Das Gras scheint auf der Seite des Nachbarn doch immer grüner, nicht? Trotz einer gemeinsamen Geschichte und vieler kultureller Gemeinsamkeiten liegt zwischen den beiden Ländern der ehemaligen Kaisermonarchie eine unüberbrückbare Kluft in Sachen persönliches Glück und Wohlbefinden. Die Österreicher sind laut World Happiness Report der Vereinten Nationen doch tatsächlich glücklicher als ihre ungarischen Nachbarn. Woran das liegt und wie man das ändern kann, haben zwei junge ungarische Ökonomen untersucht.
Im weltweiten Glücksvergleich liegt Ungarn auf Platz 110. Zweimal muss man umblättern, um es überhaupt in der langen Tabelle der Ergebnisse zu finden. Es ist mit seinen 4.775 erreichten „Glückspunkten“ eingequetscht zwischen Laos und Indien. Dagegen liegt der österreichische Nachbar, trotz augenscheinlicher Vergleichbarkeit, 102 Plätze vor den Ungarn, auf Rang 8 der glücklichsten Nationen der Erde. Insgesamt 156 Länder wurden von dem Report unter die Lupe genommen. Als Bewertungskriterien wurden auch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung, die gesunde Lebensdauer, die Möglichkeit, sich auf jemanden in der nahen Umgebung zu verlassen, der subjektive Freiheitsgrad bei Entscheidungen, der Schutz gegen Korruption und die Freigiebigkeit herangezogen.
Bereits im September des vergangenen Jahres wurde der World Happiness Report veröffentlicht und von den Medien mit Interesse
aufgenommen. Fast ein Jahr danach haben die beiden Wirtschaftswissenschaftler Zsuzsa Kapitány und György Molnár das vorhandene Datenmaterial neu aufbereitet und sind einer Frage nachgegangen, die zwar nicht neu, aber trotzdem interessant ist: Warum sind die Ungarn so unzufrieden? Die Ergebnisse dieser vergleichenden Analyse von ungarischen und österreichischen Daten wurde vor Kurzem im renommierten Journal of Economic Literature veröffentlicht und stieß damit erneut eine öffentliche Diskussion der Umfrageergebnisse an.
Keine einfache Antwort auf Frage nach der Unzufriedenheit
Viele mögen einwenden, dass die gemeinsame Geschichte der beiden Länder spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend auseinanderging. Während das eine unter dem Patronat der Westalliierten blühte, hatten die Ungarn unter sowjetischer Vorherrschaft zu leiden, und dies mag bis zum heutigen Tag Spuren im Wohlbefinden hinterlassen. Der Report zeigt jedoch, dass vergleichbare Länder des ehemaligen Ostblocks wie zum Beispiel Tschechien (Platz 39), Polen (Platz 51), sogar Rumänien (Platz 91) in Sachen Glück besser abschneiden als die Ungarn. Innerhalb der EU, deren Länder allein sieben der ersten zehn Plätze für sich beanspruchen, landet einzig Bulgarien (Platz 144) noch hinter den Magyaren. Daraus lässt sich ebenfalls schließen, dass es nicht allein die wirtschaftliche Situation sein kann, die Ungarn auf die Hinterbank der Glücksmessung verbannt. Kapitány und Molnár überlegen daher, ob die Unterschiede auf die verschiedenartige Gewichtung bestimmter Glücksfaktoren zurückzuführen sind.
„Geld macht Glücklich“ – dies, so fanden die Wissenschaftler zum Beispiel heraus, gelte nicht für beide Länder im selben Ausmaß. So würde die Lebenszufriedenheit der Ungarn sehr viel mehr von einer Finanzspritze profitieren als die der österreichischen Nachbarn. Dies mag daran liegen, dass die Ungarn mehr schätzen, wovon sie wenig haben. Bei der Arbeitslosigkeit sieht der Effekt jedoch genau umgekehrt aus. Hier wirke sich der Verlust des Arbeitsplatzes bei den Österreichern wesentlich stärker auf das Wohlbefinden aus als hierzulande. Die Forscher gehen davon aus, dass Österreicher einen größeren Anteil ihrer Lebenszufriedenheit aus ihrem Job generieren. Dies mag an den Arbeitsbedingungen liegen und Hand in Hand gehen mit einem weiteren Punkt, auf den Kapitány und Molnár in ihrer Studie stießen.
Ausgebildete Facharbeiter in Österreich sind zufriedener als ihre vergleichbaren Landsmänner ohne höheren Bildungsabschluss. Dies läge daran, dass in Österreich Facharbeiter ein sehr viel höheres Ansehen und einen höheren Status genießen. Für beide Länder gilt jedoch, dass Menschen, die sich in Fortbildung befinden und regelmäßig Bildungseinrichtungen (Schule, Uni, Abendschule) aufsuchen, glücklicher sind.
Freunde machen ja bekanntlich das Leben schöner, doch auch hier schätzen die Österreicher soziale Beziehungen als relevanter für ihr persönliches Glück ein und würdigen die Freundschaft vor allem für ihren ideellen Wert. Ungarn sind weitaus praktischer: Freunde würden auch schon mal als Helfer bei potenziellen Finanzschwierigkeiten geschätzt. Auch in Bezug auf „Familienglück“ unterscheiden sich die
beiden Länder. Österreicher profitieren mehr von Paarbeziehungen, während Ungarn besonders durch Kindersegen glücklich würden.
Ein Wegweiser für die Politik
Wie der World Happiness Report selbst, versucht auch Kapitánys und Molnárs Studie Handlungsanweisungen abzuleiten. In beiden Ländern ist es nach wie vor die Gesundheit, die den größten Einfluss auf das persönliche Glück hat, daher sehen die beiden im Ausbau des Gesundheitswesens und der Gesunderhaltung den größten Handlungsbedarf. Auch ein Ausbau des Bildungssystems und ein breiterer Zugang zu Bildungseinrichtungen würden dem Wohlbefinden der Ungarn auf die Sprünge helfen. Ein gesellschaftliches und politisches Umdenken sollte auch bei der Anerkennung von Facharbeitern stattfinden, ganze Bevölkerungsschichten würden von einer Besserstellung profitieren.