Im August 1989 hieß es für viele in Ungarn gestrandete DDR-Flüchtlinge zu warten. Zurück nach Ostdeutschland wollten sie nicht mehr, der Weg nach Westdeutschland war ihnen noch verschlossen. Dass sich die Pein des Wartens für die Flüchtlinge, oft mit Kindern und meist am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten, einigermaßen erträglich gestaltete, war unter anderem Menschen wie dem römisch-katholischen Pater und Gründer des Ungarischen Malteser Nächstenliebe-Dienstes, Imre Kozma, und seinen hunderten freiwilligen Helfern zu verdanken.
Pater Imre, wie gerieten Sie damals in die Situation, Flüchtlingen aus Ostdeutschland zu helfen?
In die Aufnahme von Flüchtlingen bin ich wirklich von einem Moment zum anderen geraten. Aber eigentlich hat alles schon ein wenig früher begonnen.
Womit?
Ich bin zu einem ungünstigen Zeitpunkt geboren worden, damals zu Zeiten des Kommunismus waren Priester Bürger dritter Klasse. Man musste tatsächlich Überlebensstrategien entwickeln, um zurecht zu kommen. Aber eben dieses ständige auf der Hut sein bringt den Menschen eben auch dazu, risikobereiter zu sein.
Risikobereiter in welchem Zusammenhang?
Schon mehr als zehn Jahre vor der Wende war in vielen Menschen etwas ganz Besonderes spürbar, der Wille etwas zu tun. Allerdings wurde dieser immer im Zaum gehalten. Wer weniger mutig war, der blieb hinter der Grenze, wer etwas mutiger war, der probierte stets aus, wie weit ihn das System gehen lässt. Und so entstanden auch die ungarischen Malteser.
Die ungarischen Malteser sind ein Ergebnis der Vor-Wende-Zeit?
Ja, absolut. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre erlebten wir eine Art Wandlung innerhalb des Staates, als ob die Kirche mehr in Richtung der Hilfe der Armen und Alleingelassenen gedrängt würde. Dabei sind es gerade diese Aufgaben, die dringend erfüllt werden müssen, da sonst die Gesellschaft als Ganzes in Gefahr gerät. Und so wurde der von sich überzeugte Wohlfahrtsstaat nachsichtiger mit der Kirche in diesem Bereich, denn der Staat wollte den Eindruck erwecken, er sei Herr der Lage. Das war aber weit gefehlt. Der Mythos des „Versorgerstaates“ begann zu bröckeln. Das machte uns immer mutiger und etwa ab ´86 trauten wir uns aus unseren Verstecken hervor und begannen, mit Menschen auch außerhalb unserer Kirche in Zugliget zu sprechen. Damit entstand langsam eine Gemeinde, die auch den Menschen außerhalb der Gemeinde zeigen wollte, was Zusammenhalt bedeutet, was es bedeutet, Mensch zu sein. Und so schufen wir langsam ein erstes kirchliches soziales Netz. Von dort dauerte es nicht mehr lange, bis wir zu den Maltesern wurden.
Wer oder was gab den entscheidenden Impuls für die Gründung der ungarischen Malteser?
Eindeutig Csilla Fényes (im deutschen Sprachraum ist sie eher unter dem Namen Csilla Freifrau von Boeselager bekannt, Red.). Sie war die Frau eines deutschen Freiherrn und kam 1988 schwer krebskrank nach Ungarn. In Westdeutschland hatte sie bereits fast alle Krankenhäuser von innen gesehen und eben weil sie von dieser schweren Krankheit geschlagen war, hatte sie einen kritischen Blick auf das Leben entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens wurde ihr ihre ungarische Abstammung wieder bewusst und so kam sie nach Budapest. Csilla Fényes besuchte verschiedene Krankenhäuser und sah den Unterschied zwischen westdeutschen Hospitälern und den heimischen. Sie war ob der Umstände entsetzt und wollte helfen. Dazu brauchte sie jedoch einen institutionellen Hintergrund. Sie schaffte es, den deutschen Malteser Hilfsdienst hinter sich zu bringen. Und das Ergebnis war, dass die Hilfe auf einmal fast explosionsartig begann. Und um diese Hilfe in Ungarn kanalisieren, leiten und verteilen zu können, brauchte es auch hier eine empfangende Organisation. Frau Fényes sprach in diesem Zusammenhang damals mit Bischoff László Lékai und der empfahl ihr, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Wir trafen uns im Sommer ´88 und wir beide empfanden dieses Treffen als Signal. Alsbald gründeten wir den Nächstenliebe-Dienst.
Die Malteser heißen weltweit „Hilfsdienst“, warum nicht in Ungarn?
Weil Hilfe irgendwann an Grenzen stößt. Aber die Liebe unseren Nächsten gegenüber wird nie enden. Und um zu helfen, braucht es Nächstenliebe.
Doch zurück ins Jahr 1989. Der ungarische Malteser Nächstenliebe-Dienst war gegründet. Wie ging es weiter?
Wir machten uns daran, eine ungarische Basis aufzubauen. Uns ging es dabei um wirkliche, greifbare Hilfsleistungen. Und dann passierte etwas Erstaunliches: Die Menschen in unserer Gemeinde in Zugliget um uns herum, wurden von dem Willen etwas zu tun „angesteckt“. Sie sahen, dass es uns einfach darum ging, zu helfen, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten. Ab da suchten die Bewohner fast schon nach einer Möglichkeit, sich uns anzuschließen. Doch nicht nur das erstaunte uns. Auch der ungarische Staatsapparat begrüßte unsere Initiative und freute sich über die vielen Spenden, die bei uns eintrafen. Und während wir uns gerade mit den neuen Aufgaben und Umständen vertraut machten, warteten neue, historische Aufgaben auf uns. Das hatten wir weder geplant, noch beabsichtigt.
Was geschah?
Im August 1989 kamen viele ostdeutsche Flüchtlinge nach Ungarn. Die meisten von ihnen erreichten Ungarn mit dem festen Entschluss, nie wieder in die DDR zurückzugehen. Sie haben damit ihr ganzes Leben, ihr Sein aufs Spiel gesetzt. Der Begriff „Heimat“ hatte für viele dieser Menschen seinen Inhalt verloren. Und so kamen sie in Ungarn an.
Wie viele Menschen waren es etwa?
Etwa 30.000 Flüchtlinge waren damals in Budapest und Ungarn. Eine größere Gruppe besetzte damals das westdeutsche Konsulat und die Botschaft. Die diplomatischen Mitarbeiter nahmen sie bereitwillig auf. Allerdings stand ab da die Arbeit der Botschaft still. Am Abend des 13. August traf Csilla Fényes gerade wieder in Ungarn ein, ich hielt die Messe. Csilla wurde am Flughafen Ferihegy von einem diplomatischen Mitarbeiter in Empfang genommen, mich suchte nach der Messe in der Sakristei ein Mitarbeiter des deutschen Konsulats auf. Fast zeitgleich wurde uns beiden die Frage gestellt, ob die ungarischen Malteser bei der Versorgung und Unterbringung der ostdeutschen Flüchtlinge helfen könnten, denn in der Botschaft wusste man von unserer Arbeit in Zugliget. Beide antworteten wir sofort mit „ja“. Wenn ich jetzt im Nachhinein darüber nachdenke, hätte ich nur ein wenig gezögert, hätte ich wahrscheinlich „nein“ gesagt. Ich hatte keine Ahnung vom Umfang der Aufgabe oder wie wir das überhaupt angehen sollen. Ich wusste lediglich, dass wir helfen müssen.
Wie ging es dann weiter?
Am nächsten Tag begann ich mit allen möglichen Leuten und Einrichtungen zu telefonieren, Restaurants, Hotels und so fort. Wir mussten uns um die Verpflegung kümmern. Noch am selben Abend konnten 900 Menschen, zwar unter sehr nomadischen Umständen, aber in Sicherheit untergebracht werden.
Wie und wo konnten Sie Menschen beherbergen?
Vor unserer Kirche hatten wir einen kleinen Park. Dort schlugen die Menschen ihre Zelte auf, wer mit Wohnwagen angereist war, parkte in der Straße davor. Überall waren notdürftige Unterkünfte. Kurze Zeit später trafen auch große Malteser-Zelte aus München ein. Das „Lagerleben“ begann.
Wie konnten Sie all diese Menschen verköstigen und ihnen sanitäre Einrichtungen zur Verfügung stellen?
Ohne unsere Gemeinde in Zugliget hätte das alles nie geschehen können. Die Familien in unserer Gemeinde öffneten ihre Heime für die Flüchtlinge, luden sie zum Essen ein, ließen sie ihre Wäsche dort waschen und natürlich auch sich selbst. Es war ganz selbstverständlich, dass jeder, der Teil der Malteser war, unbedingt helfen wollte. Es war ein bewegendes Erlebnis für mich, dass niemand nach Ausflüchten oder ähnlichem suchte, sondern jeder nur auf die nächste Anweisung wartete, was zu tun sei. Es war, als verwirklichten sie ihr Mensch-Sein durch die geleistete Hilfe.
Restaurants und Hotels brachten uns täglich Essen und nie fragte auch nur ein Gastronom, wann er die Bezahlung dafür erhalten würde. Das stand nie zur Debatte. Wichtig war allein, zu helfen. Schon bald kamen auch Sanitärwagen, WC-Container und Waschküchen aus Deutschland an. Das Leben in dieser Form war neu und ungewohnt für uns.
Wie lange bestand Ihr Lager?
Etwa drei Monate lang. Das Lager durchliefen in dieser Zeit insgesamt knapp 5.000 Menschen. Etwa 600 freiwillige Helfer waren täglich vor Ort, direkt im Lager oder im weiteren Umfeld. So wie etwa Tante Nuni (Nuni néni). Sie war bei für die Küche verantwortlich und sprach drei oder vier Sprachen. Und da bei uns täglich Politiker und Botschafter aus aller Welt ein und ausgingen, um sich über die Lage vor Ort zu informieren, kam es auch vor, dass fünf oder sechs internationale Politiker, Außenminister und noch diverse Botschaftsmitarbeiter in unserer winzigen Kirchenküche standen, belegte Brote aßen und sich mit Tante Nunis Hilfe verständigten.
Wie gestaltete sich das Leben der Flüchtlinge im Zeltlager?
Obwohl wir alles taten, damit die Menschen bei uns möglichst keinen Mangel litten, war es erstaunlich, wie sehr sie sich vor uns und auch voreinander fürchteten. Niemand vertraute niemandem, denn das Gerücht war in Umlauf, es gäbe ostdeutsche Spione im Lager. Lange Zeit sah man nie mehr als drei oder vier Erwachsene gemeinsam stehen und reden. Doch noch etwas beunruhigte unsere „Bewohner“ sehr. Sie hatten unsagbare Angst davor, dass dieses improvisierte Auffanglager nur dazu diente, sie zu sammeln und später den ostdeutschen Behörden zu übergeben. Langsam, sehr langsam öffneten sie sich uns Maltesern. Das Misstrauen untereinander blieb jedoch. Auch die Fotografen (vermutlich Stasi-Zuträger, red.) auf den Dächern der umliegenden Häuser halfen in dieser Situation nicht gerade.
Wie verhielten sich der westdeutsche respektive der ostdeutsche Staat Ihrer Organisation gegenüber?
Die westdeutsche Botschaft bat nur kurz nach Eröffnung unseres Lagers darum, dass sie ihre Arbeit zu uns verlegen könnte, um dort vor Ort mit den Menschen in Kontakt zu sein. Das war eine große Herausforderung für uns, denn wir waren ein komplett caritatives System, wir wollten nicht Teil einer politischen Frage werden. Aber wir stimmten trotzdem zu. Nur etwas später wandte sich auch die ostdeutsche Botschaft an uns. Es gäbe eine Generalamnestie. Jedem Flüchtling, der nun zurück nach Ostdeutschland ginge, würde Straffreiheit zugesichert. Wir bekamen Flugblätter und trotz aller Vorbehalte sicherten wir der ostdeutschen Botschaft zu, sie bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Von da an gab es einen Wohnwagen, in der die ostdeutsche Botschaft mögliche „Interessenten“ empfangen und die Rückreise-Formalitäten besprechen konnte.
Wie viele Flüchtlinge machten von diesem Angebot Gebrauch?
Nicht ein einziger. Niemand. Ich hatte im Vorfeld Angst vor einem möglichen Eklat oder vor wütenden Protesten seitens der Flüchtlinge. Aber nichts geschah. Viele standen lediglich am Zaun und blickten mit starrem Gesicht auf den Wohnwagen.
Wie ging es dann im Lager weiter?
Fast täglich starteten etwa 50 bis 100 Menschen aus dem Camp in Richtung Grüne Grenze. Diese Menschen versuchten wir zu unterstützen. Wir hatten gute Kontakte in die Grenzregion, Menschen die uns halfen. Wir gaben den Aufbrechenden eine Landkarte mit dem eingezeichneten Weg und gaben ihnen Namen und Adresse unserer Kontaktpersonen, die sie dann über die Grenze brachten. Fast alle schafften es auch, nur sehr sehr wenige kamen wieder zu uns zurück.
Wie bewerten Sie im Rückblick Ihre Arbeit von damals?
Ich glaube, das war das Jahr der Wunder. Menschen halfen Menschen, ohne auch nur die geringste Gegenleistung zu erwarten. Ich glaube, wichtig ist, dass die Antworten, wenn es um die wirklich wichtigen Fragen des Lebens geht, von allein kommen. Wir dachten damals nicht nach, wir taten einfach, was richtig war.
Pater Imre Kozma, geboren am 4. Juni 1940, ist römisch-katholischer Pater und Gründer des Ungarischen Malteser Nächstenliebe-Dienstes. Bis heute ist sein Name mit der Hilfe für ostdeutsche Flüchtlinge in Ungarn fest verbunden. Mehrfache nationale und internationale Auszeichnungen zeugen von der Anerkennung seiner Arbeit. Die ungarischen Malteser arbeiten auch weiterhin unter seiner Leitung.
Liebe Redaktion der BZ,
die BZ-Serie zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung Ungarn/Österreich finde ich ausgezeichnet und bedanke mich als Zeitzeuge dafür recht herzlich. Sie leisten mit Ihren Beiträgen wichtige Hinweise über Dinge, die in Deutschland so nicht zu lesen sind. Dort nämlich werden die mutigen Menschen von damals, die Botschaftsbesetzer und Flüchtlinge, auch die, um die sich Pater Imre Kozma gekümmert hat, fortwährend diskriminiert. Sie werden um ihre gesetzlich zustehenden Rente nach FRG geprellt und erhalten Renten unter dem Niveau eines deutschen Hilfsarbeiters – besonders Hochqualfizierte sind von einem skadalösen Rentenbetrug betroffen. Die Regierung Merkel weiß von dieser Gesetzesmanipulation, sieht aber als „Bürgerrechtlerin“, wie im Übrigen Bundespräsident Gauck auch, keinerlei Handlungsbedarf.
Ehemalige DDR Funktionsträger aus Reihen der SED und Stasi hingegen werden mit auskömmlichen Renten ausgestattet.
Sieht so rechtsstaatliches Handeln aus wie es Deutschland gern in anderen Ländern einklagen möchte???
Mit den besten Grüßen
Peter Kämpfe,
Mitglied in http://www.iedf.de – bitte besuchen Sie uns!
Guten Tag,
Wir lasen die Budapester Rundschau seit etwa 1978 im Abo.
Die Zeitung wurde uns einmal im Monat per Briefträgerin zugestellt.
Unsere letzte Ungarnreise unternahmen wir 1983, hier nahmen wir an einer Sportveranstaltung teil. Insgesamt waren wir 11 mal in Ihrem schönem Land.
Aber ab 1986 stellten wir den Antrag auf die ständige Ausreise aus der DDR,
beim Rat des Kreises Sangerhausen – Abteilung Inneres.
Die gesamten Verhandlungen der KSZE Nachfolgekonferenz in Wien waren in der Zeitung abgedruckt bis ins Detail.
Die Verhandlungen in Wien dauerten über 2 Jahr,
damit hatten wir aber nicht gerechnet.
Der Kreis Sangerhausen erhielt 10 Exemplare im Monat,
und die Zeitungen die nicht im Abo waren ,wurden am Kiosk am Bahnhof verkauft.
Ich wurde öfters gefragt ob ich denn die Zeitung noch erhalte, wegen dem Ausreiseantrag? Ja, bis zum letzten Monat erhielten wir die Budapester Rundschau.
Die einzige Erklärung für mich ist, dass die Genossen des Ministerium des Innern die die Texte der KSZE Verhandlung in Wien und der UNO Menschenrechte nicht lesen und verstehen konnten ?
Wir erhielten die mündliche Zusage zur Ausreise am 30.August 1989.
Überall mussten wir mit 2 Laufzettel uns in der Stadt Sangerhausen abmelden.
Wir mussten uns auch dort abmelden, wo wir nicht registriert oder gar Mitglieder waren.Es kam nun so, dass unser Hab und Gut im Oktober 1989 von einer Spedition abgeholt wurde und in Hessen eingelagert wurde.
Gewiss hatten wir darüber nachgedacht nach Ungarn zu reisen. Wir waren zu viert.
Im Mai 1989 hatten wir Besuch von anderen Antragstellern und da sagte ich den Satz
…wenn ich heute in Ungarn wäre, würde ich dort bleiben ?
Und die Budapester Rundschau kam weiter immer regelmäßig, seltsam?
Im Schlafzimmer hatte ich dann eine Wand nur mit KSZE Texten aus der Budapester Rundschau „tapeziert“ . Danke an die Redakteure von damals.
Am 10.November 1989 kamen wir in Duderstadt in der BGS Kaserne an. Und ab dem 11.November 1989 befanden wir uns im Notaufnahmelager Gießen.
Joachim Sturm
Guten Morgen,
ich selbst bin am 23. August 1980 vor Lébénymiklós gefasst worden, beim Versuch den „Antifaschistischen Schutzwall“ zu überklettern. „Du Faschist“ brüllten die ungarischen Grenzsoldaten, bevor sie mir ihre Faust ins Gesicht schlugen. Dann lag ich bäuchlngs im Dreck und dann hechelte mir ihr Hund in den Nacken. „Ein guter Hund,“ sagte der (ungarische) Geheimdienstoffizier, der mich verhörte. „Ein Deutscher Schäferhund, – ein Geschenk an uns aus der Deutschen Demokratischen Republik.“ Dann war ich 14 Tage im Komitatsgefängnis in Györ, dann 7 Tage in Budapest in der „Bleiernen Ente“, dann wurde ich in Handschellen nach Ost-Berlin geflogen.
Die Ereignisse 1989 habe ich von Tübingen aus beobachten können. Natürlich mit Spannung. Der letzte Jahresbericht des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, abrufbar heute als PDF beim deutschen Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR listet „Erfolsquoten“ auf. Die Staatssicherheit der DDR rechnete ihre „Erfolge“ bei der Verhinderung von Fluchten der DDR-Bürger gegenüber dem Politbüro der Partei ab. Während an der deutsch-deutschen Grenze die „Erfolgsquote“ 1988 bei 99,9 % lag, lag sie an der Grenze von Ungarn nach Österreich oder Jugoslawien „nur“ bei 82 %. D.h. die innerdeutsche Grenze war dicht. 18 % aller DDR-Bürger, die damals einen Fluchtversuch über Ungarn namen, haben es allerdings geschafft. Heute denke ich: möglich war dies bis zum Frühjahr 1989 ausschließlich mit sachkundiger Hilfe sogenannter „Schleuser“.
Nichtsdestotrotz: In Ostdeutschland wusste man irgendwie instinktiv, dass es in Ungarn gewisse, wenn auch niedrige Chancen gab. Und die ungarischen Sperranlagen standen ja bis 1989 ausschliesslich zu dem Zweck, DDR-Bürger zu fangen. Ungarische Staatsbürger hatten damals kein Problem, aus Ungarn rauszukommen. Sie hatten ein Problem damit, nach Österreich reinzukommen.
Deswegen hatten ungarische Grenzsoldaten 1980 auch eine ziemliche Wut auf uns Ostdeutsche. Ich habe das oben und eingangs geschildert. Ausschliesslich unseretwegen standen sie ja damals dort.Und irgendwie kann ich das sogar nachvollziehen.
Herzlichen Dank an den Pater und seine zahllosen Helfer. Ich habe im Oktober 1989 selbst eine Nacht im Lager Csilleberc verbracht und war überwältigt von der Hilfsbereitschaft und der professionellen Organisation.