
Ungarn hat zwar keinen Zugang zum Meer, mit dem Balaton aber immerhin eine beliebte und liebenswerte Alternative.
Die Ungarn nennen ihn liebevoll „Balcsi” oder großsprecherisch „Ungarisches Meer”, die deutschsprachigen Touristen wiederum bezeichnen ihn von jeher als „Plattensee”. Richtig: Die Rede ist vom BALATON. Die folgenden Zeilen wollen den Leser aber nicht ans Südufer geleiten, wo der Massentourismus schier alles überschattet (Siófok) und vielerorts noch immer die schäbige Atmosphäre des real existierenden Sozialismus herrscht, sondern ihn an Orte einer sagenhaften Region entführen, die sich am Nordufer des „Balcsi” entlangzieht und immer häufiger mit dem Etikett „Ungarische Toscana” versehen wird.
Mit Recht! Doch lassen Sie unsere imaginäre Reise zunächst an der „Perle des Balaton” beginnen, in Balatonfüred. Dank des unermüdlichen Engagements des langjährigen Bürgermeisters der Stadt, István Bóka, ist Füred zu einem touristischen Knotenpunkt erwachsen, der in Ungarn seinesgleichen sucht und Vergleiche mit westlichen Kur-und Badeorten mitnichten zu scheuen braucht.
Süßes im Karolina oder im Bergmann
Die Fülle an Sehenswürdigkeiten, Kulturprogrammen, kulinarischen Angeboten und Möglichkeiten der Muße ist dermaßen groß, dass wir wohl oder übel nur eine selektive Auswahl vorstellen können. Wem nach erstklassigen Mehlspeisen und stimulierenden Kaffeekreationen der Sinn steht, sollte entweder das „Karolina” aufsuchen, das von den deutschstämmigen Gebrüdern Schindele mit Hingabe und Sorgfalt betrieben wird, oder sich in eine der beiden „Bergmann”-Konditoreien der Stadt setzen (eine befindet sich direkt an der Bundestraße 71 [71-es út]) in Fahrtrichtung Tihany. Was Sie dort kosten sollen? Auf jeden Fall den francia krémes (eine Kuchenspezialität), der wohl im „Bergmann” der beste des Landes sein dürfte.
Für die Einnahme eines Happens oder Snacks eignet sich das legere Weinbistro „Kredenc”, wo es auch eine breite Auswahl erlesener Weine aus der Region gibt. Und natürlich kann man hier bei sengender Hitze an der schattigen Straßenfront des Lokals innehalten und sich an einem erfrischenden fröccs (deutsch: Weinschorle/ österreichisch: Gspritzter) laben. Tritt man aus dem Inneren des „Kredenc” hinaus und spaziert linker Richtung die Straße abwärts kommt man zur altehrwürdigen Vaszary Villa (www.vaszaryvilla.hu), die vor wenigen Jahren aufwendig renoviert wurde und jeden Sommer mit äußerst interessanten Kunstausstellungen aufwarten kann.

Weitgestreckte Lavendel-Felder verzaubern durch ihre Farbe und gehören zu Tihany wie dessen barocke Abtei und seine verschlungenen Gäßchen. (Foto: Nóra Halász)
Feudal absteigen im Anna Grand Hotel
Wer in Balatonfüred feudal absteigen will, kann zum einen im Anna Grand Hotel (www.annagrandhotel.hu) Quartier beziehen, wo Jahr für Jahr der traditionelle Anna-Ball steigt, oder im nicht minder eleganten Ipoly Residence (www.ipolyresidence.hu) eine Straße weiter unten. Diejenigen, die sich im Balaton abkühlen wollen, haben in Füred die Qual der Wahl zwischen zwei riesigen Stränden, die in Sachen Qualität am Plattensee wohl unübertroffen sind.
Ach ja, ein Programmtipp für den August! Anfang August werden auf der einmaligen Tagore-Promenade wieder die Weinwochen von Balatonfüred stattfinden, in deren Rahmen die besten Weine der Region gekostet werden können. Prompt fällt uns hierbei der Cabernet Sauvignon aus der Kellerei Hudák (www.hudakbor.hu) ein, der uns im Vorjahr viel Freude bereitet hat. Kosten Sie ihn und lassen Sie dabei, den Blick auf die malerische Halbinsel Tihany mit den beiden Kirchtürmen der dortigen Benediktiner-Abtei gerichtet, die Seele baumeln.
Pittoreske Halbinsel
Es ist nicht nur angeraten, aus der Ferne die Augen an Tihany weiden zu lassen, sondern die Halbinsel selbst aufzusuchen.
Etwa den Strand von Sajkód, der in Fahrtrichtung Aszófő linker Seite per Auto zu erreichen ist (in einer langgestreckten Rechtskurve). Zuckelt man auf dem ruppigen Weg Richtung Strand, erstreckt sich vor dem Schilfgürtel und dem See rechter Seite eine riesige Wiese. Wer die Augen schärft, wird da und dort das eine oder andere Erdmännchen (ungarisch: ürge) erspähen!
Gelangt man zu einer abschüssigen Rechtskurve liegt auf der linken Straßenseite eine italienische Gaststätte, die erst in diesem Jahr erweitert und erneuert wurde. Nicht nur die italienischen Spezialitäten bestechen hier, sondern auch der phänomenale Ausblick von der Terrasse. Für Schöngeister lohnt es sich, hier in den Abendstunden vor Sonnenuntergang zu speisen, denn zu dieser Tageszeit ist die Atmosphäre geradezu apollinisch.
Der Strand von Sajkód ist deshalb ein Geheimtipp, weil er vermutlich der Badestrand mit der besten Lage am Balaton ist. Schwimmt man entlang des Schilfgürtels hat man einerseits die Kirche von Aszófő und die sanfte Hügellandschaft des Balatonhochlands im Blick. Andererseits blickt man rechter Hand auf die von dichten Wäldern bedeckten Hügel von Tihany. Und wenn wir schon von den Wäldern und Hügeln sprechen, zwei Tipps für diejenigen, die Wanderlust in sich spüren.
Idyllisches Wald-Teehaus
Zum einen ist da das idyllische Wald-Teehaus (im Übrigen eine Absteige für Angler), das über den asphaltierten Radweg erreichbar ist, der am Strand von Sajkód vorbeiführt (Entfernung: rund zwei Kilometer). Nicht nur eine Tasse des handgepflückten Kräutertees sollte dort gekostet werden, sondern auch die Kuchenkreationen! Spezialität des Hauses ist der Marzipan-Sauerkirsch-Kuchen. Zum anderen ist es lohnenswert, die in den Fels gehauenen Mönchklausen aus dem frühen Mittelalter zu besuchen. Diese Einsiedlerhöhlen sind ein seltenes historisches Kulturgut und in Mitteleuropa einzigartig.
Die Halbinsel Tihany ist auch ein Synonym für den Lavendel. Hier gibt es nicht nur duftende Lavendelfelder, sondern auch ein Lavendelmuseum, das ganz dieser Heil-, Duft-, Dekorations- und Mottenbekämpfungspflanze gewidmet ist (www. levendulahaz.eu). Das Museum befindet sich am Ufer des Inneren Sees (Belső-tó) der Halbinsel, an dem auch ein beschaulicher Abenteuer-Spielplatz samt Keller-Buffet liegt. Im Buffet können auch warme Speisen gegessen werden, darunter eine schmackhafte Kartoffelsuppe und mákosguba (eine saftige Mohnmehlspeise) mit Lavendel-Vanillesoße.
Der Ausblick von dort hat es auch in sich: einerseits eröffnet sich der Blick auf den Inneren See, andererseits auf die Ortschaft Tihany mit der alles überragenden Benediktiner-Abtei. Noch ein Tipp! An Samstagen gibt es an der Fähre Richtung Szántod (am gegenüberliegenden Südufer des Balaton gelegen) einen Markt mit örtlichen Spezialitäten. Und lassen Sie die Strände in Tihany nicht aus, die nicht nur familiär, sondern auch allesamt schön gelegen sind!
Ungarische Toscana
Fährt man von Tihany über Aszófő gen Norden durchquert man eine atemberaubende Hügellandschaft, das Balatonoberland, die vom Weinanbau geprägt ist. Auf der Strecke Pécsely- Vászoly-Dörgicse wird man rasch gewahr, dass die Bezeichnung „Ungarische Toscana” nicht von ungefähr kommt. Die beiden Ortschaften Vászoly und Dörgicse sind unbedingt einen Stopp wert! In Vászoly, wo es jeden Samstag im Garten des Bürgermeisteramtes einen kleinen Markt gibt, sollten Sie das idyllische Bächlein bis zum traumhaft gelegenen Teich (samt Sommerbühne!) entlangspazieren. Oberhalb des Sees gibt es eine kleine Gaststätte zum Einkehren. Obwohl es nur zwei-drei Speisen zur Auswahl gibt, lohnt sich ein Halt – allein schon wegen der herzlichen Atmosphäre.
In Dörgicse können gleich drei Kirchenruinen aus dem frühen Mittelalter besucht werden. Hier ist auch die imposante Kellerei des Weinguts Pántlika (www.pantlikapinceszet.hu) zu finden, das seit Kurzem auch eine kleine Gaststätte mit deftigen Speisen betreibt. Und hier gibt es auch eine Absteige der besonderen Art: das Sárffy-Haus, das an ein französisches Landhaus in der Provence erinnert (www.sarffyhaz.hu).
Extravagantes Fluidum und lukullische Freuden
Weiter geht es ostwärts in Richtung dem landschaftlich betörenden Káli-Becken (Káli-medence), wo es in der Ortschaft Köveskál (auch hier ist im Sommer jeden Samstag Markttag!) gleich drei Restaurants und Absteigen gibt, die ein extravagantes Fluidum verströmen und lukullische Freuden bieten: das „Kővirág” (www.kovirag.hu), das „Miakő” (im Sommer 2013 eröffnet) und das „Káli Art Inn” (www. kaliartinn.hu). Unweit von Köveskál liegt auch die Gemeinde Kékkút, wo eines der vortrefflichsten Mineralwasser des Landes aus den Tiefen des Bodens quillt. An der vorbeiführenden Landstraße gibt es die Möglichkeit, eigene Kanister und Flaschen mit dem wertvollen Nass zu füllen.
Und noch drei Tipps am Ende: die aus geologischer Sicht interessanten Überreste eines Vulkans in Monoszló, Hegyestű genannt (deutsch: Spitze Nadel), die schöne Csigó Mühle in Gyulakeszi am Fuße des Csobánc-Berges, wo Liebhaber alter Möbel und Antiquitäten aus dem Vollen schöpfen können (www.stilusgaleria.wix.com/hu) und Káptalantóti, wo jeden Samstag der vielleicht interessanteste und größte Lebensmittel- und Antiquitätenmarkt der Region zu besuchen ist (www.liliomkert.lapunk.hu).