Kunst soll bewegen, Emotionen wecken, aufrütteln. Mehr noch ein Mahnmal, das auch lange nach seiner Errichtung für viele Generationen eine Erinnerung an das schreckliche Geschehen sein soll, mit der Ermahnung, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und so etwas nie wieder geschehen zu lassen.
Und obwohl das Besetzungsdenkmal auf dem Szabadság tér Emotionen weckt, dürfte der Künstler diese kaum erwartet haben. Als deutsch-ungarische junge Frau sieht man sich in Ungarn oft mit Situationen konfrontiert, die schwer zu verstehen und noch schwieriger zu ertragen sind. Da wäre der alltägliche Sexismus, die um sich greifende Armut oder die allgemeine Gleichgültigkeit, mit der sich Menschen hier begegnen. Das alles kann und muss man wegstecken, will man hier leben. Was jedoch unerträglich scheint, ist das „Mahnmal zu Ehren der Opfer der deutschen Besetzung“.
Empfindungen als Deutsche
Es braucht keineswegs ein überbordendes Nationalgefühl, um sich von den Machern des Mahnmals verunglimpft zu fühlen. Die “unschuldigen” Ungarn und die Deutschen als Tätervolk? Um nicht falsch verstanden zu werden, es geht keineswegs darum, Deutschlands Verantwortung am Holocaust zu schmälern. Vielmehr geht es darum, dass die Regierung mit diesem Mahnmal, dieser Lesart die ungarische Geschichte verfälscht, die Verantwortung Ungarns nicht anerkennt und so überdeutlich zeigt, dass sie von einer Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit noch weit entfernt ist. Das ist, einfach gesprochen, ungerecht. Die deutsche Gesellschaft kämpft seit nunmehr 50 Jahren schmerzhaft um die Aufarbeitung der eigenen Rolle und Verantwortung im Zweiten Weltkrieg. Diese jahrzehntelangen Anstrengungen mit einem Federstreich zu negieren ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Empfindungen als Ungarin
Doch wie fühlt man sich als Ungarin in Anbetracht des Mahnmals? Kurz: Elend. In welchem Staat muss ein Denkmal mit doppelter Umzäunung und mehreren Hundertschaften Polizei vor freiheitsliebenden, friedlichen Demokraten geschützt werden? Vor Menschen wie Imre Mécs, der als Freiheitskämpfer 1956 zum Tode verurteilt wurde? Vor Menschen wie Andrea Zoltai und ihren Mitstreitern, die im Holocaust ihre Angehörigen verloren? Vor Menschen wie mir, die glauben, in einer Demokratie gibt es immer Platz für Meinungsaustausch, aber keinen Platz für oktroyierte Meinungen und rücksichtslose Machtdemonstrationen?
Dieses Mahnmal hat keinen Platz in einer europäischen Hauptstadt. Ich bin wütend als Deutsche und schäme mich als Ungarin.