Eigentlich wollten wir das Thema Besetzungsdenkmal mindestens bis zum Herbst ruhen lassen. Bis zu den Kommunalwahlen rührt die Regierung das heikle Denkmal mitten im für sie wahltechnisch gar nicht mehr so sicheren Budapest nicht mehr an, lauteten die meisten Vermutungen. Seit Sonntagfrüh sind wir alle eines Besseren belehrt. Wenn schon so viele Sicherheitskräfte abgestellt werden müssen, dann sollen sie auch was Richtiges zu bewachen haben, schien sich die Denkmals-Partei gesagt haben und ließ das, was wie ein Adler aussehen soll, nebst dem anderen metallenen Beiwerk in der Nacht zum Sonntag flugs auf den schon wochenlang herumstehenden Säulen landen.
Damit organisierte sie an diesem heißen Sonntag für Hunderte von Journalisten auch ein kleines Zusatzprogramm. Auch wir von der Budapester Zeitung waren rasch vor Ort, um das lange erwartete und viel beschriebene, bisher aber nur mittels einer schlechten Schwarz-Weiß-Grafik bekannte Denkmal zum ersten Mal in seiner ganzen Absonderlichkeit direkt in Augenschein nehmen zu können. Alsbald stellte sich die Frage, wann die Regierung wohl ihr der Wirklichkeit so hart abgetrotztes Denkmal einweihen würde. Übereinstimmend lauteten die Gerüchte, dass die Einweihung bereits am Montagvormittag erfolgen solle.
Untypischerweise für die Einweihung eines politisch so hoch aufgehangenen Denkmals hatte aber keiner der Journalistenkollegen bisher etwas von einer entsprechenden Einweihungsfeier erfahren, geschweige denn eine Einladung dazu erhalten. Das änderte sich auch am Montag nicht. Zwar erweckte ein Putztrupp den Eindruck, hier könne bald etwas geschehen, aber selbst der eher Fidesz-nahe Radiokanal Inforádió bezog sich bei der Bekanntgabe der für Montagvormittag erwarteten Einweihung auf „Presseinformationen“, also auch auf Gerüchte anderer Kollegen. Erst am Nachmittag erfolgte dann von Staatsseite die Mitteilung, dass das Denkmal vorerst ohne Einweihung auskommen müsse.
„Aus Respekt gegenüber den Demonstranten“, so hieß es offiziell, inoffiziell hingegen, weil der Fidesz-Abgeordnete László L. Simon – also genau der, der das umstrittene Reklamegesetz erst eingereicht und dann sogar den Mut besessen hatte, das mit legalen und rationalen Argumenten nicht erklärbare Gesetz in der Öffentlichkeit zu erklären (siehe das Interview in der BZ Nr. 27) – sich diesmal nicht dazu hergeben wollte, für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen. So richtig professionell wirkte das alles nicht, eher dürftig für ein politisch so wichtiges und gesellschaftlich derart brisantes Denkmal.
Übrigens wundern Sie sich bitte nicht, dass wir dieses Denkmal in der Budapester Zeitung konsequent als Besetzungsdenkmal bezeichnen, während es für die meisten anderen deutschen Zeitungen ein Besatzungsdenkmal ist. Keine Ahnung, wer hier von wem abgeschrieben hat, auf jeden Fall ist letztere Bezeichnung falsch. Erstens weil sich das Denkmal selbst so nennt wie wir es nennen: Auf der unteren Seite des Tympanons ist ganz klar der Schriftzug zu lesen: „A német megszállás…“ und etwas megszállni, heißt nun einmal etwas besetzen. Zweitens legt auch die Bildsprache des Denkmals eher diese Bezeichnung nahe. Immerhin sitzt der angebliche Reichsadler dem etwas weltabgeschieden dreinblickenden Gabriel nicht auf der Schulter, sondern stößt auf ihn beziehungsweise seinen Reichsapfel herab und schließlich hatte es auch historisch keine militärische Besatzung Ungarns wie etwa im Fall von Polen oder Jugoslawien gegeben.
Nur ein Buchstabe Unterschied gewiss, bei so einem brisanten Denkmal aber ein wesentlicher!