Seit 4. Juni wartet die Kunsthalle am Hősök tere mit einer bis dato einmaligen Ausstellung auf. Im Ersten Nationalen Architektur-Salon („I. Építészeti Nemzeti Szalon“), der unter dem kryptischen Motto „100 Prozent Kreativität“ debütiert, wird versucht, die Höhepunkte und Eckpfeiler der ungarischen Architekturlandschaft mit all ihren Bezügen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft darzustellen. Schade nur, dass dem Museumsbesucher dabei ganz schwindelig wird.
Stolze 1.800 Forint kostet der Eintritt ohne Ermäßigung zu der Ausstellung im Műcsarnok, für die sogar der Museumsshop weichen musste. An der Kasse ist man leider auch eine Stunde vor Feierabend nicht bereit, Rabatt auf den Ticketpreis zu geben. Man könnte ja sagen, der Besucher würde durch eine immens aufwendige und kleinteilige Ausstellung entschädigt, wäre deren Umfang nicht Fluch und Segen in Einem. Denn einerseits schafft es der „Architektur-Salon“, möglichst viel thematisch abzudecken – andererseits aber bürdet er dem Besucher annähernd ungefiltert eine zu große Masse an Inhalten auf. In anderen Worten: Hier hat man sich gehörig verhaspelt.
Konzeptionelles Chaos
Bei Eintritt in den ersten Ausstellungsraum, der gleichzeitig als Durchgangszimmer zu insgesamt drei weiteren Räumen fungiert und das Thema „Neue Ornamentik und Tradition des Schmückens“ beherbergt, beginnen die Augen zu wandern. Was ist hier der Fahrplan, worum geht es, wo geht es entlang? Die einführende Beschreibung hängt direkt neben der Eingangstür und ist vom Kurator der Ausstellung, Architekt György Szegő, verfasst. Über das Konzept der Ausstellung bleibt man jedoch auch nach der Lektüre im Unklaren. Nebenan hängen großformatige Fotografien vom Várbazár, dem Vigadó, der Liszt Ferenc Zeneakadémia und dem vom Vertreter der organischen Architektur, Imre Makovecz (1935-2011), geplanten Szentmihályi templom. In einem anderen Raum wiederholen sich ähnliche Fotoserien, diesmal mit „den Stadien“: dem Albert Flórián Stadion, der Pancho Arena in Felcsút und dem Nagyerdei Stadion in Debrecen. Warum gerade diese Bauwerke als architektonische Exempel auf den Wänden thronen, erfährt der Ausstellungsbesucher nicht.
Den Rest des Eingangsraumes – und einen Großteil der restlichen Ausstellung – nehmen Dutzende, in Paaren angeordnete Zellen ein, die je ein Bauwerk abhandeln. Der Aufbau der Zellen ist immer gleich: Drei vertikale Stellwände und eine hüfthohe horizontale, mit Glas abgedeckte Tischplatte bieten Platz, das vorgestellte Bauwerk mit einer Daseinsberechtigung in der Ausstellung zu versehen. Beschreibung, Fotos, Videos, Skizzen und Objekte können dem Betrachter hier zur Information dienen – zumindest sofern sie vorhanden sind. So erfährt der Besucher über die von József Kocsis erbaute evangelische Kirche in Szentendre fast nichts, und auch die Spurensuche in den schwarzen Fingerabdrücken auf dem Tisch ergibt kein hilfreiches Ergebnis. Dagegen glänzt die Villa Ed von Gábor Helyes im selben Raum mit einer völlig obsoleten Installation aus Quadern, die dem Betrachter zu erklären versucht, was der Unterschied zwischen 1D und 4D ist. Der Bezug zum Bauwerk ist weder ersichtlich noch wird er erklärt. Obendrein wirkt die Fotografie der Villa Ed mit einer unverputzten Mauer in der einen Bildecke und eine prominent angebrachte Werbung des ausführenden Architekturbüros hochgradig unprofessionell.
Unklares Zukunftsprofil
Die Ausstellung ist die erste, seitdem sich die Kunsthalle im Besitz der Ungarischen Kunstakademie MMA befindet (wogegen die Mitarbeiter in einem offenen Brief protestierten, die Budapester Zeitung berichtete). Deren Vorsitzender, der konservativ-christliche Innenarchitekt György Fekete, plante bereits vor Jahren eine ähnliche Ausstellung, die sich allerdings auf die Arbeit des 2011 verstorbenen Fidesz-nahen MMA-Gründers Imre Makovecz hätte konzentrieren sollen. Gábor Gulyás, Direktor des Műcsarnok zwischen Februar 2011 und August 2013, wollte den ungarischen Architekten einerseits in einen internationalen, andererseits auch in einen kritischen Kontext setzen. Letztlich wurde nichts aus der geplanten Ausstellung.
Aktuell ist fraglich, wer fortan die künstlerische Leitung des Museums übernehmen wird. Temporär wurde der Posten der bisherigen Finanzchefin Piroska Kovácsné Medgyes anvertraut. Gulyás, der im letzten Jahr gekündigt hatte, wird sich nicht mehr um die Position bewerben. Als möglicher Nachfolger wird György Szegő, Kurator der aktuellen Ausstellung, gehandelt. Der 67-jährige Architekt, Bühnenbildner, Autor und Dozent gilt trotz seiner Nähe zur MMA als unabhängig denkender, der modernen Kunst gegenüber, die zu repräsentieren sich die Kunsthalle auf die Fahne geschrieben hat, jedoch wenig affiner Kandidat.
I. Építés zeti Nemzeti Szalon
Erster Nationaler Architektur-Salon
Noch bis 7. September
Informieren Sie sich auf www.mucsarnok.hu über das Rahmenprogramm
Műcsarnok
XIV. Dózsa György út 37.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 12 bis 20 Uhr