
Frischgewählter Vorsitzender: Kann József Tóbiás der MSZP wieder zu Orientierung und Stärke verhelfen? (Fotos: MTI)
József Tóbiás will sich in die Riemen legen. Dies jedenfalls hat der neue Vorsitzende der Sozialisten (MSZP) am vergangenen Samstag beim außerordentlichen Parteitag der MSZP versprochen. Tóbiás stellte nicht nur in Aussicht, die Sozialisten zu stärken, sondern auch für ein „besseres Ungarn” zu arbeiten.
Zur Erinnerung: Seit den Kommunalwahlen im Herbst 2006 ist die MSZP von einer Wahlschlappe in die nächste getaumelt. Auch dem bisherigen MSZP-Chef Attila Mesterházy (2009-2014) gelang es nicht, das Ruder herumzureißen und dem Niedergang der Sozialisten Einhalt zu gebieten. Nach dem – vorläufigen – Tiefpunkt der MSZP bei den Europawahlen Ende Mai schmiss auch Mesterházy hin. Die einstige Regierungspartei (1994-1998, 2002-2010) gibt heute nicht nur ein Bild der Schwäche, sondern auch der Orientierungslosigkeit ab.
„Politisches Leichtgewicht“
Unter diesen Gegebenheiten wurde Tóbiás also zum neuen MSZP-Chef gewählt. Wie schlimm es um die MSZP steht, ist allein schon am Umstand abzulesen, dass Tóbiás, der obendrein als „politisches Leichtgewicht” gilt, einziger Kandidat für den MSZP-Parteivorsitz war. Neben der Wahl von Tóbiás zum Parteichef wurde der Szegediner Bürgermeister László Botka als Vorsitzender des MSZP-Parteiausschusses bestätigt. Zum stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialisten wurde der nahezu unbekannte Zoltán Gőgös gewählt.
In seiner Rede als neuer MSZP-Chef sagte Tóbiás, dass die Sozialistische Partei unter seiner Führung zu ihren „traditionellen Werten” zurückkehren wolle. Die Sozialisten wollen den sozial benachteiligten Menschen wieder zur Seite stehen, und sie wollen das erschütterte Vertrauen in den Rechtsstaat in Ungarn wiederherstellen. Der neue MSZP-Vorsitzende sprach auch von der Wichtigkeit eines Dialogs. Wie er sagte, ist Frieden nicht mit der Absenz von Konflikten gleichzusetzen, sondern vielmehr mit einem Dialog, in dessen Rahmen Konflikte beigelegt werden können.
Tóbiás verspricht Chancengleichheit für alle
József Tóbiás redete bei seiner Parteitagsansprache auch der Chancengleichheit das Wort. Alle Ungarn sollten dieselben Rechte genießen, betonte er. In den vergangenen 25 Jahren hätten linke Regierungen diese Prämisse nicht immer ernst genommen. „Ohne Rechtssicherheit gibt es keine existentielle Sicherheit”, sagte er. Laut Tóbiás wird das Fundament der MSZP-Politik künftig darin bestehen, in Ungarn Chancengleichheit zu schaffen. „Niemand soll hierzulande an der Chancenungleichheit zugrunde gehen”, betonte Tóbiás.

Harte Worte: Ágoston Mráz vom Politikforschungsinstitut Nézőpont beschreibt Tóbiás´ ersten Auftritt als „kraft- und ideenlos“.
Der frischgebackene Vorsitzende der Sozialisten versprach nicht nur einen „neuen Gesellschaftsvertrag”, sondern auch ein „anständiges linkes Programm”. Tóbiás kündigte überdies an, dass seine Partei künftig weder einen Schlingerkurs verfolgen noch sich in „Ideenparaden” ergehen werde. Vielmehr werde die MSZP für eine nüchterne und besonnene Politik stehen. Dies bedeute auch, dass die Partei sich der Diffamierung ihrer politischen Gegner enthalten werde. Wie er sagte, will die MSZP „nicht die lauteste, sondern die größte Partei” des Landes werden.
Mit Blick auf zukünftige linke Allianzen, sagte Tóbiás, dass derzeit kein Weg an einer Kooperation zwischen den Kräften des linken Spektrums vorbeiführe. Auf lange Sicht wolle die MSZP aber weniger an einer „Regenbogenkoalition” mit der von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány (2004-2009) geführten Partei Demokratische Koalition (DK) und dem von Ex-Regierungschef Gordon Bajnai (2009-2010) gegründeten Parteibündnis „Gemeinsam-Dialog für Ungarn” basteln als vielmehr als „eigenständige Kraft” konkurrenzfähig werden, erklärte er.
Tóbiás ist von vielen No-name-Politikern umgeben
Der Politologe Zoltán Kiszelly geht davon aus, dass die neue und alte Führung der Sozialisten einen Ausgleich geschlossen hätten. Wie anders sei es nämlich zu erklären, so Kiszelly, dass mehrere Protagonisten der Mesterházy-Ära, beispielsweise Ágnes Kunhalmi (die Chefin der Budapester MSZP) und Zoltán Lukács, auch in der neuen Führung Platz gefunden hätten. Der Politikwissenschaftler wies ferner darauf hin, dass die Vertreter der alten Generation, darunter die ehemalige Vorsitzende der Partei, Ildikó Lendvai, außen vor geblieben seien. Lendvai hatte mit anderen ehemaligen MSZP-Größen (Imre Szekeres und János Veres) erst kürzlich den liberal gesinnten Deák Ferenc Kreis (die Budapester Zeitung berichtete) ins Leben gerufen, um eine Erneuerung der Sozialistischen Partei ins Werk zu setzen.
Sollte Tóbiás bei den Kommunalwahlen im Oktober als MSZP-Chef erfolgreich sein, dürften Ildikó Lendvai und ihre Mitstreiter innerhalb der Partei endgültig in den Hintergrund treten. Im gegenteiligen Fall ist aber auch ein Comeback des Lendvai-Flügels nicht auszuschließen, so Kiszelly. Der Politologe stellt insgesamt infrage, dass Tóbiás und die „nahezu völlig unbekannte neue Führungsmannschaft” der Sozialisten dazu fähig sein wird, aus der MSZP wieder eine ernstzunehmende Konkurrenz für die nationalkonservative Regierungspartei Fidesz zu formen. Sollten die Sozialisten ihre „graue und blutleere Politik” der vergangenen Jahre fortsetzen, könnte sogar die rechtsradikale Partei Jobbik an ihnen vorbeiziehen, so Kiszelly. Er verwies hierbei auch darauf, dass Gyurcsánys DK „viel draufgängerischer” und Bajnais Parteibündnis „viel kreativer” sei als die MSZP.
Keine Antworten auf die drängenden Fragen und Probleme der Sozialisten
Der Direktor des regierungsnahen Politikforschungsinstituts Nézőpont Intézet, Ágoston Mráz, bemängelte, dass über das Wie einer Erneuerung der MSZP auf dem Parteitag der Sozialisten überhaupt nichts zu erfahren gewesen sei. Laut Mráz war der erste Auftritt von Tóbiás „kraft- und ideenlos”. Der neue MSZP-Vorsitzende habe in seiner Rede keine Antworten auf die drängenden Fragen und Probleme bei den Sozialisten gegeben. Auch habe es Tóbiás versäumt, eine klare Trennlinie zur Demokratischen Koalition von Ferenc Gyurcsány zu ziehen. Dies obwohl Gyurcsány und seine Partei schon seit einiger Zeit ungeniert im Wählerbassin der MSZP fischen, so der Politologe. Angesichts der müden Vorstellung von Tóbiás auf dem Parteitag geht Mráz davon aus, dass dieser nur vorübergehend, sprich als Übergangslösung MSZP-Vorsitzender bleiben werde. Schon jetzt hätten zahlreiche MSZP-Mitglieder viel lieber den erfolgreichen Bürgermeister von Szeged, László Botka, an der Spitze ihrer Partei gesehen.