Diktaturen betonten Parlamentspräsident László Kövér und Bundestagspräsident Norbert Lammert, dass es auch 25 Jahre nach der Niederreißung des Eisernen Vorhangs eine wichtige Aufgabe sei, an die Beseitigung der autoritären und totalitären Regime zu erinnern. Der 23. August, also der Jahrestag der Unterzeichnung des Molotow-Ribbentrop-Paktes müsse als Gedenktag für die Opfer der kommunistischen und nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in das allgemeine Bewusstsein einziehen.
Der vor 75 Jahren unterzeichnete Pakt habe Europa zwischen dem sowjetischen und nationalsozialistischen Gewaltsystem aufgeteilt und bestimmte durch die dauerhaft gewordene Teilung das Schicksal Europas auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch jahrzehntelang entscheidend. Die Einheit Europas hätte ohne die Freiheitsbewegungen in Ungarn, in Polen und in der ehemaligen Tschechoslowakei und DDR nicht wiederhergestellt werden können. In der gemeinsamen Erklärung wird weiterhin hervorgehoben, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die gleichberechtigte Mitgliedschaft der europäischen Völker in der politischen und wirtschaftlichen Union das gemeinsame Ziel sei.