
Sieg durch Teamarbeit: Premier Orbán konnte in Brasilien zumindest die beste Mannschaft der Welt in Augenschein nehmen, ob sein Land den Weg aus dem Fußball-Abseits findet, wird sich zeigen. (Foto: dfb.de)
Das Schöne für in Ungarn lebende Deutsche war bei dieser Fußball-WM, dass man die Spiele der deutschen Nationalelf ruhig auch mit ungarischen Freunden und Bekannten anschauen konnte, und bei deutschen Toren nicht mehr Gefahr laufen musste, wie ein einsamer Rufer in der Wüste zu erscheinen. Die deutsche Mannschaft hatte diesmal auch die Sympathie der meisten ungarischen Fußball-Fans hinter sich. Je länger die WM lief, umso mehr Ungarn drückten den Deutschen die Daumen. So hatte sicherlich auch Premier Orbán keinen so schweren Stand, als er unter den Augen von Kanzlerin Merkel das Endspiel verfolgte – sofern bei so hochkarätig besetzten VIP-Tribünen Tor-Schüsse einer Mannschaft überhaupt mit irgendwelchen besonderen Körperregungen quittiert werden.
Auf jeden Fall hatten Orbán und sein Sohn das Glück, bei einer erstklassigen Final- Begegnung dabei zu sein. Beide Mannschaften boten ausgezeichneten Fußball. Die Deutschen erwiesen sich am Ende aber doch als die Besseren. Nicht nur durch das brillante Tor von Mario Götze, sondern vor allem durch ein deutliches Mehr an Team-Geist und Angriffs- Ideen. Möge der leidenschaftliche Fußballer und ebenso passionierte Neubegründer erfolgreichen ungarischen Fußballs in spe, Viktor Orbán, von diesen Eindrücken möglichst viel mit nach Hause genommen haben!
Möglicherweise hilft Ungarn angesichts der tristen Situation seines Fußballs aber weniger ein Studium des perfekten Endproduktes als vielmehr des Weges dorthin. Eines mühseligen Weges, den wohl auch Brasilien beschreiten muss, um wieder an einstige Welterfolge anknüpfen zu können. Ein Weg, der sicher entlang einer Verbesserung der Nachwuchsförderung und der allgemeinen Strukturen verläuft. Ein Weg, bei dem es nicht nur um die Hardware, also etwa neue Fußballstadien geht, sondern auch um die Sportler, die darin Spitzenleistungen erbringen sollen. Und noch eine Erfahrung haben Brasilien und Ungarn gemeinsam: Dass beide Nationen einst Fußballgenies wie Pelé oder Puskás hervorbringen konnten, ist zwar ein schöner Ansporn und eine Motivation für nachfolgende Fußballergenerationen, bedeutet aber noch lange keinen Automatismus für das Hervorbringen von Qualitätsfußballern der Gegenwart.
Sicher ist auf jeden Fall, dass Ungarn unter der heutigen Landesführung den unbedingten Willen hat, bei zukünftigen Europa- und Weltmeisterschaften nicht mehr nur als Zuschauer dabei zu sein. Dafür sind Premier Orbán und seinen Mannen keine Anstrengungen zu groß und kein Stadion zu teuer. So wie sie nach ihrer bitteren Wahlniederlage 2002 acht Jahre lang beharrlich auf der harten Oppositionsbank auf die Wiedererlangung der Regierungsmacht hinarbeiteten, kann man davon ausgehen, dass sie genauso hartnäckig auch an ihrem anderen Fernziel arbeiten, nämlich Ungarn wieder in die Elite der Fußballnationen zu bringen.
Als Budapester Zeitung werden wir den hoffentlich erfolgenden Wieder-Aufstieg Ungarns zur Fußballgroßmacht zutiefst wohlwollend, aber auch kritisch begleiten. Wir werden die Entscheidungen unter die Lupe nehmen, die zu diesem Zweck getroffen werden. Und wir werden entsprechende Fragen stellen. Auch werden wir etwa dem Paradoxon nachspüren, warum Ungarn beispielsweise beim Wasserball oder Kanurennsport so erfolgreich ist, während dem Land beim Fußball einfach nichts mehr gelingen will. Und warum an diesem Zustand noch nicht einmal die seit 2010 herrschende Pro-Fußball-Atmosphäre einschließlich einer gewaltig gewachsenen materiellen, aber auch ideellen Wertschätzung durch die Gesellschaft eine Änderung bewirken konnte.
Schon bald wird die Realität hoffentlich den sich durchaus ergebenden Eindruck Lügen strafen, wonach guter ungarischer Fußball nur im Diktatur-Biotop gedeihen könne – und ebenso entsprechende Hintergedanken in Bezug auf Orbán. Voller Vorfreude werden wir dann auf die ersten Knospen des neuen, erfolgreichen ungarischen Fußballs hinweisen und sehnen schon heute jenen Tag herbei, an dem sie sichtbar werden.
Wir bleiben auch beim ungarischen Fußball weiter am Ball!
Fussball ist heutzutage eine Geldfrage. Und in einem 10 Mio Einwohnerland mit mässiger Wirtschaftskraft sind die Fernsehrechte nun mal weniger Wert, die Stadien weniger voll, die Eintrittkarten preiswerter und die Werbeeinnahmen geringer als in in grossen Ländern mit höherer Wirtschaftskraft. Warum sind Clubs wie Bayern München oder Barcelona so erfolgreich? Weil sie in der weiteren Umgebung keine nennenswerte Konkurrenz haben und damit ihr Stadion voller kriegen als andere, sprich höhere Einnahmen erzielen und teurere Spieler kaufen können.
Da kann Orban noch so viele Stadien für 50.000 Menschen bauen lassen, die durchschnittliche Besucherzahl bleibt bei 3-5.000.
Lieber Zachario, was Sie schreiben ist ziemlicher Mist! Bayern München oder Barcelona hätten in der näheren Umgebung keine Konkurrenz. In der näheren Umgebung von München fallen mir spontan die 1. Liga Clubs des FC Nürnberg, FC Augsburg oder Stuttgart ein. Dazu die Münchner Löwen von 1860 in der 2.BL. Die Eintrittspreise sind für die Clubs Peanuts. Werbeeinnahmen, Gewinngelder des DFB und hauptsächlich die Riesensummen der Fernsehrechte machen das Kraut fett. Orban hat durchaus recht neue Stadien zu bauen und alte zu renovieren. Er erhöht damit die Chancen wieder mehr Internationale Spiele & Turniere anzulocken (z.B. Europameisterschaft). Außerdem werden neue Stadien auch von Einheimischen wieder mehr & lieber besucht. Dies spült mehr Gelder in die Kassen der jeweiligen Städte und Fußballvereine. Hinzu kommt, das Provinzstädte wie z.B. Debrecen, Miskolc oder Györ durch neue Stadien mehr an Beachtung gewinnen und nicht alles in Richtung Moloch Budapest fließt. Dezentralisierung heißt das neue Zauberwort und ist bitter nötig in Ungarn wo Budapest immer noch eine gewichtige Hautrolle spielt. Also BRAVO Viktor!!!
“Der passionierte Neubegründer erfolgreichen ungarischen Fußballs in spe?” Erst dachte ich, es handle sich sicher um eine Übersetzung einer dieser anbiedernden Orban-we-love-you-Artikel regierungsnaher Organe, bis mich der letzte Absatz eines Schlechteren belehrte. Dann mal viel Spaß auf der Kriechspur zur (Fußball-)Großmacht!
Wie überall auf der Welt ist hoch professioneller Spitzenfußball einer perfekt durchdachten Nachwuchsförderung, modernsten Trainingsmöglichkeiten und Taktikschulung geschuldet, nicht zuvorderst dem Bau eines Fußballstadions im eigenen Wohnzimmer des großen Fußballretters, mit Mitteln die der auch in den letzten vier Jahren weiter verarmenden Gesellschaft entzogen wurden. Orban hat im Wesentlichen das Versagen des (politischen) Gegners zu Macht und Fülle verholfen. Im Falle des Fußballs werden die (sportlichen) Gegner Ungarns diesen Gefallen nicht tun. Da hilft nur Professionalität und Geduld. Beides hat Ungarn im Fußball seit Jahrzehnten nicht gezeigt. Und bei aller Liebe zum Fußball gibt es bei finanziellen Sonderleistungen für den Fußball auch ethische Grenzen, wenn vielen Kindern in diesem Land das nötigste fehlt.
“Die deutsche Mannschaft hatte diesmal auch die Sympathie der meisten ungarischen Fußball-Fans hinter sich. Je länger die WM lief, umso mehr Ungarn drückten den Deutschen die Daumen.”
Gab es dazu eine statistische Erhebung? Ich kann das kaum glauben. Ich lebe in einem kleinen ungarischen Dorf, und seit dem Sieg der deutschen Fußballmannschaft bei der WM kuckt mich keiner mehr an.
Eine statistische Erhebung haben wir natürlich nicht. Ich habe den Satz nur auf Grund der Eindrücke in meinem ungarischen Freundes- und Bekanntenkreis und bei einigen Public Viewings mit gemischten Publikum geschrieben… Aber dabei handelt es sich ausschließlich um Budapester Beobachtungen. Außerhalb der Hauptstadt können die Verhältnisse durchaus anders.
Haben auch andere deutsche Leser solche negative Erfahrungen machen müssen?