
Gut bewacht: Weder Polizei noch Demonstranten weichen dem umstrittenen Mahnmal von der Seite. (Fotos: Nóra Halász)
In der Nacht von Samstag zu Sonntag wurde das Besetzungsdenkmal am Szabadság tér unter dem Schutz von Sicherheitskräften und dem Mantel der Nacht aufgestellt. Seitdem sind durchgehend behelmte Polizisten vor Ort, der Platz im Herzen der Stadt wurde noch am Montag mit Überwachungskameras versehen. Der südliche Teil des Szabadság tér befindet sich seit Sonntagnacht im Ausnahmezustand.
Eine kurze Bestandsaufnahme zum Mittwoch: Das Denkmal steht seit Sonntag unter ständiger polizeilicher Bewachung. Die von Fruzsina Magyar und Andrea Zoltai (die Budapester Zeitung berichtete) organisierten Demonstrationen finden weiterhin täglich statt. Drei der vier fremdsprachigen Inschriften an der Seite des Mahnmals sind fehlerhafte Übersetzungen. Eine offizielle Einweihung ist seitens der Regierung nicht geplant.
Schuld sind immer die Anderen
Fast den gesamten Montag warteten Demonstranten und Journalisten gleichermaßen gespannt auf die feierliche Übergabe des kurz zuvor in aller Heimlichkeit aufgestellten Mahnmals. Am Nachmittag trat dann Staatssekretär János Lázár vor die Presse und teilte mit, es werde keine Übergabe geben, „aus gegenüber Respekt den gesellschaftlichen Debatten und den Demonstranten“. Gleichzeitig gestand er auch Fehler im Vorfeld ein. So hätte die Entscheidungsfindung beispielsweise anders verlaufen sollen. Die Frage des Gefallens oder Nicht-Gefallens des Denkmals steht für Lázár nicht im Raum. Entscheidend sei allein die Feststellung: „Die Deportation von Juden hätte in Ungarn ohne deutsche Besetzung nicht stattgefunden. Bei der ungarischen Verantwortung für den ungarischen Holocaust ist es unerlässlich, auch immer über die der Deutschen daran zu sprechen.“
Auch Premier Orbán äußerte sich etwas später. Das Regierungsoberhaupt sieht seine verfassungsmäßig auferlegte Pflicht zu erinnern, allerdings als erfüllt. In der Presseaussendung erklärt Orbán weiter: „Wir haben dieses öffentliche Werk an seinen Platz erhoben, welches dafür gemacht ist, den Schmerz und das Leiden auszudrücken, den der Verlust der Freiheit dem ungarischen Volk verursacht hat.“ Weiter erklärt er, zwischen den Jahren 1944 und 1991 wäre Ungarn unter fortwährender Besetzung gewesen. In dieser Zeit seien Dinge geschehen, die in einem souveränen Ungarn unvorstellbar gewesen wären. Damit stellt sich auch Viktor Orbán auf die Position des an sich unschuldigen Ungarns, die jedoch von angesehenen Historikern wie etwa Krisztián Ungváry anhand historischer Tatsachen widerlegt wird.
„Gesiegt haben wir erst, wenn dieses Schandwerk von hier verschwunden ist“
Die Reaktionen auf die Mitteilung aus dem Amt des Premierministers und später auch des Premiers selbst lösten bei den Demonstranten am Szabadság tér gemischte Gefühle aus. Während Initiatorin Andrea Zoltai von einem Sieg gegen die Regierung spricht, äußert sich ihre Mitstreiterin Fruszina Magyar eher verhalten: „Ich denke, dass auf die Einweihung verzichtet wird, ist ein Ergebnis. Gesiegt haben wir aber erst, wenn dieses Schandwerk von hier verschwunden ist. Und mit ihm gemeinsam auch die ganze Bande um Viktor Orbán.“
Auch die Meinungen was den Status des Denkmals angeht, gehen auseinander. Während die Regierung die Frage als abgehakt betrachtet, zitiert das Wochenmagazin hvg eine etwas anders lautenden Meinung aus Polizeikreisen. Demnach müsse ein Bau – egal welcher Art – immer von den zuständigen Fachleuten des Bauamts abgenommen werden. Doch dies, so die hvg, sei bisher nicht geschehen. Was wie eine Lappalie scheint, ist indes für den weiteren Status des Denkmals sehr wohl von Relevanz, denn bisher ist das umstrittene Besetzungsdenkmal noch ein „Bauwerk“, jedoch kein Kunstgegenstand.
Am Denkmal treten aber auch Mängel ganz anderer Art zutage. Bereits am Sonntag veröffentlichte Rabbi Zoltán Radnoti auf seinem Blog einen Eintrag, in dem er darauf hinwies, dass das Wort „Opfer“ falsch ins Hebräische übersetzt worden sei. Das Wort, das auf dem Denkmal stehe, werde zur Bezeichnung von Tieropfern, nicht aber von Märtyrern verwendet. Und auch die Reihenfolge der Inschrift sei vertauscht, denn im Hebräischen wird von rechts nach links geschrieben und gelesen. Doch auch die russische, ja selbst die englische Inschrift enthalten Fehler. Auf diese Fehler angesprochen reagierte die Kommunikationsabteilung der Regierung abweisend. Das Staatliche Übersetzungsbüro (OFFI) hätte die Übersetzungen vorgenommen und eben auch beglaubigt, insofern sei man sich keiner Schuld bewusst. Bei der Fehlersuche der hebräischen Inschrift ging die Schuldzuweisung über insgesamt drei Tage und gipfelte am Mittwoch seitens des OFFI schließlich darin, dem ausführenden Steinmetz den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die Ausbesserungen würden demnächst vorgenommen, hieß es von staatlicher Seite.
Die Demonstranten am Szabadság tér wollen noch nicht aufgeben. So wird weiterhin täglich ab 17.30 Uhr zur Kundgebung geladen. Mindestens genauso lang wird auch die Bereitschaftspolizei vor Ort sein. Die Pressestelle der Polizei hält sich mit konkreten Aussagen derzeit allerdings noch zurück. So sei die polizeiliche Anwesenheit so lange erforderlich, wie es die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit erfordert“. Und auch zahlenmäßig sieht die Polizei ihre teils über hundert Mann starke Präsenz als gerechtfertigt. Entgegen landläufigen Vermutungen würden durch die Objektsicherung vor Ort nach Aussagen der Polizei jedoch keine Mehrkosten entstehen. Bleibt nur noch die Frage der moralischen Rechtfertigung, warum das „Denkmal zu Ehren der Opfer der deutschen Besetzung“ wie es offiziell heißt, eigentlich so immens geschützt werden muss.
ich finde das Denkmal gar nicht so unzutreffend
Zeigt es Ungarn doch in der Opfer- und Verliererrolle…und das sind sie doch schon immer gewesen…wie bereits der eigene Landsmann Ákos Kertész richtig erkannte: “Die Ungarn sind genetisch zum Untertan geboren”