Bei der Jahrespressekonferenz am 20. Mai (die Budapester Zeitung berichtete) präsentierte die Oberbank AG nicht nur ausgezeichnete Zahlen, sondern kündigte auch an, in Ungarn weiter zu investieren und – mit Blick auf die allgemeinen Nachrichten vom ungarischen Bankensektor – bemerkenswerterweise sogar neue Filialen zu eröffnen. Wir sprachen über diese Entwicklung mit Peter Szenkurök, dem Leiter der ungarischen Niederlassung der Oberbank AG.
Was ist der Hintergrund für diese positive Entwicklung?
Sicher hat das etwas mit unserem konservativen Geschäftsmodell zu tun. Es liegt in der Natur der Sache, dass konservative Geschäftsmodelle zu Boom-Zeiten eher underperformen und in Krisenzeiten eher outperformen. Zum anderen sind wir über all die Jahre immer harmonisch gewachsen. Von daher bestand auch nicht die Gefahr, dass wir uns Risiken oder Assets zu einem Mehrfachen ihres Buchwertes einkaufen, was uns jetzt belasten würde. Ein dritter Erfolgsgarant ist schließlich noch unsere Kundennähe. Mindestens zwei Mal im Jahr setzen wir uns mit jedem Kunden für ein qualifiziertes Gespräch zusammen.
Was noch?
Speziell in Ungarn kommt uns als Bank ohne Altlasten noch zugute, dass wir in unserer Kreditvergabepolitik deutlich freier und flexibler agieren können als andere Banken. Außerdem haben wir das Glück, dass uns die zu Bankenlasten getroffenen Devisenkredite- Entscheidungen im Vergleich zu anderen in Ungarn aktiven Banken weniger berühren. Einerseits, weil wir unseren Schwerpunkt im Firmenbereich haben, andererseits weil wir bei unseren Anfängen in Ungarn 2007 den Hype mit den Devisenkrediten fast gar nicht mitgemacht haben.
Wie gewinnen Sie neue Firmenkunden?
Wir verzichten eher auf klassische Werbung und gehen aktiv auf die Kunden zu. Außerdem versuchen wir auch über Interessenvertretungen wie etwa dem Deutschen Wirtschaftsclub präsent zu sein. Ich will auch nicht verhehlen, dass wir bei unserer Kundenakquisition natürlich auch von den Schwierigkeiten anderer Banken profitieren. Wenn Banken die Absicht bekunden zu verkaufen, sich in den Medien laut über ihre ungarischen Engagements beklagen, Filialen schließen und Mitarbeiter abbauen, dann überträgt sich das natürlich auch auf die Kundenbeziehungen.
Unter Ihren Neukunden gibt es also auch etliche mit solchen Erfahrungen?
So ist es. Es gibt aber auch Unternehmen, die gehen ganz offensiv vor und überprüfen alle paar Jahre strategisch ihre Bankverbindung. Unter Umständen wollen sie mit mehr als einem Institut zusammenarbeiten, denn bei der Abhängigkeit von einer einzigen Bank können Risiken entstehen. Daher wollen sich immer mehr Unternehmen mit einer zweiten oder gar dritten Bank absichern. Davon profitieren wir oft. Des weiteren bemühen sich vermögende Privatpersonen oder Firmen, die ab einer gewissen Summe nicht mehr von der Einlagensicherung geschützt sind, zu streuen, aufzuteilen und zu diversifizieren. Auch das kommt uns oft zu Gute.
Statt teuren Imagekampagnen setzen Sie also lieber auf zufriedene Kunden.
Genau das ist es, was uns wichtig ist. Daneben konzentrieren wir uns auf Prinzipien, die sich als nachhaltig herausgestellt haben. Ich bin erst seit Januar 2012 in Ungarn in meiner derzeitigen Position tätig, ich kann
mir aber sehr gut vorstellen, dass es ein Problem war, diese Strategie gegenüber Eigentümervertretern in einer Zeit durchzuhalten, in der ein Josef Ackermann (Ex-Vorstand der Deutschen Bank; Anm.) als oberster Vertreter der Bankenzunft in Europa eine Eigenkapitalrendite von 20 Prozent als Ziel verkündete. Die Leistung des Oberbank-Managements besteht darin, dass sie sich durch solche Statements nicht von ihrem Kurs des nachhaltigen Wachstums abbringen ließ. Heute können wir die Früchte unserer konsequenten Haltung ernten.
Was ist Ihre Strategie bei den Filialen?
Momentan haben wir sechs Filialen, die siebte eröffnen wir im Juli in Szeged. Mittelfristig, das heißt in einem Zeitraum von fünf Jahren, sind insgesamt 10-15 Filialen unser Ziel. Damit wären wir dann in jeder größeren Wirtschaftsregion Ungarns vertreten. Wir sind zwar eine Universalbank, unser Fokus bleibt aber natürlich auf dem Firmenkundengeschäft.
Derzeit könnten Sie mit Leichtigkeit Kundenberater von anderen Banken abwerben und schneller wachsen.
Damit allein wäre uns nicht gedient. Die neuen Mitarbeiter könnten erst dann richtig loslegen, wenn sie unsere Oberbank-Philosophie verinnerlicht haben. Bis es so weit ist, ist eine intensive Einarbeitung nötig, also auch Managementkapazitäten und Zeit. Ein zu schnelles Wachstum steht nicht im Einklang mit unserer Philosophie und Vorgehensweise. Wir wollen gute Kunden gewinnen und möglichst langfristige, nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen mit ihnen aufbauen. Ja, wir streben eine regelrechte Partnerschaft mit ihnen an.
Welche Konjunktursignale bekommen Sie?
Wir sind der Meinung, dass die Investitionstätigkeit im vergangen Quartal zugenommen hat. Das sehen wir anhand der bei uns eingereichten Projekte.
Wie sehen diese Finanzierungen aus? Handelt es sich um reine Bankenfinanzierungen oder anteilig mit Fördergeldern oder gar Mitteln aus dem Kreditwachstumsprogramm der Nationalbank?
Alle drei Faktoren sind beteiligt. In fast jedem Kundengespräch über Investitionen ist auch das Programm der Ungarischen Nationalbank (MNB) ein Thema beziehungsweise auch die Mitnahme von Fördergeldern aus EU-Programmen. Häufig handelt es sich um eine Kombination aus allen drei Faktoren.
Welche Rolle spielt das MNB-Programm?
Es wird regelmäßig bei Kreditverhandlungen angesprochen. Wir rechnen damit, dass vor allem das vierte Quartal 2014 in der Realisierungsphase für das MNB-Programm das stärkste sein wird.
Als wie erfolgreich bewerten Sie das zweite Kreditwachstumsprogramm der MNB?
Für ein Urteil darüber ist es noch zu früh. Es ist aber sicher, dass mittels dieses Programms zahlreiche Projekte realisiert werden. Wenn der Außenzinssatz von 2,5 Prozent etwas beweglicher wäre, dann könnten noch mehr Unternehmen über dieses Programm gefördert beziehungsweise finanziert werden.
Die KMU-Förderung ist eines der Kernziele der Wirtschaftspolitik der Regierung. Wie müsste das Kreditwachstumsprogramm geändert werden, damit noch mehr KMUs davon profitieren können?
In dem man beispielsweise Garantiegesellschaften flexibel einbezieht und die Gebühren dafür nicht von der finanzierenden Bank getragen werden müssen. Dann wären Kreditinstitute motiviert, auf Grund der wirtschaftlichen Teilabsicherung des Kreditrisikos durch die Garantiegesellschaft nicht nur sehr gute und gute, sondern auch Unternehmen mit mittleren Bonitäten zu finanzieren. Auch den Unternehmen wäre dadurch geholfen: Sie hätten zwar keine Forint- Finanzierung zu 2,5 Prozent, immerhin aber eine verlässliche Finanzierung inklusive aller Kosten zu vielleicht 3,5 Prozent, die über die gesamte Laufzeit von maximal zehn Jahren garantiert und keinem Währungsrisiko ausgesetzt sind. In diesen Zeitraum gibt es zudem auch kein Zinsänderungsrisiko, was gerade in einer Niedrigzinsphase wie jetzt in Ungarn ein wesentlicher Faktor ist. Das wäre also eine Möglichkeit zur Unterstützung von Unternehmen ohne Top-Bonität. Auch volkswirtschaftlich wäre das sinnvoll, da auf diese Weise Projekte finanziert werden könnten, die ansonsten wahrscheinlich nicht verwirklicht würden.
Gibt es entsprechende Gespräche zwischen dem Staat und den Handelsbanken?
Eine Gesprächsbereitschaft gibt es definitiv, die Nationalbank veranstaltet etwa in regelmäßigen Abständen Business- Frühstücke, zu denen die Bankenvertreter eingeladen sind, um auch Verbesserungsvorschläge vorzubringen. Vor knapp fünf Monaten war ich selbst eingeladen und habe den erwähnten Vorschlag geäußert. Ich hatte den Eindruck, dass er von MNB-Präsident György Matolcsy zumindest mit Interesse quittiert wurde. Es ist aber einmal grundsätzlich festzuhalten, dass die Nationalbank mit ihren beiden Programmen deutliche Impulse gesetzt hat. Auch das zweite Programm scheint zu gelingen. Dank diesem gibt es zinsgünstige Festzinskredite ohne Fremdwährungsrisiko, die es sonst nicht gegeben hätte.
Wie könnte der Staat noch helfen, um Investitionen zu fördern?
Stabile, berechenbare Rahmenbedingungen sind die Grundlage für ein gutes Investitionsklima. Das ist sowohl eine inhaltliche als auch eine Kommunikations- und Marketingaufgabe. Man darf nicht vergessen, dass in diesem Jahr zwar wieder mehr investiert wird, aber hauptsächlich von Unternehmen, die bereits hier vor Ort präsent sind. Auf Ungarn wartet aber immer noch viel ausländisches Kapital, das sich insbesondere durch das Bild Ungarns im Ausland noch immer in Wartestellung befindet.